Dortmund. Wenn andere Konzerte schon enden, geht es bei Symphonic Floyd noch mal richtig los. Warum das Konzert in der Westfalenhalle geschenkte Zeit war.

Welches ist das beherrschende Gefühl nach mehr als drei Stunden, in denen massig Gefühle geweckt wurden, Eindrücke verdaut, Bilder verarbeitet werden mussten? Vielleicht ist es das unheimliche Geschenk, ein anderes Verständnis von Zeit erleben zu dürfen. Wenn um 22.30 Uhr – eine Zeit, zu der bei anderen Konzerten schon mit dem Bühnenabbau begonnen wird – Sänger und Bassist Milla Kapolke verkündet, dass jetzt nach dem 23-Minuten-Stück „Atom Heart Mother“ das 43-Minuten-Konzeptalbum „The Dark Side of the Moon“ kommt (am Stück, wohlgemerkt ), dann ist das Anti-Hektik, Luxus pur, mit Geld nicht aufzuwiegen. Aber das große, geradezu verschwenderische Geschenk von Symphonic Floyd in der Dortmunder Westfalenhalle.

Die Band Green – bestehend aus Musikern von Extrabreit und Grobschnitt – zaubert am Samstagabend mit den Hagener Philharmonikern unter Leitung von Dirigent Steffen Müller-Gabriel sowie dem Opern- und Kinderchor am Theater Hagen eine faszinierende Hommage an die legendäre Band Pink Floyd um Roger Waters und David Gilmour. Kein Cover-Band-Konzert, kein Peinlichkeits-Effekt, der schnell entstehen kann, wenn Rock- und Popsongs mit Klassik-Orchestern verkitscht werden. Die Besucher erleben vielmehr ein Gesamtkunstwerk, eine stimmige Interpretation der Pink-Floyd-Werke.

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Ein Gesamtkunstwerk, auf das die Besucher in der Westfalenhalle lange warten mussten. An dem Ort, an dem 1981 Pink Floyd gleich acht Mal hintereinander die legendären The-Wall-Konzerte gegeben hatte, hätte schon im Jahr 2020 Symphonic Floyd erneut stattfinden sollen. Nach der viel umjubelten Erstauflage ein Jahr zuvor und acht ausverkauften Konzerten im Theater Hagen. Doch dann kam die Corona-Pandemie, machte zwei Termine zunichte. Doch die Fans waren geduldig. „Es sind fast keine Karten zurückgegeben worden“, dankte Milla Kapolke, Sänger, Bassist und in dieser immensen Team-Leistung mit bis zu 120 Akteuren auf der Bühne die prägende Figur an diesem Abend.

Faszinierende Videoinstallationen

Vielleicht hat auch da geholfen, dass Pink-Floyd-Fans ohnehin ein anderes Zeitverständnis mitbringen angesichts des opulenten Werks der Band, das Zeit braucht. Die wird heute zwar auch andernorts gerne opulent verschwendet: TV-Shows am Samstag dauern stundenlang. Aber dann muss bitteschön immer schnell ein neuer vermeintlicher Höhepunkt kommen, schnelle Schnitte, bloß keine Langeweile.

Bei Symphonic Floyd ist das anders. Die Eindrücke sind auch hier überwältigend. Optisch, mit faszinierenden, farbenfrohen, teils psychedelischen Video-Installationen. Akustisch ohnehin. Aber hier wird sich Zeit genommen, dem Zuhörer auch Zeit gelassen, um sich reinzufinden. Trotz aller Opulenz, trotz des zeitweise so bombastischen Sounds: Die Stücke bauen sich auf, der ganze Abend baut sich auf.

Und wenn man mit dem legendären „Another Brick in the Wall“ in die Pause entlassen wird und gefühlt schon den Höhepunkt des Konzerts erlebt hat, dann ist doch eigentlich jetzt erst die Betriebstemperatur erreicht, um nach der Pause „Atom Heart Mother“ und „The Dark Side of the Moon“ zu erleben. Und zwar ohne wirklich zu merken, wie lang sie sind. Der Beifall danach: riesig. Stehend applaudiert das Westfalenhallen-Publikum. Natürlich darf dann bei den Zugaben „Wish you were here“ nicht fehlen. Ergreifend, emotional.

„Man vergisst alles Drumherum“

Ulrike Dickel und Thomas Kretzschmar aus Brilon haben am Samstag in der vierten Reihe das Konzert verfolgen können. Ganz nah an der Bühne. „Ich bin einfach begeistert. Diese raumfüllenden Klänge, man wird quasi eingehüllt von der Musik“, sagt Ulrike Dickel. „Die Zeit vergeht wie im Flug, man vergisst alles Drumherum.“ Und auch ihr Mann Thomas sagt: „Sehr detailverliebt. Ein großes Kunstwerk.“

Aber ist das Ganze aus der Zeit gefallen? Ein reiner Retro-Abend? Das Publikum ist sicherlich in großen Teilen mit Pink Floyd ergraut. Auch über 80-Jährige sind an diesem Abend dabei. Aber es überrascht dann doch, wie viele junge und sehr junge Leute dabei sind, Eltern mit ihre (erwachsenen) Kindern. Familienangelegenheiten, generationsübergreifend. Milla Kapolke entlässt das Publikum mit der Hoffnung, dass sich ja doch vielleicht die Gelegenheit ergibt, das Konzert zu wiederholen. Das Potenzial ist da.