Hagen. . 565 Schulen müssen in NRW derzeit ohne Führungspersonal auskommen. Im Vergleich zu 2008 ist das eine Steigerung um 60 Prozent. Besonders stark betroffen sind die Grundschulen des Landes.

Nichts fürchten aufmüpfige Schüler mehr als den Termin beim Schulleiter. Doch was geschieht, wenn es gar keinen Schulleiter gibt? Diese vermeintlich irrwitzige Situation stellt sich in Nordrhein-Westfalen mittlerweile an mehr als 550 Schulen. Besonders stark betroffen sind Grundschulen - 333 sind nach Angaben des Schulministeriums ohne Führung.

Die beiden großen Lehrerorganisationen, der Verband für Bildung und Erziehung (VBE) sowie die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) stufen die Situation mittlerweile als „dramatisch“ ein und sehen „dringenden Handlungsbedarf.“ Das Problem der ausbleibenden Besetzung von Leitungsstellen ist indes kein neues. Schon seit Jahren mühen sich die Bezirksregierungen des Landes, freie Schulleiterstellen zu besetzen - zumeist vergeblich.

Kaum finanzielle Vorteile

„Die höhere Besoldungsstufe für Grundschulleiter macht kaum einen Unterschied. Verbunden mit der Vielzahl neuer Aufgaben und einer größeren Verantwortung schrecken viele Lehrer vor diesem Schritt zurück“, sagt Dorothea Schäfer, Vorsitzende der GEW in NRW. Der Job des Schulleiters, so Schäfer, ist einfach nicht attraktiv genug.

Das Landesschulministerium hat das Problem erkannt und zu Beginn des Schuljahres die Leitungszeit erhöht. Das heißt, Schulleiter müssen weniger unterrichten und haben mehr Zeit für administrative Aufgaben. Um die entstehenden Lücken zu schließen, wurden an Grundschulen 340 und an weiterführenden Schulen immerhin 220 neue Stellen geschaffen. Vorwürfe, dass das Schulministerium aus finanziellen Gründen gar kein Interesse hat, die freien Stellen zu besetzen, wies Jörg Harm, Sprecher des Ministeriums, zurück: „Wir wollen diese Stellen besetzen und nicht Gehälter sparen. Jede freie Stelle soll besetzt werden.“

Schulleiter müssen Hausmeisterarbeiten machen

Zugleich leiden die Schulleiter - vor allem an Grundschulen - unter den Folgen des landesweiten Sparzwangs. Seit Hausmeister zumeist mehrere Schulen betreuen und auch Sekretärinnen nur in den seltensten Fällen täglich zur Verfügung stehen, fallen auch solche Aufgaben plötzlich den Schulleitern zu. „Schulleiter, vor allem an kleineren Grund- und Hauptschulen, müssen mit Herzblut dabei sein und dazu viel Freizeit investieren“, so eine Sprecherin der Bezirksregierung in Arnsberg.

Neben den ohnehin schon ungünstigen Rahmenbedingungen machen auch verwaltungsrechtliche Vorgaben die Besetzung der vakanten Stellen zur Herkulesaufgabe. Denn nicht jeder Lehrer, der eine Leitungsfunktion anstrebt, ist für eine solche geeignet. Das sogenannte Eignungsfeststellungsverfahren, das bis auf Grundschullehrer alle Leitungsaspiranten absolvieren müssen, ist für viele zugleich Endstation. „Gerade im ländlichen Raum haben wir Probleme, Stellen zu besetzen“, erklärt die Sprecherin der Bezirksregierung.

Private Lebensplanung passt nicht

Bei vielen vermeintlichen Kandidaten sieht jedoch auch die ganz private Lebensplanung eine berufliche Führungsposition nicht vor. „In die Problematik spielt auf jeden Fall mit rein, dass viele weibliche Lehrkräfte nur Teilzeit beschäftigt sind, um Familie und Beruf vereinbaren zu können. Eine Stelle als Schulleiter kann man jedoch nicht Teilzeit besetzen“, so GEW-Chefin Schäfer. Um die Attraktivität zu steigern, hält die GEW eine Dienstrechtsreform, die zu einer erhöhten Besoldung führt, für nötig. Die Hoffnungen, dass es in naher Zukunft eine solche Reform geben werde, sind in Anbetracht der vorherrschenden Sparzwänge nur minimal.

Führungslos, das betont zumindest das Landesschulministerium, seien Schulen ohne Schulleiter ohnehin nicht. Ist die Leitung unbesetzt, so ist stets der Dienstälteste in der Verantwortung. Als Eignung reicht in diesem Fall die bloße Erfahrung. Fehlende Kompetenzen oder Motivation spielen keine Rolle.