Winterberg. . Bob-Vize Winfried Stork spricht vor dem Auftakt der Olympia-Rennen über den Vertrag des Cheftrainers, Medaillen und einen Leichtathletik-Star.
Keine Medaille. Zum ersten Mal seit 50 Jahren. Das historische Debakel der deutschen Bobs bei den Olympischen Winterspielen in Sotschi vor vier Jahren sorgte für ein Beben innerhalb des zuvor erfolgsverwöhnten Bob- und Schlittenverbandes für Deutschland (BSD). Am Sonntag starten die Bob-Wettkämpfe in Pyeongchang mit den ersten beiden Läufen im Zweier der Herren. Wir sprachen auch darüber mit Winfried Stork, dem aus Meschede stammenden Vizepräsidenten des BSD, der zudem Präsident des Nordrhein-Westfälischen Bob- und Schlitten Sportverbandes ist.
René Spies: „Das werden die härtesten Rennen“
„Das werden die härtesten Rennen, die es jemals bei Olympia gegeben hat. Da rollt etwas auf uns zu“, sagte Bob-Cheftrainer René Spies in Südkorea erneut. Die schwere Bahn habe mit den Kurven zwei und neun „zwei Scharfrichter“. Zudem sei die Weltspitze im Bobsport extrem eng zusammen.
Herr Stork, am Sonntag beginnen die Bobwettkämpfe in Südkorea. Droht eine Wiederholung des Debakels von Sotschi?
Winfried Stork: Kurz und knapp: Nein! Zum einen ist die Athletik der Sportler gut, zum anderen scheinen die Schlitten gut zu laufen. Anders als in Sotschi gehen unsere Athleten mit einem ehrlichen großen Selbstbewusstsein an den Start. Na klar, wir müssen abwarten, es sind je vier Läufe zu absolvieren, aber bei den Herren sind im Zweier und im Vierer Medaillen drin – und bei den Damen ist auch eine möglich.
In den zwei zurückliegenden Weltcup-Saisons wurden Bobs der Marken FES und Wallner gegeneinander getestet – erfolgreich offenbar. Die Entscheidung hat sich gelohnt, obwohl sie ein finanzieller Kraftakt für den BSD war, oder?
Das war ein finanzieller Kraftakt, keine Frage. Aber es war genau die richtige Entscheidung, die im allerletzten Moment getroffen worden ist. Ich schätze die Arbeit der FES sehr, sie arbeitet jetzt wieder sehr, sehr gut, aber sie hat wohl ein bisschen Druck gebraucht. (lacht)
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Nach den Olympischen Spielen endet der Vertrag des aus Winterberg stammenden Bob-Chefbundestrainer René Spies.
Ich weiß gar nicht, ob der Vertrag ausläuft, weil ich mich aus diesem Thema heraushalte. (lächelt) Aber ich sehe keinen Grund, warum er nicht verlängert werden sollte. Zum einen gehe ich von Erfolgen in Pyeongchang aus und zum anderen gibt es keinen besseren Cheftrainer im Bereich Bob als René.
Der NWBSV ist mit sechs Athleten in Südkorea vertreten. Wie stolz macht Sie das?
Das macht mich sehr stolz.
Sind sechs Athleten nicht eigentlich etwas wenig?
Für uns sind sechs sehr, sehr viel. Besonders der eigene Damenbob mit Anna Köhler und Erline Nolte ist unheimlich wichtig für uns. Dass wir mit Jacqueline Lölling im Skeleton eine Gold-Kandidatin stellen, ist super. Wir haben zudem seit Jahren zum ersten Mal wieder sechs Sportler bei Olympischen Spielen – die Entwicklung passt. Sie muss aber so weitergehen und noch besser werden.
Einzig im Rennrodeln fehlen in Pyeongchang NWBSV-Athleten.
Das stimmt leider. Wir stellen zwar mit Robin Geueke/David Gamm das drittbeste Doppel weltweit, aber sie haben das Pech, dass die zwei besten auch aus Deutschland kommen und es bei Olympia nur zwei Plätze gibt. Aber: Für Peking 2022 sieht es im Rennrodeln auch gut aus.
Weil es Talente gibt, die einer Natalie Geisenberger oder Dajana Eitberger Druck machen können?
Wir haben Talente, die ein Wörtchen mitreden können. Voraussetzung ist, dass sich die Entwicklungen so fortsetzen und dass sie von Verletzungen verschont bleiben.
Stephanie Schneider und Annika Drazek während eines Trainingslaufes in Südkorea.
Foto:
Ryan Pierse/Getty
Ist für Sie als Präsident des NWBSV eigentlich der Vergleich unter den Landesverbänden im Kufensport wichtiger oder der Kampf um Anerkennung unter anderen Sportverbänden in NRW?
Der wichtigste Punkt ist, dass wir als Bob- und Schlittenverband für Deutschland bei Olympia erfolgreich sind. Wir haben als einziges Land der Welt vier Bahnen, die ja auch unterhalten werden müssen. Deshalb müssen Erfolge untermauern, dass jede dieser vier Bahnen notwendig ist. Die Konkurrenz der Bahnen untereinander war früher stärker. Mittlerweile herrscht Solidarität, weil alle erkannt haben, dass wir nur gemeinsam auf hohem Niveau erfolgreich sind.
Trotzdem zählen Sie ab und an, wie viele Kaderathleten wer hat, oder?
(grinst) Dass man immer mal wieder auf die Anzahl der Kaderathleten schaut, ist doch klar. Deshalb sind Medaillen auch so wichtig. Eine oder zwei in Pyeongchang zu holen, würde uns das Leben schon erleichtern.
Sind aus NRW-Kufen-Sicht nicht noch vier Medaillen möglich?
Christopher Weber schiebt im Lochner-Zweier und -Vierer. Annika Drazek kann als Anschieberin mit Stephanie Schneider eine holen – und ja, im Skeleton ist eine Medaille durch Jacqueline Lölling jetzt fast Pflicht. Vier sind möglich, aber wir wären auch mit einer oder zwei zufrieden.
Annika Drazek in Pyeongchang: Sie ist das Musterbeispiel für eine Quereinsteigerin aus der Leichtathletik.
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Dan Istitene/Getty
Ein Wort zu Annika Drazek: Sie hat als Quereinsteigerin aus der Leichtathletik eine Bilderbuchkarriere hingelegt, oder?
Annika Drazek ist die vielleicht weltbeste Anschieberin – und das beste Beispiel dafür, dass wir unsere gute Zusammenarbeit mit der Leichtathletik weiter intensivieren müssen. Das war immer mein Wunsch und er ist es weiterhin.
Führen Sie dahingehend Gespräche mit Leichtathletik-Kollegen?
Na klar, und sie fallen auf fruchtbaren Boden. Wir wollen ja nicht an Top-Athletinnen wie eine Gina Lückenkemper oder eine Tatjana Pinto herangehen – die sollen im Sommer Medaillen für die Leichtathleten holen. Aber es gibt viele Athleten, die gerne bei Olympia starten würden, es aber als Leichtathlet nicht schaffen. Für uns können sie Gold wert sein – siehe Annika Drazek. Generell müsste in mehr Sportarten eine horizontale Zusammenarbeit stattfinden. Daraus ergäben sich Effekte, die den deutschen Sport sehr weit bringen würden.
Aber Sie stützen Ihr Nachwuchskonzept nicht nur auf Quereinsteiger aus der Leichtathletik.
Meine Überlegung ist außerdem, viel intensiver in den Sportunterricht zu gehen als wir es bereits tun. Dadurch können wir noch schneller auf Talente zugreifen und die erfolgreiche Arbeit der vergangenen Jahre am Stützpunkt fortführen.