Hagen. . Ein junges Lehrgebiet ist neu an der Fernuniversität Hagen: Gesundheitspsychologen entwickeln Strategien für verschiedene gesellschaftliche Gruppen. Sie untersuchen zum Beispiel, warum manche Menschen sich leichter tun, ihr schädliches Verhalten zu ändern als andere.
Nein, es geht nicht um Hypochonder und nicht um psychosomatische Beschwerden. „Die Gesundheitspsychologie beschäftigt sich damit, was körperliches, seelisches und soziales Wohlbefinden ausmacht, was es gefährdet und wie man es erhält“, sagt Prof. Christel Salewski. Und dabei gehe es nicht um individuelle therapeutische Unterstützung: „Wir haben den Anspruch, verallgemeinerbare Aussagen zu machen und Programme für ganze gesellschaftliche Gruppen zu entwickeln.“
Christel Salewski ist seit 1. April an der Fernuniversität Hagen Leiterin des neuen Lehrgebiets Gesundheitspsychologie, einer in Deutschland noch jungen Disziplin. Die 49-jährige gebürtige Gelsenkirchenerin, die in Münster studiert und promoviert hat, in Greifswald habilitierte und zuletzt Professorin in Magdeburg-Stendal war, ist sich der Bedeutung ihres Fachs sicher: „Wenn man die Menschen fragt, was das wichtigste im Leben ist, sagen die meisten: Gesundheit. Und dann muss man sich nur anschauen, wie emotional gesundheitspolitische Debatten verlaufen und welche Rolle soziale Gleichheit dabei spielt.“
Verschiedene Gruppen mit verschiedenen Strategien ansprechen
Und was können Gesundheitspsychologen konkret beitragen? Sie untersuchen, warum manche Menschen sich leichter tun, ein gesundheitsschädliches Verhalten zu ändern als andere, welche Rolle die Familie dabei spielt, das Geschlecht, der ökonomische und kulturelle Hintergrund. In der Praxis geht es dann darum, verschiedene Gruppen mit verschiedenen Strategien anzusprechen.
Dem englischen Fernsehkoch Jamie Oliver hätte es wohl nicht geschadet, Gesundheitspsychologen zu konsultieren, als er das Projekt eines gesunden Schulessens startete und Mütter am Zaun standen, um ihrem gemüsegeplagten Nachwuchs das gewohnte fettige Fast Food zu bringen. „Da hat offenbar keine Kommunikation stattgefunden“, sagt Christel Salewski. Die zu ermöglichen, sieht sie als ihre Aufgabe. Wenn etwa Menschen aus anderen Kulturkeisen zu einem deutschen Arzt kommen: „Da gibt es völlig verschiedene Vorstellungen über das Wesen von Krankheiten und die Rolle eines Mediziners. Wenn ein HIV-positiver Afrikaner in eine deutsche Praxis kommt, ist nicht viel gegenseitiges Verständnis zu erwarten.“
Bedarf in Reha-Kliniken und Gesundheitsämtern, Kitas und Schulen
Ihren Fern-Studenten wird sie im Masterstudiengang Psychologie das Thema Stressbewältigung anbieten. Forschen will sie weiter an einem Projekt, das sie mit nach Hagen gebracht hat: Welche Strategien haben Menschen im Umgang mit einer chronischen Krankheit? Wie sind Partner davon betroffen, welchen Einfluss haben sie, was für eine Rolle spielen unterschiedliche Theorien über die Erkrankung? „Mich hat immer schon interessiert, wie sich Menschen ihren gesundheitlichen Zustand erklären, wenn es keine eindeutigen Erklärungen gibt.“ Länger schon beschäftigt sich die Mutter zweier Kinder auch mit chronischen Erkrankungen von Kindern und Jugendlichen: „Ab einem gewissen Alter funktionieren gewohnte Strategien nicht mehr. Erst kümmern sich die Eltern. Aber wie erreicht man, dass ein 14-jähriger Diabetiker weiter den Blutzucker misst?“
Bedarf für Gesundheitspsychologen sieht Christel Salewski in Reha-Kliniken und Gesundheitsämtern, im Hinblick auf Schulen und Kindergärten in Stadtverwaltungen und in größeren Betrieben. Sie bedauert, dass diese Spezialisierung in Deutschland nicht geschützt ist. Aber sie rechnet künftig mit einer Stärkung ihres Fachs: „Die Probleme sind ja vorhanden. Und die Gesundheitspsychologie als angewandte Psychologie kann viel zur Lösung beitragen.“ Auch wenn viele grundsätzliche Fragen noch offen seien: „Was ist eigentlich gesundes Essen? Wie treffen wir unsere tägliche Auswahl? Was ist durch Tradition bestimmt, was durch Lifestyle oder Weltanschauung?“