Winterberg. . Natalie Geisenberger zählt beim Weltcup in Winterberg zu den Favoriten. Warum sie sich das Ziel Olympia-Gold nicht setzt. Ein Interview.
Wer Natalie Geisenberger und Tatjana Hüfner während des Trainings für den Rennrodel-Weltcup in Winterberg am Wochenende beobachtet, der sieht es: Beste Freundinnen werden diese Top-Stars der deutschen Damenmannschaft wohl nicht mehr. Die Eiszeit zwischen den beiden Olympiasiegerinnen ist allerdings ebenfalls längst graue Vergangenheit. Die Sehnsucht nach Erfolg eint Geisenberger und Hüfner. In unserem Interview spricht Geisenberger zudem über Winterberg und die Olympia-Bahn in Pyeongchang.
Frau Geisenberger, Sie hatten in der Vergangenheit nicht immer die beste Beziehung zur Bahn in Winterberg. Wie ist nach dem Training aktuell Ihr Eindruck?
Natalie Geisenberger: Wir kommen ja gerade aus Innsbruck – und die Bahn stand sehr, sehr schlecht. Deswegen kann eigentlich alles nur besser sein. (lacht) Im Ernst: Die Bahn steht gut. Zwischen den Kurven 13 und 14 ist noch ein brutaler Schlag, der muss noch weg. Aber so lange es nur so kleine Baustellen sind, habe ich nichts zu meckern. (lacht)
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Und wie beschreiben Sie den aktuellen Beziehungsstand zwischen Ihnen und Winterberg?
Winterberg ist ja eigentlich die Bahn, bei der ich sage: Da will ich nicht so gerne hin. Das hängt aber damit zusammen, dass ich hier in der Jugend so oft gestürzt bin und mir dabei auch ziemlich weh getan habe. Das sind eben ungute Erinnerungen. In den vergangenen Jahren lief es für mich hier aber sehr, sehr gut. Im Weltcup war ich eigentlich immer vorne dabei. Mittlerweile komme ich deshalb sehr gerne nach Winterberg und fahre hier. Das Trauma aus der Jugend ist langsam überwunden.
Sie sind mit einem Sieg in die Weltcup-Saison gestartet. Ist diese Platzierung eine Art Fingerzeig für die olympische Saison?
Von der Platzierung war Innsbruck sehr gut, aber fahrerisch muss ich noch zulegen. Der erste Weltcup ist zwar immer ein Gradmesser und ich weiß, dass ich auch im internationalen Vergleich gut dastehe. Das heißt aber nicht, dass ich jetzt jeden Weltcup gewinnen werde. Für das Selbstvertrauen ist es aber immer sehr hilfreich, mit einem Sieg in die Saison zu starten.
Wie wichtig sind die Weltcups in einer Saison, deren Höhepunkt die Olympischen Spiele im Februar in Pyeongchang sind?
Es ist schon so, dass der ganze Aufbau des Trainings oder der Saison auf den Februar ausgelegt ist. Es ist aus meiner Sicht auch nicht möglich, eine Form Anfang November zu haben und sie bis Februar zu konservieren. Das geht nicht. Deswegen muss man sich entscheiden, aber das läuft ja bei allen so.
Sie haben also trotz des Sieges in Innsbruck noch Reserven?
Ich hoffe, dass da noch kleine Reserven sind. (grinst) Auf der einen Seite ist es im Hinterkopf, dieses Pyeongchang. Auf der anderen Seite fahren wir jetzt in Winterberg und es hilft mir nichts, wenn ich gedanklich in Korea bin. Man muss sich von Woche zu Woche auf die jeweilige Bahn einstellen. Außerdem: Ich bin Rennfahrer, ich will Rennen fahren – und gewinnen. Ich konzentriere mich nicht die ganze Saison auf nur ein Rennen.
Bei den Herren hat die internationale Konkurrenz quasi gleichgezogen mit den einst übermächtigen Deutschen. Bei den Damen schaut es ein bisschen so aus, als führen Sie und Tatjana Hüfner weiterhin locker vorweg...
(Geisenberger unterbricht) Auf gar keinen Fall! Erstmal: Locker geht sowieso gar nichts. Wir müssen sehr viel für unsere Erfolge tun. Darüber hinaus hat man in den vergangenen Jahren gesehen, dass die eine Russin eine Siegfahrerin ist, dass die Kanadierin gewinnen kann und auch die Amerikanerinnen zwei richtig gute Mädels haben. Auch wir müssen im internationalen Vergleich schauen, dass wir nicht nachlassen.
Umso besser ist es, dass Sie und zum Beispiel Tatjana Hüfner sich im Training gegenseitig zu immer neuen Topzeiten puschen?
Es hilft ja nichts, oder? (lacht)
Wie ist es, eine so starke Konkurrentin im eigenen Team zu haben?
Ich habe ja nicht nur eine. Es fahren ja nicht nur die Tati und ich um die Wette. Dajana Eitberger, die in Innsbruck Zweite geworden ist, ist auch eine harte Konkurrentin. Es ist insgesamt eine Luxussituation, dass wir in Deutschland ein sehr starkes Frauenteam haben. Man weiß, wenn man national weit vorne ist, wird man es international auch einigermaßen sein. Das ist schon eine Luxussituation, aber...
Es gibt ein Aber?
Für die, die es geschafft haben, ist es gut. Es ist in Deutschland aber schon so, dass viele Mädels aufgehört haben, weil sie national hinten an waren. So gehen uns Talente verloren, die international immer noch top gewesen wären.
Was bleibt diesen Talenten – zu warten, bis Tatjana Hüfner oder Sie mal aufhören?
Nein! Genau das ist die falsche Einstellung aus meiner Sicht. Bei mir war es doch damals auch so. Ich musste mich auch durchsetzen und weiterentwickeln und weiter und weiter, bis es dann mal reichte, um an eine Tatjana Hüfner heranzukommen – und dann noch weiter, um vielleicht mal vorbei zu kommen. Einfach nur zu hoffen, die hören sicher in ein, zwei Jahren auf, das ist der falsche Weg, da entwickle ich mich nicht weiter.
Interne Konkurrenz: Natalie Geisenberger (re.) jubelt mit Tatjana Hüfner nach einem Sieg.
Foto: dpa
Wie schwierig ist es eigentlich, im eigenen Team Geheimnisse, zum Beispiel beim Material, zu wahren? Sie werden welche haben, Tatjana Hüfner, Dajana Eitberger...
Die wird jede haben. Aber ich bin mit Dajana ja auch auf einem Zimmer – und da reden wir nicht mehr über das Rodeln. Wenn die Zimmertür zu ist, wird über Handtaschen oder Cremes oder alles Mögliche geredet. Das Thema Rodeln muss irgendwann mal vorbei sein, man kann sich nicht den ganzen Tag im Kopf nur mit Rodeln beschäftigen. Ansonsten laufe ich halt nicht mit meinem Schlitten herum und hänge die Details ans schwarze Brett. Natürlich versuche ich schon, kleine Tricks für mich zu behalten. Aber...
Wieder ein Aber.
(schmunzelt) Vor Jahren haben Tatjana und ich mal den Schlitten getauscht. Sie ist mit meinem nichtmal ins Ziel gekommen, ich war mit ihrem ziemlich langsam. Es wäre vielleicht interessant zu wissen, was eine andere Frau für ein Material fährt, aber es würde mir nicht viel helfen. Alles ist so auf den jeweiligen Fahrer eingestellt, dass das ganze System passen muss und nicht nur einzelne Schräubchen.
Sie waren vor der Saison zur Trainingswoche auf der Olympiabahn in Pyeongchang. Liegt sie Ihnen?
Die Bahn. In Pyeongchang. Hat eine Kurve Neun. Und die ist sehr schwierig. (lacht) Was heißt sie liegt mir? Am Anfang hatten alle große Probleme dort. Sagen wir es so: Ich mag Herausforderungen, aber es gibt durchaus leichtere Bahnen.
Die Frage ist also nicht nur, ob Sie oder Tatjana Hüfner die Goldmedaille gewinnen?
Der Schnellste holt Gold, der Zweitschnellste Silber. (lacht)
Also sieht das Tableau am Ende wie folgt aus: Geisenberger vor Hüfner vor Eitberger.
Erfolg zu planen, geht nicht. Wir fahren jetzt die Qualifikation für die Olympischen Spiele und die drei Mädels, die sich qualifizieren, fahren nicht hin, damit das Flugzeug voll wird. Wir haben schon Erfolgsansprüche. Ob das aber wirklich die Goldmedaille sein muss, muss jeder für sich selbst beurteilen. Bei mir muss es nicht Gold sein. Das sage ich nicht nur, um Druck rauszunehmen, sondern weil es wirklich so ist. Ich kenne das Gefühl, ganz oben zu stehen, und ich weiß, was ich dafür getan habe und was an diesen zwei Tagen alles zusammengepasst hat. Man kann alles dafür tun, aber ob es für eine Medaille reicht, kann man nicht vorhersagen.