Hagen. Reporter Daniel Berg krempelte für die Nachhaltigkeitsserie 2019 „Bin eben kurz die Welt retten“ sein Leben um. Was ist davon geblieben?
So Redaktionskonferenzen sind ja auch nicht immer ein Vergnügen. Thema: die neue Nachhaltigkeitsserie. Welche Schwerpunkte wollen wir setzen? Welche Themen angehen? Ey, Berg, du hast doch mal diese Weltretter-Serie mitgemacht. Können wir nicht daran anknüpfen?
„Bin eben kurz die Welt retten“ – so hieß die Serie im Frühsommer 2019, für die dieser Berg sein Leben umkrempelte und alle Aspekte der Nachhaltigkeit selbst erprobte: Vier Wochen lang ernährte er sich nach den Vorgaben der Planetary Health Diet, die gesund für den Körper und ressourcenschonend für den Planeten ist. Weitere Versuchsanordnungen: eine Woche möglichst wenig Plastikmüll produzieren, eine Woche auf das Auto verzichten, ein Dutzend nachhaltiger Produkte ausprobieren, saisonal und regional einkaufen mit einer Expertin vom Wuppertal-Institut, Strom sparen im eigenen Haushalt mit der Fachfrau von der Verbraucherzentrale.
Und nun stellt einer die Frage, die gute zwei Jahre später unvermeidlich ist: Was ist denn davon übrig geblieben, Berg? Ist dein Leben nachhaltiger geworden seitdem? Zeit, ehrlich Bilanz zu ziehen.
Persönlicher CO2-Abdruck: Überraschendes Ergebnis
Jeder Mensch hat seinen persönlichen CO2-Fußabdruck. Der deutsche Durchschnittsbürger verursacht mit seinem Lebenswandel pro Jahr 11,17 Tonnen CO2. 2019 lag ich knapp darunter: 10,68. Nun habe ich die Berechnungsmaschine des Umweltbundesamtes noch einmal mit den Daten meines jetzigen Lebenswandels gefüttert. Das Ergebnis: 7,33 Tonnen (siehe Grafik). Ein Ergebnis, das mich in mehrerlei Hinsicht überrascht.
Grundsätzlich gilt: Nachhaltigkeit ist ein Parameter in meinem Leben geworden. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass er nicht immer gleichermaßen bedeutsam ist, dass ich ihm manchmal sogar zuwider handele. Ich fahre das falsche Auto, lasse es aber wenigstens so oft es geht zugunsten des Rades stehen. Es geht nur nicht sehr oft. Die öffentlichen Verkehrsmittel nutze ich nicht wegen mangelnder Flexibilität und oft miserabler Fahrtzeiten. Trotzdem: Ich habe in diesem Bereich CO2 eingespart, vermutlich weil ich beruflich weniger viel fahre. Flugreisen? Auch wegen Corona: Fehlanzeige im vergangenen Jahr.
Wichtigster Baustein: Nachhaltiges Einkaufen
Am wichtigsten ist mir – sollte ich dies benennen müssen – Nachhaltigkeit bei der Ernährung: Kein Einkauf, bei dem ich nicht daran dächte, welche Variante nun die nachhaltigere ist – was nicht heißt, dass ich immer die nachhaltigere wähle. Wir achten auf eine fleischarme Ernährung und kaufen mit Freude saisonales Gemüse, am liebsten regional. Tomaten, Zucchini, Kohlrabi bauten wir sogar selber an. Wenn die Apfelbäume in der erweiterten Nachbarschaft eine zu reiche Ernte liefern, dann sind wir dankbare Abnehmer. Dann macht Nachhaltigkeit sogar großen Spaß.
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Im stressigen Alltag ist das nicht immer so. Ein schneller Einkauf ist selten gut durchdacht und auf Nachhaltigkeitsprinzipien überprüft. Ist dann eben so. Und nur weil die Orangen, Oliven und Mandarinen nicht in Breckerfeld, Olsberg oder Olpe wachsen, hätte ich trotzdem gern welche. Sind ja gesund. Ich beziehe sie deswegen zumindest einmal im Jahr über das Portal www.crowdfarming.comdirekt beim Erzeuger in Südeuropa. Das ist – kein Witz – ökologischer, sozialer, qualitativ besser. Doch, oha, im Bereich Ernährung habe ich meine Bilanz leicht verschlechtert.
Sonstigen Konsum stark zurückgefahren
In der alten Wohnung zog es an den Fenstern, die neue Bleibe heizt vornehmlich mit erneuerbaren Energien und spart Strom. Auf grünen Strom zu wechseln, wie es mir die Expertin riet, steht seit exakt zwei Jahren auf der digitalen To-Do-Liste in meinem Handy – bislang aber ohne Effekt. Es liegt wahrscheinlich daran, dass ich mir den Wechselprozess irre kompliziert vorstelle, was er aber offenbar nicht ist (so viel weiß ich schon).
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Die größten Verbesserungen habe ich beim sonstigen Konsum erzielt. Tatsächlich achte ich beim Kauf mehr auf Funktionalität und Langlebigkeit. Früher schaute ich eher auf den Preis. Ich überlege lange, ob ich etwas wirklich brauche und ob das, was ich brauche, nicht auch anderweitig zu bekommen wäre. Jüngstes Beispiel: um nach einer Operation wieder zu Kräften zu kommen, benötigte ich ein Fahrradergometer. Ich kaufte eines. Gebraucht. Funktioniert, spart Ressourcen und Geld.
Warum die Waschnüsse fort sind
2019 waren es 56 Sklaven, die ich durch meinen Konsum indirekt beschäftigte. 44 sind es heute (www.slaveryfootprint.org). Die Richtung stimmt, aber die Entschlossenheit fehlt. Beispiele gefällig? Ich testete Waschnüsse für die Waschmaschine, die gut wuschen und Geld sparten. In meinen Alltag haben sie es aus unerfindlichen Gründen ebenso wenig geschafft wie die Bambuszahnbürste (ich putze elektrisch), die Deo-Creme (keine Ahnung warum, die war gut), der Rasierhobel (fragen Sie nicht, ich weiß es nicht) und die Abschminkpads aus Bio-Baumwolle und Bambus (zu hart, sagt die Gattin).
Geblieben ist aber auch einiges. Vieles von dem, was Müll spart: die Duschseife (auch fürs Haar), das wiederverwendbare Backpapier, die Wachstücher, die Aludosen und Glastrinkflaschen. All das ersetzt in unserem Haushalt (zwei Erwachsene, zwei Kinder) mittlerweile fast komplett Dinge wie Butterbrotpapier, Alufolie und Plastikflaschen. Vier gelbe Säcke fielen früher im Monat teilweise an, mittlerweile sind es oft nur noch zwei.
Was heißt das nun? Dass wirkliche Nachhaltigkeit ein weiter Weg ist, sich aber schon erste Schritte lohnen. Kleine Erinnerung auch an mich: Eine für den Planeten gesunde CO2-Schuld eines Einzelnen läge bei 2,4 Tonnen im Jahr.