Hagen/Siegen. Eine Studie der Hans-Böckler-Stiftung weist nach, dass fast jeder vierte Berufstätige in der Region Südwestfalen auf 400-Euro-Basis beschäftigt ist. Frauen sind dabei stärker betroffen als Männer. Schuld ist unter anderem das unzureichende Angebot an Kinderbetreuung.

Den einen sind sie notwendiges Übel, anderen bieten sie zeitliche und finanzielle Flexibilität: Die Rede ist von Minijobs, einer sozialversicherungsfreien Beschäftigung auf 400-Euro-Basis. Aber Minijobs sind in Deutschland nicht gleich häufig verteilt. Vor allem in ländlichen Regionen Westdeutschlands sind sie weit verbreitet - „in manchen Gebieten werden vier von zehn Arbeitsplätzen an Frauen auf 400-Euro-Basis vergeben“ - so lautet das Fazit einer Studie der Hans-Böckler-Stiftung, des Forschungsinstituts des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) in Düsseldorf.

Die Region Südwestfalen liegt den Angaben zufolge bundesweit zwar nicht in der Spitzengruppe, wohl aber im oberen Drittel. Delmenhorst führt mit über 34 Prozent Minijobs vor den Landkreisen Trier-Saarburg (41,1 Prozent allein bei den Frauen), Bad Bentheim, Heinsberg, Kusel, Ahrweiler, Dachau und Plön mit je mehr als 30 Prozent insgesamt. Der Hochsauerlandkreis liegt mit 26,5 Prozent (36,5 Prozent Frauen, 17,3 Prozent Männer) nicht weit dahinter.

Es folgen südwestfalenweit der Kreis Soest mit 24,7 Prozent (33,5/16,4), der Kreis Olpe mit 24,2 Prozent (35,5/14,9), der Kreis Siegen-Wittgenstein mit 23,7 Prozent (33,7/15,2), der Ennepe-Ruhr Kreis mit 22,5 Prozent (30,6/15,3), die Stadt Hagen mit 22,3 Prozent (27,9/16,9) und der Märkische Kreis mit 22,1 Prozent (31,3/14,2). Schlusslicht der Liste ist die durch den Volkswagen-Konzern als Arbeitgeber bekannte Stadt Wolfsburg mit 8,3 Prozent, davon 17,2 Prozent Frauen und nur 3,9 Prozent Männer.

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„Westdeutsches Phänomen“

Aber was ist der Grund für die Häufung von Mini-Jobs in Südwestfalen, besonders im Hochsauerlandkreis und im Kreis Olpe, wo knapp jeder vierte (Bundes-Schnitt: jeder fünfte) Berufstätige auf 400-Euro-Basis-beschäftigt und ein Drittel aller berufstätigen Frauen? Für den Autor der Studie, Dr. Alexander Herzog-Stein, sind Minijobs, „ein typisch westdeutsches Phänomen“, besonders in ländlichen Kreisen stark vertreten. Gerade hier pflegten Paare „eine traditionelle Arbeitsteilung“ - der Mann verdiene das Geld, die Frau kümmere sich um die Familienarbeit und steuere „allenfalls einen Zuverdienst bei.“ Und auf dem Land seien Familie und Beruf wegen des unzureichenden Angebots an Kinderbetreuung meist schwieriger zu vereinbaren.

„Die Infrastruktur an Kinderbetreuung im ländlichen Südwestfalen ist ausbaufähig“, pflichtet ihm Larissa Probst bei, Sprecherin der Arbeitsagenturen in Siegen und Meschede. Gesellschaftliche Phänomene wie die Stigmatisierung als Rabenmutter verfingen hier schneller als anderswo. „Minijobs können ein Einstieg in die Vollerwerbstätigkeit sein, sie aber nicht ersetzen“, sagt sie und fügt hinzu: „Wir können es uns perspektivisch für die Region nicht leisten, Frauen nur in Minijobs zu beschäftigen.“

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Hinzuverdienerinnen

In Südwestfalen handelt es sich ihrer Ansicht nach meist um Hinzuverdienerinnen in der Industrie, in der Pflege oder im Einzelhandel. Wichtig seien kurze Arbeitswege, während der Partner und Hauptverdiener oft längere auf sich nehmen müsse. Auf der anderen Seite sei dies aber ein flexibles Instrument und ein probates Mittel gegen Schwarzarbeit: „Die Haushaltshilfe ist damit abgesichert.“ Die Gewerkschaften argumentieren dagegen, für die Betroffenen seien Minijobs problematisch, weil sie kaum Ansprüche auf soziale Sicherung erwerben. Zudem erhielten geringfügig Beschäftigte meist nur einen Niedriglohn - zwei Drittel verdienten weniger als 8,50 Euro die Stunde.

Das Problem liegt aber Larissa Probst zufolge weniger bei den Minijobs, sondern bei der weit unter dem Bundes-Durchschnitt liegenden Frauenerwerbsquote in der Region - bei hoher Beschäftigungsquote insgesamt: „Wenn man das aus dem Blickwinkel der Zukunft Südwestfalens sieht, sind wir auf Frauenerwerbstätigkeit angewiesen.“