Pyeongchang/Winterberg. . Für Annika Drazek, Bobanschieberin des BSC Winterberg endet Olympia mit einem Drama. Verletzt, auf Rang vier – und verdrängt von der Kollegin.

Sie weinte. Und weinte. Die Tränen wollten gar nicht aufhören, über ihre Wangen zu rollen. „Jemand hat mal gesagt, die Hoffnung stirbt zuletzt – und ich habe da oben gestanden und habe bis zuletzt gehofft“, sagte Annika Drazek mit immer wieder stockender Stimme.

Pilotin Stephanie Schneider und Anschieberin Annika Drazek starteten gehandicapt.
Pilotin Stephanie Schneider und Anschieberin Annika Drazek starteten gehandicapt.

Allerdings: Es war ein emotionaler Zwiespalt, in dem sich die 22-jährige Bobanschieberin des BSC Winterberg in der so genannten Leaderbox während des vierten Laufes des olympischen Wettbewerbs im Frauenbob befand. Einerseits belegten sie und ihre Pilotin Stephanie Schneider den dritten Platz und hatten zu diesem Zeitpunkt die so ersehnte Olympia-Medaille. Andererseits standen mit Pilotin Mariama Jamanka und Anschieberin Lisa Buckwitz als letzter Bob des Rennens ihre Teamkolleginnen oben am Start.

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Eine Bronzemedaille für Schneider/Drazek und nichts für Jamanka/Buckwitz oder eine Medaille für Jamanka/Buckwitz und Blech für Schneider/Drazek – das waren die Alternativen. Es war ein Drama. Eines, welches mit der sensationellen Goldmedaille für Jamanka/Buckwitz endete – und mit dem undankbaren vierten Platz für Schneider/Drazek.

Olympia-Aus drohte mehrfach

„Acht Hundertstel?“, fragte Drazek später rhetorisch. Sie wusste genau, dass ihr Abstand zur Kanadierin Kaillie Humphries auf Rang drei lediglich acht Hundertstel betrug. „Acht Hundertstel“, wiederholte sie, „man kann gar nicht beschreiben, wie wenig das ist.“ Es ist ein Wimpernschlag vielleicht.

Heiner Preute: „Das ist Pech. Und sch...“

„Was Steffi und Annika hier geleistet haben, kann sich kein Außenstehender vorstellen. Mental war das genauso stark wie der Olympiasieg von Mariama, nur mit dem bitterem Ausgang mit Platz vier“, sagte Chef-Bundestrainer René Spies mitfühlend.

„Dann hätten wir zwei deutsche Medaillen“

Das Lob von Bundestrainer René Spies tröstete Annika Drazek kaum. „Heute und in den nächsten Tagen hilft es mir nicht“, sagte sie. „Im Training und in der Saison haben wir gesehen, dass die deutschen Bobfrauen um die Medaillen mitsprechen können. Deshalb ist es so bitter“, erklärte sie. Dem schloss sich auch Jens Morgenstern, Vorsitzender des BSC Winterberg an: „Wenn beide fit gewesen wären, hätten wir jetzt zwei deutsche Medaillen.“

Als vermeintliches bestes deutsches Duo waren Schneider/Drazek nach Südkorea gereist. Doch wenige Tage vor den Rennen nahm das Drama seinen Lauf: Drazek knickte im Training beim Hürdensprint um und erlitt eine Sprunggelenksverletzung. Ihr Start? Bis zuletzt fraglich. Nach dem ersten Lauf überlegte Spies sogar, sie auszutauschen. Doch gemeinsam entschieden sie sich anders.

„Sie achtet auf ihren Körper und kennt ihn genau. Wenn sie im Training nur eine kleine Spannung spürt, sagt sie das. Dann können wir das Training anpassen, und deshalb hatte sie nie Probleme“, haderte in Drazeks Heimat Gladbeck ihr Trainer Heiner Preute und sagte: „Gegen eine Grippe und ein Umknicken hilft das aber nichts. Das ist Pech. Und einfach scheiße.“

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Auch Schneider wurde noch am Mittwoch von muskulären Problemen im Rücken geplagt. Die sonst so herausragenden Startzeiten des Duos waren daher nur noch Durchschnitt – und Schneiders Fahrten zu fehlerhaft, um dies auszugleichen. „Das war etwas, wofür wir die letzten vier Jahre hart trainiert haben“, sagte Drazek, noch immer in Tränen aufgelöst: „Und wir hatten uns eine Medaille erhofft, wir haben das von uns erwartet. Sonst würde ich jetzt nicht hier stehen und weinen.“

Eine Herzensangelegenheit

Einerseits. Andererseits mischten sich auch Freudentränen in das Tränenmeer. Denn: „Ich gönne es Mariama von ganzem Herzen“, schluchzte sie in Richtung der Pilotin, mit der sie unter anderem 2017 Europameisterin geworden war – und die in Pyeongchang Drazeks letzte Medaillenhoffnung doch sterben ließ.