Hagen. Ein besonderes Projekt: Wir begleiteten drei Schüler aus der Fridays-for-Future-Bewegung in Hagen ein Jahr lang. Was wurde aus ihren Zielen?

Ein Jahr ist vorüber, etwas mehr sogar. Ein Jahr nachdem
unsere Nachhaltigkeits-Serie „Bin nur kurz die Welt retten“
endete. Ein Jahr, nachdem das Anschlussprojekt begann: Wir begleiten drei junge Menschen, die sich in der Fridays-for-Future-Bewegung engagieren, ein Jahr lang. Namentlich: Janne Rosenbaum und Ruben Heuer aus Hagen sowie Fabian Göke aus Herdecke. Dies ist der Abschluss der Langzeitreportage. Was machen sie heute? Was hat sich in der Zeit bewegt? Was ist aus ihren Zielen und Wünschen geworden? Zeit für eine Bilanz.

Janne Rosenbaum (18)

Janne Rosenbaum aus Hagen.
Janne Rosenbaum aus Hagen. © HO | HO


Sie war die Frontfrau der Hagener Fridays-for-Future-Bewegung und hielt eine Rede vor dem

Hagener Stadtrat
. In diesem Frühjahr hat sie am Christian-Rohlfs-Gymnasium ihr Abitur gemacht und befindet sich seit einem Monat auf Helgoland: Unter dem Dach des renommierten Alfred-Wegener-Instituts absolviert sie ein Freiwilligen-Jahr für Wissenschaft, Nachhaltigkeit und Technik. Als wir sie am Telefon erreichen, sitzt sie gerade an einem Spektrometer auf der Suche nach Spuren von Mikroplastik. Sie betreut zudem eine Langzeitdatenreihe, wie und ob sich Temperatur und Lichteinstrahlung im Felswatt verändern.

„Nach dem Jahr würde ich gern studieren, um vielleicht danach wissenschaftlich zu arbeiten“, sagt sie. Auch um herauszufinden, wie viel Spaß ihr das macht, ist sie dort. Ein Umbruch in ihrem Leben, wie sie sagt. „Alles hat sich geändert: Von der Schule und der Fridays-for-Future-Bewegung auf eine kleine Insel in der Nordsee und acht Stunden Arbeit am Tag“, lacht sie. „Die Themen rund um Nachhaltigkeit bewegen mich nach wie vor, allerdings in einem komplett anderen Kontext.“ Was in Hagen mit der Bewegung passiert, kann sie nur noch aus der Ferne beobachten. Persönliche Nachhaltigkeits-Ziele vor einem Jahr:


- Umstellung der Ernährung auf komplett vegetarisch und teilvegan

„Ich bin tatsächlich seit einem Jahr Vegetarierin und werde das auch weiterführen“, sagt sie heute. Vegan ist zu streng? „Dazu hänge ich zu sehr am Käse“, sagt sie.


- Plastikkonsum verringern

„Im Bad habe ich viel Plastik einsparen können“, sagt Janne Rosenbaum, „aber beim Einkaufen ist es sehr schwierig, weil fast alles in Plastik eingepackt ist. Wenn ich das brauche, kaufe ich es trotzdem. Ansonsten achte ich darauf, Alternativen zu verwenden. Einen Unverpackt-Laden gibt es hier auf Helgoland ja leider nicht.“

- Reparieren, statt neu zu kaufen
„Mir ist in dem Jahr nicht wirklich was kaputt gegangen. Aber wenn ich zum Beispiel neue Klamotten brauche, dann kaufe ich die mittlerweile oft in Second-Hand-Läden oder tausche auch mit anderen.“ Elektronische Geräte leiht sie sich lieber, wenn sie welche braucht.


Nachhaltigkeits-Ziele in der Schule:


- Papierverbrauch reduzieren

Janne atmet tief ein. „Neee“, sagt sie und lacht, weil es offenbar zu diesem Thema nicht viel zu sagen gibt. „Ich hatte eine Umwelt-AG gegründet, mit der ich einige Projekte umsetzen wollte." Manches sei dann Corona zum Opfer gefallen. Aber: „Wir haben geschafft, dass es seit dem vergangenen Winter zweimal in der Woche ausschließlich vegetarisches Essen gibt.“ Zuvor hatten sie und ihre Mitstreiter eine Woche lang über Fleischkonsum informiert, über Tierwohl, Klima, Wassermangel. Nach einer Testphase von zwei Wochen, in der es nur vegetarisches Essen gab, wurde eine Umfrage gestartet, wie viele fleischfreie Tage sich die Schüler pro Woche in der Schule vorstellen könnten. Antwort: Mehr als 50 Prozent der Schüler fanden zwei bis drei Tage gut. Gesagt, getan. Außerdem veranstaltete die Umwelt-AG eine Kleidertauschparty: Wer Altes aussortiert, darf sich was von anderen aussuchen. Was übrig blieb, wurde gespendet.


- Weniger Verpackungsmüll in der Schulmensa

„Darüber haben wir mit der Schulleitung gesprochen. Aber die Schulkonferenz, auf der das besprochen werden sollte, hat wegen Corona nicht mehr stattgefunden.“ Ob das weiter verfolgt wird und es die Umwelt-AG noch gibt? Janne weiß es nicht.


- Umwelttag einrichten

Im Sinn hatte sie Themenschwerpunkte einmal im Jahr oder einmal im Halbjahr, in denen ökologische Themen besprochen oder als Experimente in den Unterricht integriert werden. Fester Bestandteil der Planung sei der Umwelttag leider nicht geworden. „Aber einige Lehrer haben meines Wissens nach die Initiative ergriffen, um etwas ähnliches auf die Beine zu stellen.“

Fabian Göke (18)

Fabian Göke aus Herdecke.
Fabian Göke aus Herdecke. © HO | HO


„Mein persönliches Engagement in Sachen Ökologie ist im vergangenen Jahr sogar noch größer geworden“, sagt Fabian Göke, der in diesem Jahr sein Abitur am Friedrich-Harkort-Gymnasium in Herdecke ablegen will. In der FFF-Bewegung habe es einige Mitstreiter wegen eines beginnenden Studiums oder eben anderer Tätigkeiten (wie bei Janne Rosenbaum) einige Veränderungen gegeben. „Es waren Aufgaben vakant und weil ich richtig Bock hatte, mich einzubringen, habe ich mich gemeldet“, sagt Fabian. Er hat deswegen die erste FFF-Demo in Hagen seit der Corona-Pandemie angemeldet: Am Freitag, 25. September wird in Hagen – und in vielen anderen Städten weltweit - wieder auf die Straße gegangen. „Das wird ein entscheidender Moment für unsere Bewegung sein“, sagt Fabian, „dann wird man sehen, wie viele die Sache nach der langen Pause noch unterstützen. Corona war natürlich motivationshemmend, umso mehr freue ich mich, dass es jetzt wieder richtig losgeht.“


Persönliche Nachhaltigkeits-Ziele vor einem Jahr:


- Plastikverbrauch auf ein Minimum reduzieren

„Es ist sauschwer“, sagt Fabian, „zumindest beim Einkaufen. Aber ich versuche es in allen anderen Bereichen.“ Er hat fast immer Besteck in seiner Tasche dabei, damit er nicht auf Plastik angewiesen ist. Er nimmt sich viel häufiger Essen in Brotdosen mit, im Bad ist er fast plastikfrei. „Ich habe Duschseife, Haarseife und ein selbstgemachtes Deo.“ Zutaten: Biokokosöl, Speisestärke, Natron, ätherische Öle, fertig. „Funktioniert“, sagt er. Und beim Einkaufen hofft er „auf eine feste Regelungen von Politik oder Wirtschaft, die es dem Verbraucher leicht macht, auf Plastik zu verzichten.“


- Duschwasseraufkommen deutlich verringern

„Ich bemühe mich wirklich, aber um ehrlich zu sein könnten meine Fortschritte größer sein“, sagt er.


- Verzicht auf Käufe im Internet

„Ich habe mein komplettes Konsumverhalten weit heruntergedreht“, sagt Fabian: „Das Gute ist: ich wachse nicht mehr, so kann ich die Klamotten richtig lange tragen. Wenn nicht gerade etwas zerfleddert ist, dann kaufe ich auch nichts Neues.“ Und wenn, dann im Bio- oder Second-Hand-Laden. Ausnahme: Hosen. „Ich bin sehr schlank und habe lange Beine, da findet man selten etwas für mich – außer im Internet.“


Nachhaltigkeits-Ziele in der Schule:


- Mülltrennung einführen

„Die ist tatsächlich eingeführt worden“, sagt Fabian und staunt fast ein wenig darüber. Auf dem Schulhof stünde zwar noch immer nur eine Mülltonne, aber in jedem Klassenraum und in der Aula sind es immer drei, jeweils eine für Plastik, Papier und Restmüll. Die Stadt Herdecke habe die Kosten übernommen, sagt er.


- Mikroplastikfreie Seife verwenden

„Dieses Vorhaben mussten wir verschieben. In der Corona-Zeit waren wir froh, wenn wir überhaupt ausreichend Seife hatten. Aber aufgeschoben ist nicht aufgehoben.“


- Nachhaltigkeitsshop in der Schule eröffnen

„Wir haben angefangen, über diese und andere Ideen zu sprechen, Einen Wasserspender würden wir uns ebenfalls wünschen. Aber das sind Projekte, die auch wegen Corona erst einmal auf Eis gelegt wurden.“

Ruben Heuer (16)

Ruben Heuer aus Hagen.
Ruben Heuer aus Hagen. © HO | HO


Ruben geht in die zehnte Klasse der Hildegardis-Schule. Auch er ist der FFF-Bewegung treu geblieben, sein Engagement, sagt er, sei ebenfalls noch angewachsen. „Ich bin mit meinem Weg zufrieden und habe vor den fortzuführen.“


Persönliche Nachhaltigkeits-Ziele vor einem Jahr:


- Einen Veggie-Day pro Woche

„Ich ernähre mich mittlerweile deutlich fleischärmer als früher, meistens schaffe ich mehrere Tage in der Woche ohne Fleisch. Das war viel leichter als gedacht“, sagt einer, der eigentlich gern Fleisch isst. „Das ist ein tolles Genussmittel, aber der Konsum ist immer noch viel zu hoch.“


- Klamotten in nachhaltigen Läden kaufen

„Weniger zu kaufen, ist mir gut gelungen, aber es nachhaltig zu tun - davon bin ich leider weiter entfernt als gehofft.“ Woran liegt es? „Ich gehe zu gern shoppen.“ Ist das ein Problem? „Wir haben alle unsere Macken. Es ist also nicht so, dass ich mich deswegen abends in den Schlaf weine. Wenn jeder sein Bestes gibt, dann ist schon viel getan. Man kann nicht fehlerfrei sein, dessen muss man sich immer bewusst sein.“


- mehr Menschen für Umweltschutz begeistern

„Mit allem was man öffentlich tut, beeinflusst man andere Leute“, sagt Ruben und erfreut sich an den guten Wahlergebnissen der Grünen bei der Kommunalwahl. Das zeige, dass Klimaschutz den Menschen wichtiger werde.


Nachhaltigkeits-Ziele in der Schule:


- Nachhaltigen Caterer für die Mensa finden

„Unsere Schule hat tatsächlich einen guten neuen Caterer gefunden, der mit sich reden lässt und der auf Vorschläge eingeht. Da haben wir wirklich Glück gehabt“, sagt Ruben. Plastik sei zum Beispiel nach einem Hinweis durch Papier ersetzt worden.


- Ressourcen schonen durch Digitalisierung

„Allein schon durch das Homeschooling haben wir Fortschritte gemacht. Alle Lehrer sind mit Ipads ausgestattet worden, mit denen auch viel gearbeitet wird. Zudem sollen die Beamer benutzt wurden statt Papier. Ich finde, das ist ein Schritt in die richtige Richtung. Man kann ja nicht innerhalb eines Jahres das ganze Schulsystem umkrempeln.“


- Keine Strafen mehr für Demo-Teilnahmen

„Da hat sich die Schulleitung leider weniger offen gezeigt, als ich gehofft hatte“, sagt Ruben. „Die wenigsten Lehrer sind begeistert, wenn man ihren Unterricht für politisches Engagement verlässt.“