Meschede. Friedrich Merz ist aussichtsreicher Kanzlerkandidat, aber auch Wahlkreisabgeordneter im Sauerland. Wie passt das demnächst zusammen?
„Sehnsuchtsort Sauerland“ steht auf dem gerahmten Poster im Eventraum des Restaurants „H1“ in Meschede. Zwei junge Frauen im Bikini springen in den Hennesee, der Himmel ist blau, die Sonne scheint. „Wirklich schön hier“, sagt Friedrich Merz und blickt aus dem Fenster auf das Wasser, das gerade von einer Schneedecke umrahmt wird. Wirklich schön hier, doch der ganz persönliche Sehnsuchtsort des 69 Jahre alten Politikers befindet sich derzeit etwa 500 Kilometer entfernt: an der Willy-Brandt-Straße 1 in Berlin. Bundeskanzleramt.
Merz ist CDU-Vorsitzender und aussichtsreicher Kanzlerkandidat der Union, aber eben auch Bundestagsabgeordneter für den Hochsauerlandkreis. Deshalb skizziert er nun am Hennesee vor den regionalen Medien seine Pläne für den Wahlkreis. Selbstverständlich werde er auch als Regierungschef in Arnsberg wohnen bleiben, sagt Merz. „Und meine Frau wird auch hier weiter ihrem Beruf nachgehen.“ Charlotte Merz ist Direktorin des Arnsberger Amtsgerichts. Sollte ihr Gatte tatsächlich zum zehnten Kanzler der Bundesrepublik Deutschland gewählt werden - die Chancen stehen ja gerade gut -, dürfte sich seine Anwesenheit im Sauerland allerdings auf die Wochenenden beschränken.
„Alles versuchen, um im Wahlkreis präsent zu bleiben“
Von Angela Merkel weiß man, dass sie früher in Mecklenburg-Vorpommern kandidierte, aber eigentlich weiß man das auch nicht. Denn als Kämpferin für ihre Region ist die Alt-Kanzlerin nie so richtig in Erscheinung getreten. Das will Friedrich Merz anders handhaben. Er werde alles versuchen, um im Wahlkreis präsent zu bleiben und sich für das Sauerland einzusetzen, sagt er.
Wohl auch deshalb wirbt die CDU in der Region auf den Wahlplakaten neben dem Konterfei des Spitzenkandidaten mit dem kategorischen Imperativ „Mehr Sauerland für Deutschland“. Merz sagt, wenn die Dinge überall so laufen würden wie in seiner Heimat, dann ginge es Deutschland deutlich besser. Damit meint er nicht nur die noch relativ geringe Arbeitslosigkeit, sondern auch den großen gesellschaftlichen Zusammenhalt im ländlichen Raum. Hier kenne man sich, hier stehe man auch in schwierigen Zeiten zusammen, so Merz. In ganz Deutschland so für Stimmen zu werben, das möchte die CDU dann aber doch nicht.
1400 Gäste beim Weißwurstfrühstück in Brilon erwartet
Am kommenden Sonntag will der bayerische Ministerpräsident und CSU-Chef Markus Söder beim Weißwurstfrühstück in der Briloner Schützenhalle Friedrich Merz den Rücken stärken. Jedenfalls hoffen das alle. Denn der selbstbewusste Franke hatte der CDU zuletzt immer wieder in die Suppe gespuckt, weil er eine Koalition mit den Grünen öffentlich kategorisch ausschloss. Mit weiteren Querschüssen von Söders Seite rechnet der CDU-Chef in Brilon nicht, „aber ich werde vorher noch mal mit ihm sprechen“, sagt er augenzwinkernd. Eine zünftige Gaudi wird‘s auf jeden Fall und vielleicht auch einer der wichtigsten unter den 80 Wahlkampfterminen des Kanzlerkandidaten. Die CDU rechnet mit gut 1400 Gästen, das Blasorchester Brilon spielt auf, vielleicht werden auch ein paar Lederhosen zu sehen sein; Medien aus allen Teilen Deutschlands auf jeden Fall.
Im Bund strebe Merz ein Ergebnis von „Mitte 30 Prozent“ für die Union an, sagt er. Die SPD müsse sich schon sehr strecken, um eine „zwei“ als erste Zahl ihres Resultats erreichen zu können. Umfragen, die seine Union deutlich schlechter sehen, hält Merz für nicht verlässlich. Im eigenen Wahlkreis peile er „Mitte 40“ an. 2005 holte Merz 57,7 Prozent der Erststimmen, sein bestes Ergebnis. Doch seitdem ist die politische Landschaft vielfältiger geworden. Das Sauerland ist nicht mehr pechschwarz. Aber die Brandmauer soll auch hier stehen: Mit dem AfD-Kandidaten Otto Strauß habe er keinen Kontakt und will ihn auch nicht. „Bei der Rede von Alice Weidel beim Parteitag ist es mir kalt den Rücken runtergelaufen“, sagt er.
Ausbau der A46/B7n soll beschleunigt werden
Konkret will Merz im Sauerland den Ausbau der A46/B7n mit Anbindung an die A 44 beschleunigen und „möglichst schnell Baureife“ herstellen. „Das muss in der Berliner Prioritätenliste nach oben“, fordert er. Beim Thema Windenergie betont er erneut, dass es keinen Wildwuchs geben dürfe. Die Union werde Mitte Februar im Bundestag erneut versuchen, die durch ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts Münster entstandene Regelungslücke zu schließen. „Ich bin kein Gegner der Windkraft“, sagt Merz. „Aber der Ausbau muss strukturiert vonstatten gehen.“
Im Sauerland habe er gelernt, wie wichtig eine Senkung der Mehrwertsteuer auf sieben Prozent für die Gastronomie sei, sagt Merz. Das wolle er in der kommenden Regierung umsetzen. Und einen Staatsminister für Sport und Ehrenamt will er installieren, auch das sei eine Erkenntnis aus seiner Heimat, wo zwei von drei Bürgern Mitglied in einem (Sport-)Verein sind. Bisher liegt die Zuständigkeit im Innenministerium, Merz will sie in seine Nähe holen.
Gedanklich sitzt er wohl schon im Bundeskanzleramt, Willy-Brandt-Straße 1, Berlin. Eine Wende wie vor vier Jahren, als Armin Laschet auf der Zielgeraden noch so eben von Olaf Scholz überholt wurde, erwartet Merz nicht. „Wir liegen jetzt in den Umfragen doppelt so hoch wie die SPD“, sagt er. Mit der Frage, was er denn machen wolle, sollte er doch nicht Bundeskanzler werden, will er sich deshalb gar nicht erst beschäftigen.