Hagen/Dortmund. 120 Akteure bringen eine ungewöhnliche Hommage an Pink Floyd in die Dortmunder Westfalenhalle. Warum Symphonic Floyd ein Lieblingsprojekt ist.
Fremde Töne schweben durch das Theater Hagen. Musik, wie aus den Sternen gefallen. „Shine On You Crazy Diamond.“ Wo kommt das nur her? Jetzt sind auf der Bühne die Musiker zu sehen. Sie stehen um einen Tisch und streichen mit nassen Fingern über die Ränder von Weingläsern, die unterschiedlich hoch mit Wasser gefüllt sind. So entsteht eine ätherische Harmonie, der Sound einer Glasharfe. Betörend. Experimentell. Außerirdisch. Willkommen bei Symphonic Floyd, dem ungewöhnlichen Pink-Floyd-Projekt der Band Green, der Hagener Philharmoniker sowie Opern- und Kinderchor am Theater Hagen. Am 7. Mai wird die Hommage an die britische Rockband in der Dortmunder Westfalenhalle gespielt. Wir durften in Hagen in die Generalprobe.
Sänger Milla Kapolke geht auf der Bühne mit seinem E-Bass zu Bubi Hönig an der E-Gitarre und lächelt. Das kommt aus tiefstem Herzen, es beschreibt die Freude über die wundersam raumgreifenden Klänge, die bis zum Himmel zu reichen scheinen. „Es geht weiter“, sagt Kapolke in der Pause glücklich. Endlich. 2019 waren „Green“ und das Philharmonische Orchester Hagen mit Symphonic Floyd in der Dortmunder Westfalenhalle. Ausverkauft. Vorher gab es acht ebenfalls ausverkaufte Konzerte im Theater Hagen. Die Fans wollten mehr, viel mehr. Doch Corona bremste die Neuauflagen 2020 und 2021 aus. Jetzt fiebern die Akteure dem Konzert am 7. Mai entgegen, das keine reine Wiederholung ist, sondern neue Arrangements integriert. Das Gerüst bilden die Alben „The Wall“ und „The Dark Side oft the Moon“. Die Songs wirken erschütternd aktuell, erzählen sie doch vom Krieg, von einer Welt, die aus den Fugen gerät und von Protagonisten, die daran zerbrechen.
Rolf Möller ist nicht der Typ für Lampenfieber
Schlagzeuger Rolf Möller rollt mit den Schultern und lockert die Gelenke. Er ist zusammen mit Dirigent Steffen Müller-Gabriel das rhythmische Herz von Symphonic Floyd, und er muss in den dreieinhalb Stunden viel Kondition beweisen. „Die Freude steigt. Ich bin ja eher nicht der Typ für Lampenfieber, sondern rufe lieber: Lasst mich aus dem Käfig in die Arena. Jetzt geht es los. Dieser Austausch von positiver Energie in so einem Raum elektrisiert uns und das Publikum.“
„Atom Heart Mother“ bildet das Zentrum des Programms. Mit knapp einer halben Stunde handelt es sich um die längste Komposition von Pink Floyd überhaupt. Live ist sie äußerst selten zu hören, unter anderem, weil ein Chor gebraucht wird. Der Klang mutet sakral an und baut sich langsam auf. Dann setzen die Frauenstimmen mit Vokalisen ein, großartig! Jetzt kommen die Männerstimmen dazu, das Schlagzeug legt los, der Klang schwillt an, und über allem schwebt der Chor. „Das ist sauschwer“, sagt Wolfgang Müller-Salow, Chordirektor am Theater Hagen, stolz. „Sprechen, singen, rezitieren, das alles haben wir richtig geübt.“
Atom Heart Mother mit Chor
Auf der Bühne zersplittert der Klang gerade in tausend scharfe Scherben und setzt sich in einsamen Klavierakkorden neu zusammen. Die Anschlüsse gefallen Keyboarder Deva Tattva noch nicht. „Ich brauche das Tempo“ ruft er zu Rolf Möller und Steffen Müller-Gabriel. Die Stelle wird wiederholt. Jetzt ist Deva Tattva zufrieden, und die Band applaudiert dem Chor.
„Green“ ist eine Hagener Allstar-Band. Hier spielen die berühmten Hagener Musiker schon seit ihrer Jugend zum Vergnügen zusammen. Milla Kapolke war viele Jahre bei „Grobschnitt“, ebenso wie Deva Tattva. Rolf Möller ist der Taktgeber von Extrabreit, deren Sound Bubi Hönig an der Gitarre prägt. Multiinstrumentalist Michi Rolke liefert die schönsten Saxophon-Melodien. „Green“ versteht sich als Familiensache. Mudita Kapolke steuert Percussion und Background-Gesang dabei, Sohn Manu Kapolke zaubert unter anderem auf Akustikgitarre und Ukulele, Tochter Vanessa Möller steht als Geigerin mit auf der Bühne. Die innovativen Rocker aus den 1970er Jahren haben inzwischen graue Haare, aber kein bisschen Feuer verloren. „Auf zwölf Enkel hat es die Band zusammen schon gebracht“, listet Bubi Hönig auf. Sechs davon steuert er selbst bei.
Die Emotionen halten alle zusammen
Steffen Müller-Gabriel, 1. Kapellmeister am Theater Hagen, braucht Stehvermögen, um die knapp vier Stunden Symphonic Floyd zu dirigieren. „Das merkt man aber erst am nächsten Tag, im Konzert reißt es einen mit“, weiß er. Müller-Gabriel muss 120 Akteure im Takt halten. „Über die Emotion, die jedes Stück hat, findet man zusammen“, erläutert er. „Wenn man dann den Punkt kriegt, dass man gemeinsam atmet, bricht das nicht auseinander. Rolf und ich, wir müssen eine symbiotische Gemeinschaft eingehen. Wenn ich mich mit dem Taktgeber gut abstimme, kann ich das gut auf das Orchester übertragen.“
Die Pink-Floyd-Hits hat Andres Reukauf für Orchester arrangiert. Entstanden ist ein raffiniertes Klanggewebe, das die Ohren mit besonderen Effekten kitzelt, kleinen, wirkungsvollen, überraschenden Soli im Orchester, Slide-Gitarre, Akkordeon, Ukulele, Weckerticken. Und immer wieder das liebliche Geläute der Glocken. Wie heißt es in „Fat Old Sun”: “The silver sound from a time so strange. Sing to me. Sing to me.” Die silberne Melodie einer merkwürdigen Zeit: Sing für mich.