Bayreuth/Hagen. . Vier Mitglieder des Hagener Theaters wirken im Bayreuther „Lohengrin“ mit. Die Festspiele sind ein Bestentreffen der deutschen Bühnen vom Ankleider über die Musiker bis zu den Gesangs-Solisten. Die Zeit auf dem Grünen Hügel ist wie eine Fortbildung.
Gut 140 Rattenschwänze sind beim Bayreuther „Lohengrin“ fest in Hagener Hand. Denn zu den Aufgaben von Ankleider Andreas Werdin gehört es, sich um die Nager-Kostüme in der Inszenierung von Hans Neuenfels zu kümmern. Die Schwänze reißen gerne ab. Das ist kein Grund zur Sorge. Andreas Werdin ist glücklich auf dem Grünen Hügel. „Es ist eine unglaublich konzentrierte Arbeitsatmosphäre, eine tolle Erfahrung hier.“
Andreas Werdin ist aber nur einer von vier Mitgliedern des Theaters Hagen, die beim aktuellen Bayreuther „Lohengrin“ mitwirken. Wagners Werk lieben sie alle. Bass Rainer Zaun ist als 3. Edler so etwas wie die kabarettistische Oberratte. Solotrompeter Andreas Sichler sitzt im Festspielorchester, und der 1. Kapellmeister David Marlow ist Assistent von „Lohengrin“-Dirigent Andris Nelsons.
Roter Teppich in Bayreuth
Während Andreas Werdin seine erste Spielzeit im Festspielhaus erlebt, verbringt Andreas Sichler seit knapp einem Vierteljahrhundert die Sommerferien im viel beschriebenen „mystischen Abgrund“. Schon als Student wurde er nach Bayreuth eingeladen – unter Musikern gilt das als große Ehre. Sichler: „Es macht Spaß, auf einem solchen Niveau zu spielen, mit so bedeutenden Dirigenten und so fabelhaften Musikerkollegen. Ich habe eine Riesenehrfurcht vor dem Haus und dem Orchestergraben.“
"Die eigenen Vorbilder haben schon in der Garderobe gesessen"
Die Bayreuther Festspiele sind ein Sommertheater, und die Mannschaft kommt nicht aus dem luftleeren Raum. Es handelt sich um ein Bestentreffen der deutschen Bühnen. Ohne das deutsche Stadttheatersystem wäre ein Weltereignis wie Bayreuth tatsächlich nicht möglich. Das betrifft die internationalen Größen, die ja auch mal irgendwo angefangen haben. Johan Botha, gefeierter Tenor und Siegmund in der „Walküre“ zum Beispiel am Theater Hagen. Das betrifft Orchester und Chor, Maske, Werkstätten und Ankleidedienst. Und es betrifft natürlich die Besetzung der kleineren Solopartien.
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Bass Rainer Zaun ist in Hagen der Star, er singt alle großen Rollen seines Fachs. In Bayreuth steht er als 3. Edler im „Lohengrin“ auf der Bühne. Und er ist der Cover für den Biterolf im „Tannhäuser“. Denn auf dem Grünen Hügel gibt es für jeden Solisten einen Ersatzmann. Den kabarettreifen kleinen Auftritt der Edlen hat Rainer Zaun selbst kreiert. Von Altmeister Neuenfels kam nur die Vorgabe „rattig“. Also schmunzelt das Publikum herzhaft, wenn Zaun auf die Bühne kommt – denn, ja, bei Wagner darf gelacht werden.
„Bayreuth bedeutet mir insofern ganz viel, weil ich hier unter hochprofessionellen Bedingungen mit einem Team von Ausschließlichkönnern an einem Werk das bestmögliche Resultat herausholen kann“, schildert Zaun. „Dazu kommt der Aspekt der Historie: Dass man sich dessen bewusst ist, wer hier schon gesungen hat, wer schon die Steine angefasst hat, die Wagner persönlich bereits berührt hat. Die eigenen Vorbilder haben schon in der Garderobe gesessen“, betont Zaun: „An diesem Ort gehört man zu einer Liga wie dem Kader der Olympiaauswahl. Und man kommt ja nicht so leicht hierher, nicht jeder darf mitmachen. Das sagt schon etwas über einen aus.“
Begegnungen mit der Weltkunst fließen nach Hagen zurück
David Marlow, 1. Kapellmeister in Hagen, hat als Assistent von Andris Nelsons seit vier Jahren verantwortungsvolle Aufgaben. Er dirigiert die Bühnenmusiken. Und: Der Schalldeckel des Orchestergrabens ist eine Ursache der viel gerühmten Akustik.
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Nur den Maestros erschwert er die Arbeit; sie hören schlecht. Marlow sitzt daher im Parkett und notiert sich Anmerkungen zum Dirigat. „Deshalb gibt es das berühmte Telefon, mit dem man Kontakt mit dem Dirigenten hat. Zu Wagners Zeiten gab es dafür eine Klappe im Orchestergraben“, erzählt er. „Der Dirigent hat in Bayreuth die schlechteste Wahrnehmung vom Klang, gerade, was die Balance innerhalb des Orchesters oder mit den Sängern angeht.“ Für Marlow ist Bayreuth eine wichtige Lernerfahrung. „Es ist sehr, sehr spannend, weil hier so großartige Dirigenten und Sänger arbeiten und die Assistenten-Kollegen, da kann man sich viel abgucken.“
„Nach Bayreuth bin ich fit für Hagen“, schließt Andreas Sichler den Kreis. Denn die Begegnungen mit der Weltkunst fließen ins Heimathaus zurück. „Das ist für mich eine ideale Kombination: kleine Rollen in Bayreuth, große Rollen in Hagen“, resümiert Rainer Zaun. „Es ist Klasse, wenn man mit der Erfahrung von Bayreuth zurückkommt und sie daheim einbringen kann. Für mich ist Bayreuth eine trompeterische Fortbildung“, ergänzt Sichler. Andreas Werdin lobt: „In Bayreuth ist die Arbeit konzentriert, es gibt keinen Druck, weil hier nur Leute sind, die das gern machen. Aber was in Hagen an menschlichen Leistungen passiert, das ist unvergleichlich. Alle packen mit an, das gibt es an keinem anderen Haus. Es befruchtet sich, wenn man beides kennt.“