Brilon/Schwelm. Selbst im Sauerland gibt es nicht mehr genug Sternsinger. Welche Alternativen es gibt - und warum die Spendensumme weiter wächst.

In den katholisch geprägten Gebieten in Südwestfalen sind sie an diesem Wochenende und am Dreikönigs-Tag, 6. Januar, unterwegs: die Sternsinger, die den Segen zu den Häusern bringen - und gleichzeitig Spenden sammeln. Doch in den vergangenen Jahren gab es immer weniger von ihnen. Wie ist die Situation im Sauerland und darüber hinaus? Hat die Aktion noch Zukunft? Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Wird der Sternsinger-Mangel immer gravierender?

Das ist von Gebiet zu Gebiet unterschiedlich. Unterm Strich ist die Zahl aber zuletzt eher konstant geblieben, wie Jan Hilkenbach, Vorsitzender des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend Diözesanverbands Paderborn, weiß. Wie in den Jahren zuvor - die Pandemiezeit ausgenommen - seien auch in diesem Jahr etwa 20.000 Sternsinger im Erzbistum Paderborn unterwegs. „Bundesweit sind es 300.000. Das ist in den letzten Jahren stabil geblieben.“ In der Briloner Kernstadt, wo Jan Hilkenbach am Samstag mit den Sternsingern unterwegs sein wird, gebe es keinen Mangel.  Dort haben sich laut Hilkenbach dieses Jahr 120 Sternsinger angemeldet. Kerstin Hartje, die in Schwelm seit zehn Jahren die Sternsinger-Aktion begleitet, zeichnet dagegen ein anderes Bild: Der Mangel sei in ihrer Stadt unübersehbar. „Vor der Pandemie waren in Schwelm immer 50 Kinder unterwegs, 2024 waren es nur 30.“ Dieses Jahr gebe es immerhin wieder 40 Anmeldungen. Dass es generell einen Rückgang gibt, weiß auch Jan Hilkenbach: Die geburtenstarken Jahrgänge wie die Boomer-Generation seien Vergangenheit, hinzu komme die steigende Zahl von Kirchenaustritten. Die Missbrauchs-Debatten in der katholischen Kirche ist für Jan Hilkenbach kein entscheidender Faktor. Mit dem Fall von Winfried Pilz, den ehemaligen Präsidenten des Kindermissionswerks „Die Sternsinger“, der unter Missbrauchsverdacht steht, gehe der BDKJ offensiv um.

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Kommen die Sternsinger noch automatisch in jedes Haus?

Nein, vielerorts ist das nicht mehr der Fall. Selbst die stolzen 120 Sternsinger in Brilon seien immer noch zu wenig, um jedes Haus zu erreichen, sagt Jan Hilkenbach. Doch es gibt Alternativen. „Die Corona-Krise, das war ein großer Einschnitt“, sagt der 33-Jährige. Von Tür zu gehen, sei zu Pandemiezeiten nicht möglich gewesen. Das habe in den Pfarrgemeinden viel Kreativität freigesetzt, gerade weil sich in schwierigen Zeiten viele Menschen einen Segensspruch gewünscht hätten. „Wir haben während der Corona-Pandemie Segensbriefe auf Marktplätzen verteilt - und wir haben unseren digitalen Auftritt verbessert.“ Segenssprüche seien mittlerweile digital abrufbar. So könnten auch Spenden generiert werden, fügt der gebürtige Briloner, der selbst in jungen Jahren als Sternsinger unterwegs war, hinzu. Wichtig sei, im Team über Alternativen zu reden, wenn es nicht mehr möglich sei, von Haustür zu Haustür zu gehen. Auch in Schwelm hat man sich der Situation angepasst, sagt Kerstin Hartje: „Wir gehen nur zu den Menschen, die es uns mitgeteilt haben, dass sie einen Besuch wünschen.“

Kerstin Hartje

„Wenn die Kinder ihre Dosen mit dem Geld abgeben, dann strahlen ihre Gesichter. Sie sind unheimlich stolz darauf.“

Kerstin Hartje
aus Schwelm

Welche Strategien gibt es gegen den Sternsinger-Mangel?

Auch die 120 Sternsinger in Brilon seien kein Selbstläufer, sagt Jan Hilkenbach „Wir haben viel Werbung gemacht, in Schulen, bei Vereinen und Verbänden.“ Es sei zudem wichtig, dass sich die Aktion früh auch für Kinder anderer Religionen geöffnet habe. Und Kerstin Hartje aus Schwelm sagt, dass es eine weitere Strategie sein könne, das Sternsingen auf einen längeren Zeitraum auszudehnen, „damit die Kinder nicht überfordert werden“. Auch Kooperation von Nachbarpfarreien könnten hilfreich sein. Dass die Tradition der Sternsinger fortbestehen wird, ist für Kerstin Hartje klar: „Es ist halt eine großartige Aktion. Kinder sammeln Spenden für Kinder.“ Und die Kinder seien unfassbar stolz, anderen Kindern, denen es nicht so gut gehe, helfen zu können. „Wenn sie ihre Dosen mit dem Geld abgeben, dann strahlen ihre Gesichter“, berichtet die 47-Jährige. Viele alteingesessene Schwelmer seien selbst Sternsinger gewesen. „Und sie wissen, wie gut sich das anfühlt, anderen zu helfen.“ Die Aktion lebe.

Wie viel Geld als Spende ist angemessen?

Auf den Webseiten der Sternsinger wird als Mindestbetrag fünf Euro empfohlen. Nach oben ist der Großzügigkeit keine Grenze gesetzt. Die Sternsinger nehmen an der Tür nicht nur Scheine, sondern auch Münzen entgegen. Die Spenden, so der Sauerländer Hilkenbach, hätten trotz der sinkenden Zahl an Sternsingern zugenommen: „Sie sind kontinuierlich gewachsen. Das ist der Wahnsinn. 2024 waren es im Erzbistum Paderborn 2,89 Millionen Euro, bundesweit 46 Millionen Euro.“ Seit der Einführung der Sternsingeraktion sind laut Angaben des BDJK 1,3 Milliarden Euro zusammengekommen. Geld, das für benachteiligte Kinder in aller Welt bestimmt ist.

Jan Hilkenbach

„Kinder, die sich schminken, würden von den Pfarrgemeinden aber auch nicht weggeschickt.“

Jan Hilkenbach
Vorsitzender BDJK

Sind Süßigkeiten als zusätzliche Spende erlaubt?

Ja. Es ist üblich, dass den Sternsingern zusätzlich zur Spende auch Süßigkeiten geschenkt werden. In vielen Pfarreien wird ein Teil der Süßigkeiten an soziale Einrichtungen zu geben.

Gibt es weiter die Diskussion um das Schminken?

Lange Zeit war es üblich, dass sich eines der Kinder im Gesicht schwarz schminkt, um einen König aus einem afrikanischen Land darzustellen. Viele kritisieren das Schwarzschminken als rassistisch, andere sehen es als einen harmlosen Brauch. Der BDKJ und das Kindermissionswerk wollen zum Nachdenken anregen und empfehlen, auf die Schminke zu verzichten. Kinder, die sich schminken, würden von den Pfarrgemeinden aber natürlich auch nicht weggeschickt. „Grundsätzlich sagen wir allen, kommt so wie ihr seid“, erklärt Jan Hilkenbach. In der politischen Debatte sei das Thema zu oft von Parteien instrumentalisiert worden, sagt der Sauerländer. Das werde der guten Sache nicht gerecht. „Es geht darum, dass Kinder Kinder helfen.“ Es gebe so viele großartige Geschichten aus all den Jahren der Sternsinger zu erzählen, so Hilkenbach. Der Austausch sei eine Stärke der Aktion.

Motto: Sternsingen für Kinderrechte

In diesem Jahr lautet das Motto der Sternsinger-Aktion „Erhebt eure Stimme! Sternsingen für Kinderrechte.“ Das Besondere sei dieses Mal, so Hilkenbach, dass es kein Beispielland gebe. Natürlich werde mit den Kindern über das Thema „Kinderrechte“ gesprochen. „Und es wird einen Dialog mit Politikern geben. Entsprechende Forderungen für das Anliegen werden den Bürgermeistern und den Verantwortlichen in Düsseldorf übergeben.“ Die Sternsinger sollen mit ihrem Engagement konkret dafür sorgen, dass Kinderrechte eingehalten werden. Es gehe darum, sagt Hilkenbach, dass Kinder zur Schule gehen können, ein Recht haben auf Freizeit und Spielen, dass sie etwas zu essen haben und Gesundheitsversorgung. „Hier in Deutschland und vor allem in unseren rund 1000 Hilfsprojekten auf der ganzen Welt“, wie der BDJK auf seiner Homepage berichtet.

Was bedeuten noch gleich die drei Buchstaben C+M+B?

Immer wieder ist zu hören, diese drei Buchstaben, ständen für die Namen der Heiligen Drei Könige CasparMelchior und Balthasar. Doch das stimmt nicht: Die Inschrift „C+M+B“ an den Haustüren, die es heute meist als Aufkleber gibt, steht für „Christus mansionem benedicat“ (Christus segne dieses Haus).