Hagen. Der Deutsche Feuerwehrverband hat einen neuen Präsidenten gewählt. Doch der stößt auf Kritik an der Basis in Nordrhein-Westfalen. Es brodelt.
Er galt als der Kandidat der Reformer und der Erneuerer, doch am Ende konnte er sich nicht durchsetzen: Dr. Karsten Homrighausen, Chef der Berliner Feuerwehr, aber in Herdecke im Ennepe-Ruhr-Kreis aufgewachsen und dort auch als Feuerwehrmann „groß geworden“, ist bei der Wahl zum Präsidenten des Deutschen Feuerwehrverbandes (DFV) am Samstag unterlegen.
Stattdessen wurde bereits im ersten Wahlgang Karl-Heinz Banse (57), der bisherige Präsident des Landesfeuerwehrverbands Niedersachsen, an die Spitze gewählt. Damit ist er Nachfolger von Hartmut Ziebs (61) aus Schwelm im Ennepe-Ruhr-Kreis, der Ende 2019 zurückgetreten war, nachdem ein Großteil seiner Vizepräsidenten ihm das Vertrauen entzogen hatten. Auch wenn es dafür nie eine ausführliche Begründung gab, soll der progressive Kurs von Hartmut Ziebs der Grund gewesen sein.
Ziebs warnte vor „rechtsnationalen Tendenzen bei der AfD“
Er hatte davor gewarnt, dass die Feuerwehren in Deutschland von rechtsnationalen Kräften unterwandert werden könnten: „Die teilweise rechtsnationalen Tendenzen bei der AfD sind eine Gefahr für die Demokratie. Es wäre fatal, wenn die Feuerwehr in einen solchen Sog geraten würde“, hatte er unter anderem gesagt. Und auch, dass er eine türkischstämmige Frau zur Bundesgeschäftsführerin gemacht hatte, war bei Verbandsfunktionären auf Kritik gestoßen.
Ziebs hatte zwar von der Feuerwehr-Basis, insbesondere in Nordrhein-Westfalen, viel Unterstützung in dem Konflikt erhalten. Unter anderen gab es in sozialen Netzwerken wie Facebook große Solidaritätsaktionen. Letztlich räumte er aber den Posten, der nun mehr als ein Jahr lang vakant war.
Der Neue, Karl-Heinz Banse, gilt den Kritikern als einer, der an der Demontage von Hartmut Ziebs mitgewirkt haben soll und überhaupt nicht für einen Kurs der Neuerung und der Offenheit stehe. Banse selbst war am Sonntag nicht für die WESTFALENPOST zu erreichen. Über den Landesfeuerwehrverband lässt er sich aber mit den Worten zitieren: „Nur mit einem starken und bundesweit akzeptierten Deutschen Feuerwehrverband können die Interessen aller ehren- und hauptamtlichen Feuerwehrangehörigen in Deutschland bei den beteiligten Stellen ein gewichtiges Gehör finden.“
Kritik unter Hashtag #nichtmeindfv bei Facebook
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Eben diese bundesweite Akzeptanz scheint aber fraglich: Auch jetzt gibt es massenweise Kommentare in sozialen Netzwerken, die von einer verpassten Chance für eine Erneuerung sprechen. Unter dem Hashtag #nichtmeindfv sammeln sich die Kritiker, die auch die Strukturen des Feuerwehrverbandes angreifen. In dem sind nicht einzelne Feuerwehrleute Mitglied, sondern 16 Landesverbände und der Verband der Werksfeuerwehren. Und auch in den Landesverbänden gibt es keine Einzelmitgliedschaften, sie bauen sich über die Kreisfeuerwehrverbände auf. Durch diese Strukturen werde der wahre Unmut der Basis überhaupt nicht deutlich, so ein Feuerwehrmann aus dem Sauerland gegenüber unserer Zeitung. Stattdessen hätten Verbandsfunktionäre das Sagen: „Der Deutsche Feuerwehrverband sagt immer, er vertrete 1,3 Millionen Feuerwehrleute, aber er repräsentiert die überhaupt nicht.“
NRW-Verband bleibt auf Abstand zum neuen Präsidenten
Dass der Unmut an der Basis groß ist, weiß auch Jan Heinisch (44), der Vorsitzende des Verbandes der Feuerwehren in Nordrhein-Westfalen. Und er kann ihn auch verstehen, sagt er im Gespräch mit der WESTFALENPOST: „Wir haben uns als NRW-Landesverband deshalb auch klar für Karsten Homrighausen als Präsidenten ausgesprochen, weil er ein klares Zeichen für den Neuanfang gewesen wäre.“ Heinisch ist im Hauptberuf CDU-Politiker, arbeitet als Staatssekretär im NRW-Heimat- und Kommunalministerium, ist aber auch seit Jugendtagen aktiver Feuerwehrmann in Heiligenhaus.
Dass nun statt Karsten Homrighausen Karl-Heinz Banse gewählt worden ist, bewertet er recht kühl als: „Das ist ein demokratischer Vorgang.“ Er macht aber auch klar: „52 Prozent für ihn zeigen auch, dass 48 Prozent nicht für ihn waren und dass weiter ein Riss durch den Verband geht.“ Den zu schließen, sei nun die große Aufgabe des neuen Präsidenten. Hat er denn Hoffnung, dass sich Banse im Amt doch noch progressiver zeigt? „Hoffen hilft da nicht. Ich habe die klare Erwartung, dass er dies tut.“ Denn Jan Heinisch weiß, dass es immer noch nicht wenige an der Basis gibt, die wollen, dass der NRW-Verband ganz den Deutschen Feuerwehrverband verlässt.
Hartmut Ziebs will für die CDU in den Bundestag einziehen
Der bei der Wahl unterlegene Karsten Homrighausen will indes nicht nachtreten, sagt: „Als aufrechter Demokrat akzeptiere ich natürlich die Wahl.“ Die Delegiertenversammlung von Samstag stehe aber auch unter der Überschrift „Verpasste Chance“, so der in Herdecke aufgewachsene Berliner Feuerwehrchef: „Ich wollte der Basis eine klare Alternative für einen kompletten Neuanfang bieten.“ Er habe vorher kein Amt im Deutschen Feuerwehrband gehabt, sei mithin nicht an den Streitigkeiten beteiligt gewesen. Und sein Ziel sei es auch gewesen, die Strukturen zu ändern, um der Basis mehr Einfluss zu bieten. „Aber jetzt bin ich da raus.“
Diplomatisch auch die Antwort von Hartmut Ziebs, dem im Verband umstrittenen, an der Basis aber weiter beliebten Ex-Präsidenten: „Die Wahl ist zu akzeptieren. Nun hoffe ich, dass der neue Präsident gute Entscheidungen trifft, damit der Verband zukunftsorientiert aufgestellt wird.“ Ziebs selbst will sich nun auf anderer Ebene für die Feuerwehrleute einsetzen: Die CDU im Ennepe-Ruhr-Kreis hat ihn als Bundestagskandidaten für die Wahl im September aufgestellt.
>> HINTERGRUND: Vertrauen für Vize-Präsidenten
- Bei der Online-Verbandsversammlung mit 166 Delegierten hatte sich Karl-Heinz Banse mit 88 Stimmen im ersten Wahlgang durchgesetzt. Karsten Homrighausen hatte 55 Stimmen erhalten, Frank Kliem aus Brandenburg 23.
- Die Vizepräsidenten, die als Gegenspieler des Ex-Präsidenten Hartmut Ziebs gelten, wurden mit bis zu 57 Nein-Stimmen letztlich doch bei einer Vertrauensabstimmung bestätigt.