Hagen/Menden. Wegen der Nässe faulen Frühkartoffeln in vielen Lagern von Bauern in NRW. Wie ein Landwirt aus dem Sauerland seine Ernte retten will.

„Sauwetter“, fällt Landwirt Heinz Scheffer aus Menden beim Blick auf seine von Fäulnis betroffenen Frühkartoffeln ein. Nachdem in den vergangenen Jahren vor allem Dürre für Probleme bei der Ernte gesorgt hat, macht den Bauern in einigen Regionen in NRW in diesem Jahr der enorme Niederschlag zu schaffen. Der Deutsche Wetterdienst verzeichnete in Deutschland den nassesten Zeitraum seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. Laut der Landwirtschaftskammer führte der viele Regen zu erheblichen Problemen mit Krautfäule. In einigen Gebieten kam es durch die Pilzkrankheit sogar zu Totalausfällen bei der Kartoffelernte.

Heinz-Josef Scheffer vor seinem Hofladen in Menden

„Teurer werden die Kartoffeln auf alle Fälle. Auch weil die Preise für Energie und die Fungizide gestiegen sind.“

Heinz Scheffer

Laufbänder im Dauereinsatz

Davon kann bei Landwirt Scheffer nicht die Rede sein. Aber vor allem der verregnete Sommer habe seinen Knollen arg zugesetzt, erzählt der 67-Jährige. Die Laufbänder auf seinem Hof sind im Dauereinsatz. Die Kartoffeln werden vom linken ins rechte Lager transportiert und die von Fäulnis betroffenen Kartoffeln auf den Bändern per Hand aussortiert. Der zweite und dritte Satz an Frühkartoffeln sei „nicht mehr zu retten“. Er sei mittendrin in der Kartoffelernte, so viel Regen wie in diesem Jahr hätte er seit 1976 nicht erlebt. Es zeichne sich eine „sehr schlechte Kartoffelernte“ ab. Die Verbraucher, sagt er, würden die Einbußen vor allem im Geldbeutel merken.

Auf 120 Hektar hat der Landwirt aus Menden Kartoffeln angebaut, auf weiteren 120 Hektar Getreide. „20 Prozent der Bestände sehen schlecht aus“, berichtet der Sauerländer. Die Pflanzkartoffeln seien dieses Jahr nicht das Beste, was die Konsumenten für Geld bekommen würden.

Preise im Juni um 13 Prozent gestiegen

Nach der Spargel- und Erdbeerernte verhagelt der viele Regen nun den Landwirten auch die Kartoffelernte. Die läuft seit Mitte Mai, und sie dauert voraussichtlich noch bis Mitte September. In NRW rechnen die Landwirte mit 20 bis 30 Prozent Ernteverlusten. Das wiederum lässt auch die Knolle teurer werden. Laut Landesstatistikamt IT.NRW in Düsseldorf sind die Verbraucherpreise von Kartoffeln im Juni im Vergleich zum Mai um 13 Prozent gestiegen. Bereits in den Vormonaten sind Kartoffeln immer wieder teurer geworden. Das bestätigt auch die Landwirtschaftskammer NRW: Die Prognosen für Getreideerträge sowie Kartoffeln seien verhalten. „Die bereits geernteten Flächen bestätigen einen unterdurchschnittlichen Ertrag“, sagt der Pressesprecher. Marktbeobachtern zufolge könnten die Kartoffelpreise in den weiteren Sommermonaten aufgrund des knapperen Angebots weiter steigen.

Auf den weit verstreuten Ackerflächen von Heinz Scheffer wird jeden zweiten Tag geerntet. „Bis Herbst“, sagt der 67-Jährige. Durch die Klimaerwärmung dürfte es in Zukunft immer öfter solche Wetterextreme geben. „Mit wochenlangem Dauerregen und immer wieder heftigen Starkregen.“ Wie können sich Landwirte darauf vorbereiten? Heinz Scheffer setzt auf seine eigenen Wetterstationen. Insgesamt acht hat er auf seinen Ackerflächen aufgestellt. „Fünf Tage im Voraus das Wetter vorherzusagen, wird schwieriger“, so der Sauerländer.  „Wir haben immer öfter kleinteiliges Wetter mit Starkregen.“ Auf 300 Metern seien zwei unterschiedliche Wetterlagen möglich. „Während man auf der einen Seite im Sonnenstuhl die Wärme genießen kann, braucht man auf der anderen Seite Schwimmflossen.“ Das habe es früher so nicht gegeben.

Fünf Wetter-Apps

Die feuchten Jahre nehmen laut Heinz Scheffer kontinuierlich zu. Nur 2019 sei eine Ausnahme gewesen. „Das war das erste trockene Jahr, an das ich mich noch so recht erinnern kann.“ Der Mendener vertraut den Daten seiner eigenen Wetterstationen jedenfalls mehr, als den fünf Wetter-Apps, die er auch auf seinem Smartphone heruntergeladen hat. Mit den eigens errechneten Wettermodellen könne er schneller auf kleinteiliges (Un-)wetter reagieren. Der viele Regen sei zwar gut für den Wald, aber schlecht für die Kartoffel- und die Getreideernte.

Heinz Scheffer übt seinen Beruf als Landwirt seit 1976 aus. Im Mendener Stadtviertel Bösperde, erzählt er, hätten die Landwirte eigentlich „keinen schlechten“ Boden. „Der speichert gut Wasser.“ Aber zu viel Nässe werde schnell zum Problem. Eine gute Drainage sei deshalb besonders wichtig. Damit seien sie im Märkischen Sauerland gut versorgt. „Immerhin gibt es in Bösperde die älteste Drainagegenossenschaft von NRW“, berichtet er. Den besten Boden, so der 67-Jährige, gebe es allerdings im Ruhrgebiet. „Ich hatte vor Jahren 30 Hektar nahe des Dortmunder Flughafens. Traumhaft. Lehmboden mit gutem Kalkgehalt. Zuerst haben mich meine Freunde ausgelacht, der langen Wegstrecke von Menden wegen, eine Stunde hin, eine Stunde zurück.“ Aber es habe sich gelohnt, schwärmt er. Die Regenmengen, die zurzeit fielen, hätten aber auch der Boden in Dortmund überfordert.

20 Prozent Ernteverlust

Heinz Scheffer rechnet mit mehr als 20 Prozent Verlust bei der Kartoffel- und Getreideernte. So lautet auch die Prognose der Landwirtschaftskammer NRW. Die bereits geernteten Flächen bestätigten einen unterdurchschnittlichen Ertrag.

Auch der Westfälisch-Lippische Landwirtschaftsverband spricht von Ernteeinbußen. In seiner Zwischenbilanz zur Ernte betont WLV-Präsident Hubertus Beringmeier besonders die Zunahme von Wetterextremen und ihre Auswirkungen auf die Erntearbeiten. „Bisher zu wenig Sonne und zu viel Regen im Ackerbau“: So beschreibt Hubertus Beringmeier die aktuelle Erntesituation in einer Pressemitteilung. Durch anhaltende Niederschläge ab dem Jahresbeginn sei das Sommergetreide bis zu vier Wochen später als üblich ausgesät worden. „Grund dafür waren erhebliche Wassermengen auf den Flächen, die ein Befahren zeitweise unmöglich machten“, führt Beringmeier fort. In der Folge seien die Betriebe später als üblich mit der Getreideernte gestartet.

Dürrejahre und grüne Winter

„Insgesamt beobachten wir, dass die Extreme deutlich zunehmen. Nach mehreren Dürrejahren ist dieses Jahr von zahlreichen Regenperioden geprägt, durch die die Aussaat und Ernte immer wieder unterbrochen werden“, sagte Beringmeier. Durch zu viel Nässe im Boden sei der Pilz- und Schädlingsdruck in diesem Jahr höher, „sodass weitere Pflanzenschutzmaßnahmen ergriffen werden mussten“.

 „Seit den 2000er Jahren haben wir grüne Winter“ klagt Scheffer. Der Klimawandel, so der Landwirt, könne nicht geleugnet werden. „Ich kann mich noch an die Geschichten meines Opas erinnern. 1928/29, so hat er es mir berichtet, war der Winter bitterkalt mit Temperaturen bis minus 23 Grad. Die mussten die Kartoffeln mit der Spitzhacke aus dem Boden holen“, erzählt der 67-Jährige.

„Teurer“, so Heinz Scheffer, „werden die Kartoffeln auf alle Fälle. Auch weil die Preise für Energie und die Fungizide gestiegen sind.“ Der Landwirt aus Menden hofft nun auf eine Trockenperiode. Auf seine Kartoffeln, so der Landwirt, müssten die Verbraucher auch in diesem Jahr nicht verzichten.