Hagen/Marsberg. . Am 28. Januar 814 starb Kaiser Karl der Große. Mit seiner Eroberung der Eresburg im heutigen Marsberg und der Hohensyburg bei Dortmund tritt Südwestfalen erstmals in die schriftlich überlieferte Geschichte ein.
Der Legende nach heißt das Sauerland eben Sauerland, weil es Karl dem Großen so sauer geworden sein soll, die Eresburg im heutigen Marsberg zu stürmen. Doch das ist nur ein Gerücht. Tatsächlich sind Südwestfalen und Carolus Magnus durch zwei historische Schlüsselereignisse miteinander verbunden: jene Eroberung der Eresburg 772 und die der Hohensyburg 775. „Das sind schon ganz herausgehobene Spuren, die Karl in unserer Region hinterlassen hat. Diese Daten markieren eine Zäsur“, erläutert der Archäologe und Hagener Stadtarchivar Dr. Ralf Blank. „Denn damit treten der Raum Hagen und das Sauerland in die schriftlich überlieferte Geschichte ein.“
Beide Burgen befinden sich auf hohen Felsplateaus, von beiden aus konnte man das umliegende Land weit beherrschen. Die Siege haben Karls Sachsenkriege erfolgreich gemacht. Darüber hinaus spielen sie eine Rolle für die Christianisierung Nordwestdeutschlands.
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Die Reichsannalen sind die einzigen schriftlichen Quellen, die über Karls Wirken in Südwestfalen Auskunft geben. Daneben versucht die Archäologie, die Vorgänge mit geradezu kriminalistischer Spurensuche zu entschlüsseln. Dr. Gabriele Isenberg, emeritierte Chefarchäologin des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe, hat in Obermarsberg gegraben und nachgewiesen, dass St. Peter und Paul aus dem 13. Jahrhundert tatsächlich auf den Fundamenten jener Peterskirche steht, die Karl 785 in der ehemaligen Sachsenfeste Eresburg errichten ließ. Papst Leo III. soll sie 799 auf seinem Weg nach Paderborn geweiht haben; ebenso wie im gleichen Jahr die Peterskirche auf der Hohensyburg.
Die Römer sind noch lange aktiv
„Das ganz große Schwert hat Karl in Südwestfalen nicht geschwungen“, so die Archäologin. Die Zielrichtung der Franken lag nördlich des Hellwegs, nicht südlich. Der Herrscher betrachtete Südwestfalen als Grenzmark, nicht als Feindesland. Die Region war zu dieser Zeit vermutlich längst mit christlichen Ideen in Berührung gekommen – durch den Handel. „Schon die Kelten wussten von den Bodenschätzen in Südwestfalen, Erze, Holz, Steine, Schiefer, Salz. Das weckte Begehrlichkeiten, auch vom Rhein aus. Der Reichtum der Region hatte zum Zeitpunkt der Sachsenfeldzüge bereits eine Situation geschaffen, die Karl nicht bekriegt hat. Die Römer waren hier sogar nach der Varus-Schlacht noch ökonomisch aktiv“, fasst Gabriele Isenberg zusammen.
Begehrlichkeiten vom Rhein
Dieser Reichtum an Bodenschätzen ist möglicherweise auch der Grund dafür, warum Hagen oder Soest keine Bischofssitze sind. Denn es ist doch auffällig, dass ausgerechnet Südwestfalen keine einzige Bischofsstadt hat. Die karolingischen Bistumsgründungen wie Bremen oder Verden folgen der strategischen Linie für die militärische Eroberung. „Paderborn ist ein Backstage-Bistum und Münster ist gar nichts; ich halte Münster für ein Eigenbistum Liudgers“, argumentiert Gabriele Isenberg, die in Welschen-Ennest aufgewachsen ist.
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Im Sauerland brauchte man keine Bischöfe zur Grenzsicherung. Noch wichtiger: „Der Kölner Bischof hat eisern seine Hand auf Südwestfalen gehalten: Ich will Bodenschätze.“ Die Karolinger selbst hatten ebenfalls Besitz in der Region. Entsprechend geht Gabriele Isenberg davon aus, dass Abt Sturmius von Fulda 779 nicht in missionarischer Funktion nach Marsberg geschickt wurde: „Der hatte einen militärischen Auftrag.“
Der spätere Kaiser wird über den Hellweg zur Hohensyburg gekommen sein, vermutet Ralf Blank. „Die frühere Sigiburg war einfacher zu belagern als die Eresburg. Karl wird nicht vom Ruhrtal angegriffen haben, sondern von Norden aus.“ Trotz der wenigen überlieferten Spuren haben sich diese Ereignisse tief ins regionale Bewusstsein eingeprägt. Der alte Königsweg von Hagen nach Iserlohn gilt zum Beispiel als Heerstraße, auf der schon Widukind geritten sein soll. Am Kaisberg in Hagen-Vorhalle soll bereits Varus gelagert haben, bevor er seine große Schlacht verlor. „Die Hohensyburg mit dem Kaisberg und anderen exponierten Plätzen in der Region bilden eine dichte Denkmallandschaft“, schildert Blank.
Bleibt zuletzt die Frage nach der Irminsul, jenem sächsischen Nationalheiligtum, das die Legende auf der Eresburg ansiedelt. „Die Formulierung in den Reichsannalen spricht nicht dafür, dass die Irminsul ortsidentisch ist mit der Eresburg“, resümiert Gabriele Isenberg. Eine Anekdote von der Marsberger Grabung bringt das spannungsreiche Verhältnis von heidnischen Sachsen und christlichen Franken auf den Punkt. „Der damalige Pfarrer sagte dem Team, dass er das mit Karl und der Zwangschristianisierung ja auch nicht so gut fände“, erinnert sich Gabriele Isenberg. „Das konterte der junge Grabungsassistent: ,Herr Pastor, das lassen Sie mal schön stecken, sonst wären Sie heute Oberpriester bei der Irminsul’.“