Hagen. Die Buchbranche neigt zur Selbstüberhöhung. Warum das Jammern der Verlage und Buchhändler angesichts multipler Krisen nicht hilft.

Die Buchbranche sollte das Denklabor sein, das angesichts multipler Krisen die Modelle für gesellschaftliche Resilienz liefert. Stattdessen gibt es Hilferufe allenthalben; kleine Verlage können Investitionskosten nicht mehr stemmen, inhabergeführte Buchhandlungen schließen, die Deutschen lesen immer weniger.

Das ist tatsächlich ein politisches Problem, da das Lesen als eine Kulturtechnik gilt, die Kritikfähigkeit und Entscheidungskompetenz fördert. Der steigende Konsum von Bewegtbildern hat nicht die gleichen Effekte auf die Hirnstrukturen, im Gegenteil, das immer schnellere Design der Videos überfordert die Augen und produziert mentale Erschöpfungszustände – zumal das Durchklicken von Kurzvideos sich meistens als sinnlose Zeitvernichtung erweist, die unzufrieden und anfällig für Manipulation macht.

Und jetzt?

Vielleicht ist es an der Zeit, dass die Buchleute sich von ihrer Selbstüberschätzung befreien. Autorin Cornelia Funke zum Beispiel verhandelt in „Tintenwelt 4“ aus der Not der Zeit heraus die Frage, ob Bilder mächtiger sind als Worte. Der Roman wurde – natürlich – zum Bestseller. Die wahren literarischen Innovationen, die spannenden Diskussionen über den Zustand der Welt und die Selbstermächtigung von scheinbar machtlosen Protagonisten spielen sich nicht mehr in den literarischen Selbstbespiegelungen älterer Herren ab. Sondern im Jugendbuch und in sogenannten Coming-of-Age-Romanen. Hier werden die Utopien durchgespielt, die wir für die Welt von morgen brauchen. Und trotz aller Grabgesänge auf das Buch finden diese Titel weltweit ein Millionenpublikum.