Hagen/Herdecke/Düsseldorf. Top frisierte Fußballer im Lockdown und unmoralische Schwarzarbeit-Angebote: Was Friseure dazu sagen. Und wie Kunden sich behelfen.
Wird da eine „Extra-Locke gedreht“? Seit Mitte Dezember müssen die Friseure ihre Läden im Corona-Lockdown geschlossen halten. Auch Hausbesuche sind verboten. Haarige Zeiten für die Friseure, aber auch für viele Bürger. Da wundert es, dass Fußball-Profis auffällig frisch frisiert bei Spielen im TV erscheinen. Wird bei ihnen professionell Hand angelegt? Was ein Haarkünstler mit Fußballer-Kundschaft, eine Friseurin aus Herdecke und Bürger aus der Region sagen.
Der Fußballer-Friseur
„Deutscher Meister“ – die Urkunde im Düsseldorfer Salon von Melih Benderlioglu stammt aus dem Jahr 2015. Den Titel hat er aber nicht in der Bundesliga gewonnen, obwohl der gebürtige Sauerländer selbst leidenschaftlicher Kicker ist, sondern in seinem Handwerk: Benderlioglu, der in Attendorn geboren und in Meinerzhagen aufgewachsen ist, ist Friseur und zählt jede Menge Fußballprofis zu seinen Kunden. Nicht nur die Kicker der Düsseldorfer Fortuna, auch Leverkusen-Torwart Lukas Hradecky war noch im Dezember in der „Haarlounge by Melih“ – unter Wahrung aller Hygienebestimmungen, wie ein Instagram-Foto beweist.
Doch in Lockdown-Zeiten ist die Sache brisant geworden. Der Zentralverband des Deutschen Friseurhandwerks hat seinen Unmut über frischfrisierte Fußballprofis in einem offenen Brief an den Deutschen Fußball-Bund geäußert: „Einrasierte Scheitel, auf wenige Millimeter getrimmtes Nacken- und Schläfenhaar, saubere Konturen. Frisuren, die nur professionelle Friseurinnen und Friseure mit ProfiEquipment schneiden können.“ Damit werde eine ganze Branche unter Druck gesetzt. Weil nicht nur Fußballfans den Eindruck bekommen, dass für die Stars andere Regeln gelten.
„So etwas unterstütze ich nicht. Ob Fußballer oder andere Kunden: Wer jetzt während des Lockdowns von mir frisiert werden möchte, kann sich den Anruf sparen“, betont Benderlioglu, der sich erst im Frühjahr den Lebenstraum vom eigenen Salon erfüllt hat. Jetzt kämpft der 33-Jährige jedoch um seine Existenz. „Deshalb habe ich gerade ganz andere Sorgen als die Frisuren der Fußballprofis. Mein Appell kann nur lauten: Unterstützt uns Friseure, sobald der Lockdown vorbei ist. Kommt zurück in die Salons, sobald es wieder möglich ist.“
Spekulieren, warum viele Bundesliga-Kicker auch mitten im Lockdown perfekt gestylt sind, möchte der Sauerländer nicht. Dass Fußballer aber durchaus eitel sein können, weiß Benderlioglu, der als Stylingexperte regelmäßig im TV auftritt. Schließlich spielt er selbst: Angefangen hat er beim RSV Listertal, dann ging’s zum SC Plettenberg und den Sportfreunden OestrichIserlohn. „Bis in die U19-Bundesliga“, berichtet er stolz.
Die Friseurin
Das Thema bewegt nicht nur die Friseure, die ohnehin mit Fußballern zu tun haben. Rani Sensen etwa kann sich über die vielen gut frisierten Sportler und Politiker nur wundern: „Das sind oft professionelle Haarschnitte, die ich da sehe, mitunter Trendfrisuren – und die müssen in den letzten vier Wochen während des Lockdowns vollendet worden sein“, berichtet die Inhaberin eines Friseursalons in Herdecke. „Anders ist dieses Phänomen nicht zu erklären.“
Fair findet die Herdeckerin das nicht. „Alle Friseure, die sich an die Vorgaben halten, fühlen sich verletzt.“ Sie selbst kennt keine Berufskollegen, die zurzeit als Schwarzarbeiter unterwegs sind. Angebote gebe es allerdings fast jeden Tag. Am Donnerstag noch erreichte Rani Sensen per Mail das Angebot eines Handwerkerportals. Die an Friseure in der Region gestellte Frage laute, ob ein Termin zum Haareschneiden für zwei Personen in Hagen-Hohenlimburg möglich sei. „Das ist eine direkte Aufforderung zur Schwarzarbeit“, zeigt sich Rani Sensen entsetzt.
Ihre persönliche Situation beschreibt sie als „angespannt“. „Ich hatte gehofft, dass wir am 11. Januar wieder öffnen können.“ Nun übe sie sich in Geduld. Von Haus aus sei sie optimistisch eingestellt: „Und wenn ich während meiner Spaziergänge an der frischen Luft sehe, wie die Leute auf dem Kopf zurzeit aussehen, dann weiß ich: Die Sehnsucht nach Friseuren ist groß.“
Die Kunden
„Bei den vielen Kopfbällen wächst die Frisur halt einfach nicht raus“, so die scherzhafte Erklärung von Manuela Meyer aus Hagen zu den gestylten Fußballer-Köpfen. Wir haben auf den lokalen Facebook-Seiten unserer Zeitung gefragt: Massenhaft kamen Reaktionen. Doch niemand wollte zugeben, dass sie oder er es den unter Verdacht stehenden Fußballprofis gleichgetan und Friseurdienste in Anspruch genommen hat.
Manche hatten Glück wie Anja Rutenbeck aus Breckerfeld: „Ich war im Dezember noch beim Friseur, bevor alle schließen mussten. Geplanter Termin. Habe sie mir extra kürzer schneiden lassen - nun können sie wachsen.“ Bei vielen andere scheint Selbsthilfe angesagt. Sie berichten, dass sie nun mit Haarschneidern vorgehen. Wie etwa Jessica Urban aus Arnsberg: „Meine drei Männer haben alle denselben Haarschnitt.“
Aber ein Friseurbesuch ist eben mehr als nur Haareschneiden, wie Christiane Hahnen aus dem Altkreis Brilon schreibt: „Ich schaue mir im Internet zur Zeit gerne Frisuren an und freue mich total auf meinen nächsten Friseurbesuch. Wenn meine Friseurin wieder öffnet, will ich öfter hingehen zum Waschen und Föhnen. Einfach nur, um sie zu unterstützen.“