Lippstadt. . Jugendliche der Don-Bosco-Schule in Waldliesborn haben Modelle für einen Ort des nationalen Gedenkens an die NS-Euthanasie-Opfer erarbeitet - und damit beim Bundeswettbewerb gewonnen. Ein Projekt, das zeigt, wie wichtig Inklusion ist - aber auch wie schwierig.
Fünf Pappfiguren verbunden durch eine graue Schnur. Das Modell eines Denkmals für die 300.000 europäischen Euthanasie-Opfer, ermordet im zweiten Weltkrieg, weil sie körperlich oder geistig behindert waren. Was aber bedeutet die Schnur? Liam muss einen Moment überlegen, dann strahlt er, als es ihm wieder einfällt. Er sagt: „Dass die Menschen zusammenhalten müssen.“
Und wofür stehen die kleinen Hürden aus Karton, die zwischen den Figuren aufgebaut sind? Es will dem Jugendlichen einfach nicht mehr einfallen, obwohl er doch selbst an diesem Modell, an der Idee dafür mitgearbeitet hat. „Tore?“, sagt er etwas unsicher. Dann, als Schulleiter Wolfgang Janus ein bisschen hilft, erinnert sich Liam wieder: „Das sind die Hindernisse, über die die Menschen noch klettern müssen.“
150 Konkurrenten
Es ist nur eins von drei Modellen für einen nationalen Ort des Gedenkens an die Euthanasie-Opfer, mit denen Liam und seine zehn Mitschüler beim Wettbewerb „andersartig gedenken“ gewonnen haben. Die Klasse O1 der Don-Bosco-Schule in Bad Waldliesborn, Förderschule mit dem Schwerpunkt geistige Entwicklung, gehört zu insgesamt fünf Preisträgern, die am kommenden Dienstag von Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse in Berlin ausgezeichnet werden. Gegen annähernd 150 Konkurrenten haben sich die Förderschüler durchgesetzt.
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Mit diesem Modell für ein Denkmal, das nicht nur für Vergangenes steht, sondern auch die Situation dieser Jugendlichen beschreibt. Es sollen Hürden überwunden werden, dazu hat sich Deutschland mit Unterzeichnung der UN-Menschenrechtskonvention verpflichtet. Niemand soll mehr aufgrund seiner Verschiedenartigkeit ausgegrenzt werden - und das beinhaltet den Rechtsanspruch auf Inklusion, also auf einen gemeinsamen Unterricht von behinderten und nichtbehinderten Kindern, wie ihn die NRW-Landesregierung nun rasch umsetzen möchte.
Die Jugendlichen der Don-Bosco-Schule haben sich ein Jahr lang mit den Menschenrechten, mit dem Verbot der Diskriminierung auseinandergesetzt. Sie haben erfahren, wie grausam dagegen im Zweiten Weltkrieg verstoßen wurde. Ein ganzes Jahr hat man sich an der Schule dafür Zeit genommen, das Geschehen in einfacher Sprache zu erklären, Begriffe zu erarbeiten, das Gelernte zu wiederholen. „Mit jeder Frage taten sich Welten auf“, erklärt Wolfgang Janus. Vorn an der Tafel im Klassenzimmer hängt eine Zeitleiste, daneben kleben Fotos von den Schülern, von ihren Eltern und von ihren Großeltern, um den Jugendlichen überhaupt erst einmal zu verdeutlichen, wie lange der Zweite Weltkrieg vorbei ist. Man werde wohl noch ein weiteres Jahr benötigen, das Thema zu behandeln, sagt Schulleiter Wolfgang Janus.
Rückschritte ertragen
Und gibt dann zu bedenken, dass so viel Zeit an einer Regelschule gar nicht bleibe. Dass dort viel schneller vorangegangen werden müsse. „Man muss dort erst lernen, Rückschritte zu ertragen“, fügt er hinzu. Dafür allerdings sei der Leistungsgedanke an den Regelschulen einfach zu stark, so Wolfgang Janus.
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Ausdrücklich betont er, dass er einen gemeinsamen Unterricht befürwortet - vorausgesetzt, jeder Schüler werde wahrgenommen und wertgeschätzt. Das aber brauche seine Zeit, wie er an einem Beispiel verdeutlicht: Schon heute arbeitet Janus mit einem Gymnasium am Ort zusammen. Gemeinsam haben beide Schulen ein Schattentheater einstudiert: Die Gymnasiasten hatten die Sprechrollen, waren vorn auf der Bühne zu sehen. Die Förderschüler übernahmen das sprachlose Schattenspiel im Hintergrund. „Ich hätte mich gefreut, wenn man ertragen hätte, dass einer unserer Schüler vorn auf der Bühne steht und nicht immer aufs Stichwort das sagt, was man von ihm erwartet“, so Wolfgang Janus.
Mehr Austausch und Kooperation
Für ihn ein Beleg, dass Inklusion ein langwieriger Lernprozess ist. Dass man stärker zusammenarbeiten muss, Förderschulen mehr Handlungsspielräume brauchen, um sich noch mehr mit anderen Schulen auszutauschen, mit ihnen zu kooperieren.
Dass eben erst noch viele Hindernisse überwunden werden müssen, wie im Modell von Liam und seinen Mitschülern.