Winterberg. Innenministerin Nancy Faeser will der SPD beim Jahresempfang im Sauerland Mut machen - und verrät einen Plan in der Flüchtlingspolitik.
Bundesinnenministerin Nancy Faser (SPD) prüft den Ausbau der Grenzkontrollen auch zu den Niederlanden. „Ich werde die Grenzkontrollen ausweiten“, sagte Faeser beim Jahresempfang der Sauerländer SPD in Winterberg.
„Wir sind diejenigen, die für die Sicherheit unserer Bürgerinnen und Bürger der Bundesrepublik Deutschland sorgen müssen“, sagte die SPD-Politikerin. Deshalb müssten nun „härtere Maßnahmen“ getroffen werden, „damit auch den anderen Staaten in der EU bewusst wird: Ihr müsst auch eure Verantwortung für andere Menschen und das Leid in der Welt übernehmen.“
Andere EU-Länder „sollen ihre Hausaufgaben machen“
Sie hoffe nicht, dass der Tourismus aus den Niederlanden dadurch beeinträchtigt werde, aber die Nachbarstaaten könnten ihre Asylbewerber nicht einfach nach Deutschland schicken, sondern müssten ihre Hausaufgaben machen. „Für uns steht Sicherheit an allererster Stelle, gerade in diesen Tagen der Schutz vor islamistischem Terror“, betonte Faeser gegenüber der WESTFALENPOST.
Im Zuge der Fußball-EM in Deutschland und der Olympischen Spiele in Frankreich hatte Faeser vorübergehend Kontrollen an allen deutschen Grenzen angeordnet. Nun will sie die Geltungsdauer offenbar ausdehnen.
In Winterberg geht es auch um Ehrungen. Günter Bender (83) hat viel SPD erlebt. Willy Brandt, Helmut Schmidt, Gerhard Schröder – und jetzt Olaf Scholz. Der Marsberger ist seit 60 Jahren Mitglied in der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands. Nun wird er beim Jahresempfang der Sauerländer SPD in der Lounge der Winterberger Eisarena für seine Treue ausgezeichnet. Bundesinnenministerin Nancy Faeser ist gekommen, um ihm eine Urkunde zu überreichen und den rund 80 anwesenden Genossinnen und Genossen Mut zuzusprechen.
Mut und Zuversicht, das kann die Partei gut gebrauchen. „Die SPD wird schlechtgemacht“, sagt Bender im Gespräch mit der WESTFALENPOST. „Ihre Leistungen werden nicht anerkannt.“ Schuld sei auch die Ampel-Koalition. „Wenn drei Parteien regieren, dann kann nichts Vernünftiges dabei herauskommen.“
Faeser repräsentiert das Berliner Dreier-Bündnis. Ihre Partei rangiert in Umfragen bundesweit bei 15 Prozent, nach den Wahlen in Thüringen und Sachsen atmete so mancher Genosse auf, weil es die SPD dort überhaupt noch in die Landtage geschafft hatte. „Die Wahlen im Osten sind schwer zu ertragen“, sagt Bender.
Krise? Welche Krise
Aber die vermeintliche Krise der SPD taucht in der Rede der Ministerin nicht auf. Ja, die Ampel-Koalition müsse sich weniger streiten, „aber daran arbeiten wir“, sagt sie. „Im Wesentlichen“ sei man zusammengeblieben, etwa in der Corona-Zeit und bei der Sicherung der Energieversorgung nach Beginn des Ukraine-Kriegs.
Faeser lobt Ehrenamtler und Kommunalpolitiker, also die Anwesenden. „Die kriegen viel ab, das eigentlich der Bundes- und Landespolitik gilt“, sagt sie. Und sie spricht über Solingen, „ausgerechnet wieder Solingen“, wo ein Islamist drei Menschen ermordete. Die Koalition werde das Waffenrecht verschärfen und die Grenzkontrollen ausbauen, den gewaltbereiten Islamismus bekämpfen, mit harten Maßnahmen reagieren, verspricht die Politikerin (siehe unten). „Wir müssen für die Sicherheit der Bürger sorgen.“ Mit dem Sicherheitspaket habe die Ampel bewiesen, dass sie handlungsfähig sei.
Das Publikum applaudiert freundlich, aber nicht überschwänglich. Hier sitzen Vertreter der Partei-Basis. Ortsvorsteher, Ratsmitglieder, der Kontakt zu den Menschen vor Ort. „Die Leute vertrauen uns in der Kommunalpolitik“, sagt Ralf Walfort, Vorsitzender des Marsberger SPD-Stadtverbandes, dieser Zeitung. Was im Umkehrschluss bedeuten könnte: Berlin vertrauen sie nicht. Neulich ist Walfort noch übel beschimpft worden, als er gerade den Schaukasten seiner Partei im Ort geputzt hat, jetzt sagt er: „Wir hören nicht auf zu kämpfen.“ Und Olaf Scholz solle mal auf den Tisch hauen.
Parteibasis gibt sich zuversichtlich
Es gibt Orte im Sauerland, in denen die SPD bei Bundestagswahlen ungefähr so viele Stimmenanteile erreicht wie jüngst bei den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen. Sauerland ist Merz-Land. Faeser nennt seinen Namen in ihrer Rede nicht, spricht nur von einem Abgeordneten, „der hier herkommt“, und es fällt im gleichen Atemzug das Wort „populistisch“.
Dass der CDU-Vorsitzende im Sauerland wohne, motiviere ihn bei seinem Einsatz in der SPD um so mehr, sagt Paul Schäfer aus Schmallenberg. Veronika Denhof aus Medebach glaubt, dass die Frauen von Merz nicht begeistert seien und kritisiert den Oppositionsführer, weil er die Menschen länger arbeiten lassen wolle.
„Optimistisch“ sei er, sagt Thomas Just, wenn er an die Zukunft der SPD denke. Er ist Fraktionsvorsitzender im Medebacher Rat und habe sich selbst während der Karnevalszeit mal scherzhaft den „Orden der Tapferkeit im schwarzen Land“ verliehen. Die Ampel müsse besser und gefestigter auftreten, fordert er.
Und alle hier loben Dirk Wiese, den direkten SPD-Kontrahenten von Friedrich Merz im Bundestag. Wiese sei immer ansprechbar, wahre den Kontakt zur Basis und agiere lösungsorientiert. Am Abend zuvor ist der Briloner mit 100 Prozent Zustimmung für die kommende Bundestagswahl nominiert worden. „Und das völlig zurecht“, sagt Innenministerin Nancy Faeser.
Die WESTFALENPOST hatte in Winterberg die Gelegenheit, mit der Bundesinnenministerin über aktuelle Themen zu sprechen. Das sagte Nancy Faeser.
Zur Lage der SPD:
„Ich bin der tiefen Überzeugung, dass wir sehr gute Dinge auf den Weg gebracht haben in dieser Koalition, in der die SPD die führende Kraft ist. (...) Wir sind die Partei der arbeitenden Leute, des Mittelstandes, wir haben den Mindestlohn angehoben, wir sorgen für bessere Arbeitsbedingungen, wir sorgen dafür, dass die Menschen am Ende ihres Arbeitslebens eine ordentliche Rente haben. Das müssen wir sichtbarer machen.“
Zur Androhung von Friedrich Merz, den Asyl-Dialog zu beenden, wenn sich die Ampel nicht bis Dienstag zur Zurückweisung von Flüchtlingen an den Grenzen bereiterklärt:
„Ich bin da sehr gelassen und sage Herrn Merz, dass ich gute, vertrauliche und zielführende Gespräche mit dem Ersten Parlamentarischen Geschäftsführer der CDU/CSU-Fraktion, Thorsten Frei, und mit der Stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden der CDU/CSU, Andrea Lindholz, geführt habe. Wir müssen die irreguläre Migration weiter begrenzen und die Migration insgesamt stärker steuern. Wir sind jetzt bei einem Fünftel weniger Asylanträgen und einem Fünftel mehr Abschiebungen und Rückführungen – das ist gut, wir wollen die Maßnahmen aber noch weiter verstärken. Wenn wir hierfür gemeinsame Wege der großen demokratischen Kräfte in unserem Land finden, dann ist das auch wichtig für das Vertrauen in unseren Staat und unsere Demokratie. Ich bin für alle Fragen offen, aber wir haben vereinbart, über die genauen Inhalte unserer Gespräche nicht öffentlich zu reden, und daran halte ich mich. (...) Ich hoffe bei Herrn Merz auf ein ernsthaftes inhaltliches Interesse an einer Lösung und nicht auf rein wahltaktische Manöver.“
Zum Thema Zurückweisung:
„Wir prüfen aktuell sehr intensiv verschiedene Optionen. Hier gilt es schwierige rechtliche Fragen zu klären. Es gibt keine Tabus. Aber ich bin Bundesinnenministerin, ich muss rechtsstaatlich handeln.
Wir haben bereits viele Maßnahmen eingeleitet, die auch schon zum Erfolg geführt haben, zum Beispiel Grenzkontrollen. Die Zahlen sinken. Wir prüfen laufend, ob wir die Grenzkontrollen noch stärker ausdehnen. Im Moment nehmen wir vor allem Grenzkontrollen zu Tschechien, Polen, Österreich und der Schweiz vor. Die Bundespolizei kontrolliert unsere Grenzen mit starken Kräften – immer so wie die aktuelle Lage es erfordert. Für uns steht Sicherheit an allererster Stelle, gerade in diesen Tagen der Schutz vor islamistischem Terror.“
Zu weiteren Abschiebeflügen:
„Mir geht es weiter darum, vor allem gefährliche Straftäter schnellstmöglich aus Deutschland abzuschieben. Wer hier Gewalttaten verübt und zumindest einen Teil seiner Strafe verbüßt hat, der hat hier nichts mehr zu suchen. Die gesetzlichen Grundlagen für schnellere Abschiebungen haben wir geschaffen, das setzen wir weiter mit den Ländern durch.“