Hagen. Ein Iraner soll im Sauerland von sechs Männern vergewaltigt worden sein. Jetzt spricht der 30-Jährige. Die Ermittler sind vorsichtig.

Für Aufsehen sorgt der Fall aus dem Sauerland schon wegen seiner brutalen Umstände: Insgesamt sechs Männer sollen einen Iraner (30) auf einem verlassenen Brauereigelände in Iserlohn brutal vergewaltigt und gedemütigt haben - und offenbar wurde das Ganze auch von ihnen gefilmt. Noch brisanter wird diese Tat aber durch eine möglicherweise politische Komponente: Der 30-Jährige hat selbst bei den Ermittlern ausgesagt, dass er ein Gegner der politischen Führung im Iran sei. Und gegenüber der WESTFALENPOST bekräftigt er zwei Tage nach der Tat, dass er einen politischen Hintergrund in der Gewaltattacke sieht. Waren die Tatverdächtigen also dem Mullah-Regime in Teheran verbundene Männer, die es gezielt auf einen Oppositionellen abgesehen haben?

Aufmerksame Zeuginnen geben Polizei Hinweise

Michael Burggräf, Sprecher der zuständigen Staatsanwaltschaft in Hagen, muss sich am Montag immer wieder mit dieser Frage beschäftigen. Eine Antwort kann er aber noch nicht geben. Er will sich an die gesicherten Ermittlungsergebnisse halten, will nicht spekulieren, aber schon erklären, warum die Staatsschutzabteilung in dem Fall ermittelt, mithin ein politisches Motiv nicht ausgeschlossen werden kann. Die Fakten sind: Am späten Samstagabend gegen 23.30 Uhr informieren zwei aufmerksame Zeuginnen die Polizei, weil sie auf der Brauereibrache Verdächtiges wahrnehmen und auch Hilfeschrei gehört haben wollen.

Die Polizei rückt schnell an, setzt auch einen Hubschrauber ein. Vor Ort wird der verletzte 30-Jährige gefunden, in einem Waldstück können vier Tatverdächtige im Alter von 24, 34, 42 und 46 Jahren verhaftet werden, die ein Richter am Montag auch in Untersuchungshaft schickt. Wegen des Verdachts der gemeinschaftlichen Vergewaltigung, gefährlichen Körperverletzung und Freiheitsberaubung. Zwei weitere Männer gelten als flüchtig, weil das Opfer selbst von sechs Angreifern gesprochen hatte.

Oberstaatsanwalt Michael Burggräf.

„Das Opfer selbst hat aber angegeben, ein Gegner der politischen Führung im Iran zu sein.“

Michael Burggräf

Klar ist am Montag nur eines: Alle Beteiligten haben wohl iranische Wurzeln. Die vier Tatverdächtige haben nur angegeben, dass sie zuletzt in Dänemark und den Niederlanden gewohnt haben. Zu ihrer politischen Einstellung, zu einem möglichen Motiv sagen sie nichts. „Das Opfer selbst hat aber angegeben, ein Gegner der politischen Führung im Iran zu sein“, so Oberstaatsanwalt Michael Burggräf. Die Ermittler gehen zudem davon aus, dass es die Tatverdächtigen „gezielt auf eine Erniedrigung in sexueller Weise“ abgesehen hätten. Diese Verbindung führe dazu, dass man einen politischen Hintergrund prüfe. Wie wahrscheinlich dieser ist, darüber will der Jurist nicht spekulieren. Und auch in dem Haftantrag der Staatsanwaltschaft ist nach Informationen der WESTFALENPOST nichts darüber zu lesen.

Vergewaltigung wurde wohl gefilmt

Der 30-jährige Iraner, der zum Opfer der mutmaßlichen Gruppenvergewaltigung geworden ist, sieht indes sehrwohl einen politischen Hintergrund. Das macht er gegenüber unserer Redaktion deutlich: Er habe regimekritische Aussagen unter anderem auf Instagram gepostet. „Die wollten nur an mein Smartphone“, so seine Vermutung. Gekannt habe er die Männer nicht. Er selbst habe erst drei Tage auf der seit Jahren leerstehenden Brache der frühere Iserlohner Brauerei gewohnt, um etwas zu bewachen. Er und die Tatverdächtigen gehörten nicht - wie zwischenzeitlich Gerüchte lauteten - zu einem gemeinsamen Abrisstrupp auf der Brache, so der 30-Jährige, der inzwischen wieder das Krankenhaus verlassen konnte.

Zeugen hörten Schreie: In einer ehemaligen Brauerei in Iserlohn sollen mehrere Männer einen 30-Jährigen misshandelt haben.
Zeugen hörten Schreie: In einer ehemaligen Brauerei in Iserlohn sollen mehrere Männer einen 30-Jährigen misshandelt haben. © dpa | Alex Talash

Ob das alles tatsächlich so ist, werden wohl erst die Ermittlungen zeigen. Oberstaatsanwalt Burggräf sagt, man prüfe weiter, ob es schon vor der Tat eine Verbindung zwischen den Tatverdächtigen und dem Opfer gegeben habe. Man habe auch Mobiltelefone beschlagnahmt, die nun ausgewertet würden. Nach Informationen dieser Redaktion sollen die Tatverdächtigen die Vergewaltigung gefilmt haben - was dafür sprechen könnte, dass sie ihn mit einer Veröffentlichung womöglich tatsächlich demütigend bloßstellen wollten. Das Video, zu dem es bislang noch keine Bestätigung gibt, könnte noch weitere Aufschlüsse zum Motiv bringen. Einen offensichtlichen Bezug zum iranischen Herrschaftsapparat sollen die Tatverdächtigen aber wohl nicht haben.

Verfassungsschützer haben Iran im Visier

Dass das iranische Mullah-Regime auch im Ausland gegen Oppositionelle vorgeht - davon sind Verfassungsschützer schon länger überzeugt. Der Verfassungsschutzbericht NRW widmet dem Iran in seinem aktuellen Bericht gleich mehrere Kapitel mit verschiedenen Facetten. Unter anderem werden diverse Fälle aufgelistet, in denen die Machthaber direkt gegen in Europa lebende Regimekritiker vorgegangen sein sollen. Allerdings waren diese hochrangig, zudem werden direkte Anordnungen aus dem iranischen Staatsapparat angenommen. Dafür gibt es im Fall Iserlohn bislang keine Anzeichen. Das Nachrichtenmagazin Spiegel hatte aber zuletzt über Recherchen berichtet, dass das iranische Regime gezielt verurteilte Straftäter für Aktionen einsetze, um direkte Spuren in den Iran zu verschleiern. Allerdings sollen hierbei Attentats(-versuche) auf jüdische Einrichtungen im Fokus gestanden haben.

Die Polizei sichert in der Nacht zu Sonntag das Brauereigelände in Iserlohn. Hier soll es zu der Gruppenvergewaltigung gekommen sein.
Die Polizei sichert in der Nacht zu Sonntag das Brauereigelände in Iserlohn. Hier soll es zu der Gruppenvergewaltigung gekommen sein. © dpa | Alex Talash

Laut der Organisation Human Rights Watch werden sexuelle Gewalt und Demütigungen innerhalb des Irans gezielt gegen Oppositionelle eingesetzt: „Sicherheitskräfte haben im Zuge der Repression im Zusammenhang mit den Massenprotesten in den Jahren 2022 und 2023 Gefangene vergewaltigt, gefoltert und sexuelle Übergriffe auf sie verübt“, so die Organisation im April. Gegen Frauen wie auch gegen Männer.