Hagen. Vegane und vegetarische Gerichte und Traditionsgasthöfe im Sauerland schließen sich nicht aus. Wo es noch Probleme gibt und was sich ändern soll.
Alexandra Weißenfels-Seemer hält ein Mangold-Blatt in der Hand und begutachtet es. Es stammt aus dem Garten des Landgasthof Seemer in Eslohe und wird später in der Küche tagesaktuell verarbeitet. Denn Alexandra Weißenfels-Seemer ist nicht nur die Küchenchefin des Gasthofs, sondern führt diesen seit 2014 in Familientradition auch zusammen mit ihrer Schwester Julia Seemer. Fachwerkhaus, drinnen weiße Tischtücher und gestärkte Servietten auf den Tischen – ein Betrieb wie Hunderte andere auch im Sauerland. Aber Unterschiede gibt es trotzdem.
Wer an traditionelle Speisekarten in gutbürgerlichen Sauerländer Gasthöfen denkt, der weiß: Es gibt Fleisch. Rinderrouladen und Ragout, Steak und Schnitzel, Braten und Gulasch dominieren die Speisekarte. Aber was machen Vegetarier und Veganer? Wie ist das Angebot für sie im Land der Jäger und dicken Sauerländer Bockwürste? Wir haben uns umgesehen.
Fleisch mit hoher Qualität
Beim Landgasthof Seemer zeigt ein Blick auf das Menü: Neben den Traditionsgerichten ist die Speisekarte aber auch gespickt mit vegetarischen und veganen Gerichten. Linsen und Risotto stehen ebenso dort, wie auch Lachs oder Gulasch. „Es schließt sich nicht aus, Fleisch zu essen und sich auch vegetarisch oder vegan zu ernähren“, erklärt die Küchenchefin. Was sie damit meint? „Wir sprechen hier Flexitarier an. Dabei versuchen wir, die Jahreszeiten und auch die verschiedenen Ernährungsformen unserer Gäste zu beachten.“ Flexitarier, das sind per Definition flexible Vegetarier, die ihren Fleischkonsum bewusst einschränken und davon möglichst wenig essen, wenn, dann aber mit bestimmter Qualität. Die Lebensmittel, die nicht im eigenen Garten angebaut werden, bezieht die Küchenchefin von Lieferanten aus der Umgebung – „Aus der Region für die Region“, lacht sie.
Damit alle Ernährungsformen der Gäste beachtet werden können, hat Alexandra Weißenfels-Seemer eine einfache Lösung parat: „Die Suppen haben bei mir grundsätzlich eine vegane und glutenfreie Grundlage. Cremes, Fleischbällchen oder andere Zutaten können dann noch hinzugefügt werden. Vegane Suppen kann man aber auch interessant gestalten durch geröstete Kerne oder Brotchips. Da gibt es viele Möglichkeiten.“
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Dass vegane, bzw. vegetarische Ernährung ihren Platz in der Gastronomie gefunden hat, sagt Lars Martin, Geschäftsführer des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga) Südwestfalen. „Für vegane Angebote gibt es Bemühungen, da sieht man: der Markt ist da, auch wenn er sehr klein ist. Vegetarisch setzen die meisten Betriebe schon um.“ Doch in welcher Qualität und welches Gericht erwartet die Gäste dann? „Je ländlicher es wird, desto eingeschränkter wird das Angebot. Das hängt natürlich auch vom Betrieb ab. In eher fleischlastigen Betrieben ist die Nachfrage nach vegetarischen Gerichten nicht hoch, dementsprechend gering ist auch das Angebot, da liegt ja dann nicht der Schwerpunkt drauf. Da stellt sich ein Betrieb dann schon die Frage: Lohnt sich das überhaupt extra dafür einzukaufen, wenn ein bis zwei Vegetarier die Woche kommen?“ Als Beispiel nennt Martin ein Steakhaus, das die Kunden bewusst für die Fleischgerichte auswählen.
Im ländlichen Raum gebe es aber im Gegensatz zu Großstädten nicht mehr so viel Gastronomie, deshalb „muss man auch mal ein Dorf weiter fahren, um ein entsprechendes Angebot zu finden“. Langfristig, so ist er sich aber sicher, kommt kein Betrieb an vegetarischen Gerichten vorbei. „Das ist auf jeden Fall ein Ernährungswandel, kein Trend. Da passen sich die Betriebe schon an, in den letzten zehn Jahren ist die Nachfrage nach vegetarischen Gerichten gestiegen. Und man muss ja auch das verkaufen, was die Gäste wollen.“
„Die Gäste kommen aus der Stadt ins Sauerland, um dort Urlaub zu machen. In der Großstadt gibt es einfach viel mehr vegetarische oder vegane Angebote, da müssen wir mithalten“, sagt Aferdita Greitermann, die den Gasthof „Zu den Linden“ in Kirchhundem bereits in dritter Generation führt. Seit zwei Jahren biete sie daher auch vegane Speisen im Gasthof an. Sie betont allerdings: „Die Ernährung hat sich zwar gewendet, aber es gibt Gerichte auf der Karte, die dürfen wir nicht weglassen, sonst wäre der Gast sehr enttäuscht, das wäre nicht klug von uns.“ Klassiker wie Grünkohl und Rouladen sind und bleiben wohl vorerst nun Mal nach wie vor der Renner in sauerländischen Speisekarten.
Neues Modul in Kochausbildung
Dass das Bewusstsein für vegane und vegetarische Ernährung generell wächst, das weiß Lars Martin aber auch. Deshalb wurde die Ausbildungsordnung für Köche im letzten Sommer geändert. „Vegetarisch und vegan spielt in der Kochausbildung eine große Rolle.“ Das „ Zubereiten von pflanzlichen Nahrungsmitteln“ wurde im Ausbildungsberufsfeld zur Köchin bzw. zum Koch bei der SIHK als Fertigkeits- und Kenntnispunkt hinzugefügt. Teil der Realität ist aber auch – das zeigt der Blick auf die Internetseiten manchen Betriebs -, dass es noch immer Restaurants gibt, die auf der Speisekarte nur ein vegetarisches Hauptgericht anbieten – oder am Ende gar nur eine Notlösung wie den Backcamembert oder den gemischten Salat.
Was in anderen Gastro-Küchen langsam ankommt, ist auf dem Landgasthof Seemer schon längst gang und gäbe. „Meine Schwester Julia ernährt sich seit 13 Jahren vegetarisch, ich bin da quasi mit groß geworden. Deshalb sehe ich das auch nicht als Trend, wenn man sich für eine bewusste Ernährungsform entscheidet.“ Aktuell wird im Landgasthof auch der erste Koch ausgebildet, der seine Abschlussprüfung gerade ablegt. „Ich finde es sehr wichtig, dass die Auszubildenden die vegetarische Küche beigebracht bekommen“, betont die Küchenchefin. „Das fällt Azubis aus vielen Betrieben noch schwer, weil das dort noch nicht angekommen ist.“ Ihr eigener Auszubildender hätte sofort einige vegetarische und vegane Ideen parat gehabt, die er in der Prüfung dann präsentieren möchte, erklärt die Küchenchefin voller Stolz.
Vegetarische und veganen Speisen im Restaurant holen zwar stetig auf, aber: „Das klassische Schnitzel ist immer noch unser Bestseller“, sagt Alexandra Weißenfels-Seemer. Dabei ist ihr eins besonders wichtig: „Wir wollen unsere Gäste nicht bekehren und sind nicht dogmatisch.“ Sie biete lediglich Möglichkeiten für unterschiedliche Ernährungsformen an, letztendlich würden dann die Gäste selbst entscheiden, was sie essen möchten.