Hagen. Der Sitzungskarneval in Nordrhein-Westfalen fällt aus. Das sagen ein Vereinsvorsitzender, ein Garde-Kommandant und ein Büttenredner dazu.
Die Hallentüren bleiben geschlossen, kein dreifach donnerndes Helau oder die närrische Frage „wolle mer se reinlasse?“ Ministerpräsident Hendrik Wüst hat verkündet, dass in NRW in dieser Session keine Karnevalssitzungen mehr stattfinden werden
„Karneval als Massenveranstaltung ist nicht verantwortbar“, so der CDU-Politiker. Keine Kostümbälle, keine Partys, keine Prunk- und Herrensitzungen. Aschermittwochsstimmung am Dienstag, den 14. Dezember.
Kritik an der Politik
„Wir sind tieftraurig“, sagt Jörg Spiekermann, 1. Vorsitzender der Mendener Karnevalsgesellschaft Kornblumenblau, „aber es ist eine Vernunftentscheidung, die ich nachvollziehen kann. Wir haben auch schon Veranstaltungen bei geringeren Inzidenzen abgesagt.“
Spiekermann findet, dass die Karnevalisten die „Leidtragenden“ eines Politikversagens sind: „Weil Wahlkampf geführt wurde, sind notwendige Maßnahmen gegen die Pandemie verschlafen worden. So sind die Infektionszahlen in die Höhe geschnellt.“
Hoffen auf den Straßenkarneval
Wünschenswert, so sagt er schließlich, wäre es, wenn wenigstens der Straßenkarneval stattfinden könnte. Darüber soll Anfang 2022 in NRW entschieden werden.
Janik Isphording ist Kommandant der Roten Funken Attendorn, die Garde der Karnevalsgesellschaft „Die Kattfiller“: Bis zuletzt hätten die 25 aktiven Tänzer unter 2G-Bedingungen für Auftritte trainiert, erzählt er.
„Natürlich hatten wir im Hinterkopf, dass das Ganze auf der Kippe steht.“ Dennoch: Er habe gespürt, dass die Menschen sich nach der ausgefallenen Session vor einem Jahr nach Karneval sehnen: „Es ist einfach nur schade.“
Jörg Burghardt ist hauptberuflicher Entertainer und als Büttenredner „Hausmeister Bolle“ im Sauerländer Karneval bekannt. Er hat mit der Absage gerechnet: „Der Karneval steht leider unter einem dunklen Stern, seitdem im Februar 2020 der Kreis Heinsberg nach einer Karnevalssitzung im Ort Gangelt zum ersten Corona-Hotspot in Deutschland wurde. Alle haben Angst, dass so etwas noch einmal passiert.“
„Katastrophe“ für Unterhaltungskünstler
Für Unterhaltungskünstler wie ihn sei die Pandemie eine „Katastrophe“, sagt Burghardt: „Wir hängen voll durch. Wir haben uns sehr an die Corona-Regeln gehalten, haben alles versucht, damit Veranstaltungen möglich sind.“
Und doch habe es die Politik in so langer Zeit nicht hinbekommen, Regeln aufzustellen, die Karnevalssitzungen möglich machten. „Warum sind Fußballspiele möglich, wo Menschen in Stadien dicht an dicht nebeneinander hocken und sich bei einem Tor jubelnd in den Armen liegen? Das ist nicht mehr nachvollziehbar.“
Büttenrede jetzt online
Was nun? „Ich ziehe Plan B“, sagt Jörg Burghardt, der sein Büro in Lippstadt hat: Auf hausmeister-bolle.de zeigt er jetzt seine Büttenrede online, garniert mit Zauber-Elementen.
Weil er keine unmittelbaren Reaktionen der Augen- und Ohrenzeugen erhält, bewirft er sich dabei schon einmal selbst mit Konfetti – „damit ich in Stimmung bleibe“. Er lacht herzhaft und wird im nächsten Moment nachdenklich. „Nach dem Karnevals-Aus in NRW wird es jetzt wieder Absagen für mich hageln.“
Burghardt hat einen Weg für sich zum Überleben in schwieriger Zeit gefunden. Er hat das Hilfsprojekt (5 Euro Haus) für Flutopfer im Ahrtal ins Leben gerufen. „Dieses Projekt“, sagt er, „rettet mich vor der Depression.“