Hagen. Instagram, Google und Facebook stehen bei der Ausbildung zum Kaufmann im E-Commerce auf dem Stundenplan. Experte: Chance für den Einzelhandel.

Melanie Völker betritt Neuland. Die 23-Jährige lernt einen Beruf, den es noch gar nicht gibt. Am 1. August erst haben deutschlandweit rund 1000 Auszubildende damit begonnen, sich auf den 4.0-Handel vorzubereiten. Kaufmann bzw. Kauffrau im E-Commerce wollen sie werden.

Und Melanie Völker ist eine von ihnen. „Ich finde das sehr spannend“, sagt sie. Das Neue sowieso. Aber vor allem die Verbindung: „Auf der einen Seite die digitale Welt und auf der anderen der Kontakt mit den Kunden.“ Das ist ihr wichtig: „Ich sitze nicht nur am Rechner, sondern telefoniere viel mit Menschen, bin auch auf Messen und treffe Lieferanten.“ Das weiß sie, weil sie schon ein Jahr vor Beginn der Ausbildung im Betrieb gejobbt hat, nach einem abgebrochenen Geografie-Studium.

Ausbildung im E-Commerce ist "eine Chance für den Einzelhandel"

Nun ist Melanie aber nicht bei einem traditionellen Einzelhändler gelandet. Die Hagener Agentur „H.K.S. 7“ ist tätig auf dem Feld der grünen Werbung, vertreibt Werbeartikel im ökologischen Bereich (Jute statt Plastik, Kugelschreiber aus Recycling-Material, Bleistifte mit Samenkapsel zum Einpflanzen nach Benutzung), unterhält zwei Online-Shops, baut Marken und Produkte auf und berät Händler.

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Geschäftsführer Matthias Sowa, Melanies Chef, das Foto zeigt die beiden zusammen, ist als Händler und Berater aus gutem Grund als einer der ersten Ausbilder mit dabei: „Ich sehe in dem neuen Berufsbild eine Chance für den kränkelnden Einzelhandel“, sagt er. „So kann man neue Ideen in die Branche tragen. Wir sehen da gute Chancen.“ Entscheidend sei die Verbindung von online und stationärem Handel.

Experte: "Händler brauchen den neuen Beruf"

Der Handelsverband Deutschland (HDE) hat sich schon länger für die E-Commerce-Fachleute eingesetzt: „Die Händler brauchen den neuen Beruf“, so HDE-Geschäftsführer Stefan Genth. Angesichts der wachsenden Umsätze im Online-Handel sei die Anpassung des Ausbildungsangebots notwendig. Auch aus Gründen der Nachwuchsgewinnung: „Der E-Commerce-Kaufmann macht den Handel für die Generation der Digital Natives attraktiv“, betont Genth.

Den künftigen Job beschreibt Peter Frese, Fachbereichsleiter bei der Südwestfälischen Industrie- und Handelskammer zu Hagen (SIHK): „Neben den üblichen kaufmännischen Kenntnissen gehört es zu den Aufgaben, Strategien und den Vertrieb über die unterschiedlichen digitalen Kanäle zu bewerben und zu organisieren.“

Instagram, Google und Facebook müssen gescannt werden

Für Melanie Völker heißt das: Sie betreut die Produktdatenbank, kümmert sich um Google-Kampagnen, um Instagram und Facebook, scannt den Markt nach Neuigkeiten. Natürlich nicht allein. „H.K.S. 7“ beschäftigt elf Mitarbeiter. Und auch bislang gilt, so Sowa: „Wir haben keine Außendienstler. Für uns ist Google entscheidend. Da muss man uns finden. Oder unsere Kunden.“

Aktuell gibt es da einen Kunden in Bingen. Der plant eine Großgastronomie, eine Art „Sansibar“ am Rhein, mit eigener Marke, Shop, Vertriebskanälen. Eine eigene Weinmarke hat die Agentur schon im Angebot: „Mit ,Großstadthelden’ wollten wir zeigen, wie man eine Biomarke aufbaut, die nicht langweilig ist und die eine junge Zielgruppe anspricht.“

Junge Zielgruppe mag es bequem und flexibel

Die junge Zielgruppe langweilt sich halt nicht gern. Und sie hat es gern bequem. Und flexibel. Melanie Völker meint: „Wenn man sich online informiert, sollte man auch die Möglichkeit haben, das Produkt in einem Laden in der Nähe abzuholen.“ Und auf sich selbst bezogen: „Es ist aufregend, in ein neues Berufsfeld zu kommen, wo es keine Erfahrungsberichte von anderen gibt. Es ist schön, zu den Ersten zu gehören.“ Und sie dürfte gerne noch länger dabei bleiben, meint ihr Chef: „Wir wollen die Leute behalten, die wir ausbilden.“

Sieht der Experte denn nun in der Hinwendung zum Digitalen, in der Vernetzung und in neuen Technologien die Rettung für den bedrohten stationären Einzelhandel? Matthias Sowa betrachtet das zumindest als notwendige Strategie. Neue Ideen seien eine Voraussetzung fürs Überleben. Aber er ist nicht davon überzeugt, dass der Online-Handel die größte Bedrohung für traditionelle Geschäfte ist: „Das größere Problem ist die Auslagerung des Angebots auf die grüne Wiese gewesen und die Verödung der Innenstädte. Dazu kommen Schwierigkeiten mit der Servicequalität.“

Und wie ist er zum E-Commerce-Ausbilder geworden? „Die SIHK hat uns angesprochen. Und das passte. Auch der Beruf der Werbekauffrau verändert sich ja.“ Die werdende E-Commerce-Kauffrau jedenfalls ist sich sicher: „Die neue Ausbildung war überfällig. Das musste langsam mal sein. Das ist wirklich eine Zukunftssache.“

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