Hagen/Kreuztal.. Die Hundehändlerfamilie aus Kreuztal steht ab Freitag vor Gericht. Eine Tierschützerin erinnert sich an die Razzia: “Es hat furchtbar gestunken.“
Gut fünf Jahre nach der Razzia steht eine Hundehändlerfamilie aus Buschhütten ab Freitag, 29. April, vor Gericht. Wegen gewerbsmäßigen Betrugs beim Verkauf von Hundewelpen müssen sich sieben Angeklagte verantworten. Drei der Angeklagten werden außerdem Straftaten nach dem Tierschutzgesetz vorgeworfen.
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Die Angeklagten sollen im Zeitraum von 2010 bis 2015 in insgesamt 70 Fällen aus dem Ausland stammende Hundewelpen als aus deutscher Zucht stammend verkauft haben. Teilweise sollen die verkauften Hunde auch krank gewesen sein. Birgitt Thiesmann, aufgewachsen in Westfalen, kämpft bei der Tierschutzorganisation „Vier Pfoten“ gegen den illegalen Welpenhandel.
Wie wichtig war die Polizeiaktion für den Kampf gegen illegalen Welpenhandel?
Birgitt Thiesmann: Kreuztal ist ein echter Glücksfall. Die Polizei hat einen dicken Fisch an Land gezogen. Erstmals wurde in Deutschland eine polizeiliche Sonderkommission gebildet - die Ermittlungsgruppe „Chip“ der Hagener Polizei. Und bei der Strafverfolgung geht es nun nicht mehr nur um Verstöße gegen Tierschutzbestimmungen und Betrug, sondern erstmals offiziell um organisierte Bandenkriminalität.
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Wie sind die Ermittlungen ins Rollen gekommen?
Einer der Beteiligten - ein involvierter Welpenhändler - hat sich bei uns gemeldet. Der Mann ist ebenfalls angezeigt worden und will aussteigen. Er hat „Vier Pfoten“ und den Ermittlern die detaillierten Handels- und Verkaufswege sowie sämtliche Namen genannt. Uns lagen bis dahin schon viele Informationen vor. In Verbindung mit den internen Angaben des Whistleblowers und der engen Zusammenarbeit mit der Polizei konnte der seit Jahren agierende Ring nun endlich aufgedeckt werden.
Wie läuft der Welpenhandel ab?
Privatpersonen in Osteuropa halten in Garagen, Schuppen oder Kellern Hündinnen, die als Gebärmaschinen fungieren und nach drei, vier Jahren „entsorgt“ werden. Ein Zwischenhändler sammelt die meist viel zu jungen Welpen in den Vermehrungsstationen ein und bringt sie mit gefälschten oder gar keinen Papieren zu Händlern in Westeuropa. Die Hundebabys sind in der Regel ungeimpft und oft bereits todkrank. Die Händler bieten die Tiere unter falschen Angaben im Internet an, das dieses kriminelle Vorgehen erst möglich macht. Daher hat „Vier Pfoten“ die Kampagne „Tatort Internet“ gestartet.
Wo sitzt die Welpen-Mafia?
Überall auf der Welt. Tausende sind in diesem internationalen Netzwerk. Weil dicke Gewinne winken. Sogar Tierärzte, Zuchtvereine und korrupte Polizeibeamte im Ausland hoffen aufs schnelle Geld. Deutschland ist als großes Abnehmerland sehr wichtig.
Wie hoch ist der Gewinn?
Nehmen wir einen Chihuahua-Verkauf: Der deutsche Händler musste 186,20 Euro in Ungarn bezahlen. Für den Transport waren 50 Euro fällig. Verkauft hat er den Welpen für 1000 Euro. Macht einen Reingewinn von 763,80 Euro pro Hund. Bei 260 Tieren sind es schon 209 000 Euro. Die Geschäfte gehen meist an der Steuer vorbei.
Welche Rassen sind gefragt?
Modehunde. Im Moment kleinere Rassen wie Französische Bulldogge, Chihuahua, Mops und Malteser - und Familienhunde wie Labrador und Golden Retriever.
Wie ergeht es den Tieren?
Schlecht. In Deutschland schreibt das Gesetz vor, dass ein Welpe mindestens acht Wochen bei der Mutter bleiben muss. Die osteuropäischen Hunde verlassen oft schon nach 3, 4 Wochen die Vermehrungsstationen. In der Prägephase werden sie von der Mutter getrennt. Das hat oft lebenslange psychische Auffälligkeiten zur Folge.
Und wie sieht es körperlich aus?
Wegen der nicht artgerechten Haltung in Osteuropa sind viele Tiere krank. Sie leiden unter Parasiten, Zwingerhusten sowie Virusinfektionen, die häufig tödlich enden. Vor ihrer Abreise werden sie mit Antibiotika vollgepumpt, damit sie den Transport überstehen.
Die Händler aus Kreuztal sollen seit Jahrzehnten aktiv gewesen sein. Sollten sich die Vorwürfe bewahrheiten - wieso wurde ihnen nicht schon lange das Handwerk gelegt?
So etwas funktioniert nur, wenn Leute mitarbeiten. Tierärzte zum Beispiel, die Impfpässe besorgen. Wir dürfen auch nicht vergessen, dass dem Kreuztaler vor Jahren ein Tierhandelsverbot auferlegt wurde. Der Betrieb wurde unter dem Namen seiner Ehefrau weiter geführt. Trotzdem stellt sich die Frage, wie dem Veterinäramt diese Zustände scheinbar so lange verborgen bleiben konnten, zumal es viele Beschwerden gab. Allein „Vier Pfoten“ sind zahlreiche betrogene Käufer bekannt, die den Händler sogar angezeigt haben.
Hätten die Kunden nicht vorher etwas merken müssen?
Die Händler haben dazu gelernt. Noch vor Jahren konnte man beim ersten Blick auf Internet-Anzeigen erkennen, dass etwas faul ist. Wenn zum Beispiel extrem niedrige Preise verlangt, sämtliche Rassen auf einmal angeboten oder Texte in schlechtem Deutsch verfasst wurden. Heute sind Anzeigen so geschliffen formuliert („Welpen aus eigener Zucht“), dass man nicht sofort misstrauisch wird. Auch die gestiegenen Preise lassen oft auf einen seriösen Züchter schließen.
Sie haben die Durchsuchung in Kreuztal verfolgt. Welche Beobachtungen haben Sie gemacht?
Das Grundstück war total heruntergekommen und verdreckt. Es hat fürchterlich gestunken. Ich stand zentimetertief im Hundekot. Die völlig verwahrlosten Hunde hausten in Zwingern auf nacktem, feuchtem Beton. Auch tote Tiere befanden sich auf dem Grundstück. Solche Zustände kenne ich sonst nur aus Osteuropa. Ich frage mich: Wo war das Veterinäramt in der ganzen Zeit?