Neheim/Siegen. Sabine Hauser fühlt sich nach Brustkrebs unvollständig. Katharina Radloff aus Neheim kann helfen: Warum ihre Tattoos Leben retten.

„Ich möchte mich wohl in meiner Haut fühlen, attraktiv. Weiblich“, sagt Sabine Hauser. Das ist nicht ihr richtiger Name - sie hat sich für das Alias entschieden, weil die Geschichte so intim ist. „Der Krebs macht die Haare kaputt, die Fingernägel - da tut man alles, um die wieder in Ordnung zu bringen. Aber wie kann man eine Brustwarze ersetzen?“ Im Januar 2018 wird der heute 68-Jährigen die Brustwarze im Rahmen einer Brustkrebs-Operation entfernt; sie lebt zwar, ist bis heute krebsfrei, aber ihr Leben wurde trotzdem von der Krankheit komplett auf den Kopf gestellt.

„Jahrelang hab ich mich versteckt. Ich hab immer gedacht: Du bist nicht vollständig, und alle können das sehen.“ Für sie gehört zu ihrem Frauenbild eben auch die Brust: vollständig, mit Brustwarze und allem. Das wurde ihr durch die Krankheit genommen. Beim Umziehen achtet sie darauf, dass niemand sehen kann, dass eine Brustwarze fehlt. „Ich habe fürchterlich gelitten, wochenlang nur geweint nach der Behandlung“, erinnert sie sich. „Ich wollte nicht mehr.“ Eine Therapie hilft ihr aus dem Tief, doch die Brustwarze fehlt immer noch. Auch eine Mammillenpigmentierung hilft ihr nicht: Nach einer Sitzung werden die Farben verboten, die Klinik in Essen kann nicht mehr fortfahren - und die Farbe verschwindet im Gegensatz zu Tattoofarbe wieder. „Ich hab mich nicht mehr wie eine ganze Frau gefühlt.“

Katies Transformations: Die Schönheit hervorzaubern, die andere nicht sehen

Das Problem kennt auch Katharina Radloff. Die Neheimerin führt ein eigenes Kosmetikstudio „Katies Transformations“ in der Neheimer Innenstadt. Dort bietet sie neben klassischen Kosmetikbehandlungen aber auch eine ganz besondere Dienstleistung an: Sie ist 3D-Brustwarzen-Tätowiererin. „Für viele ist es der letzte Schritt, sich nach einer Krankheit wieder zu finden“, sagt sie. „Ich möchte sie einfach glücklich machen.“ Wenn man sich eine von Katharina Radloff tätowierte Brust von vorn anschaut, kann man die tätowierte Brustwarze nicht von einer echten unterscheiden.

Katharina Radloff ist Gründerin des Kosmetikstudios „Katies Transformations“ in Arnsberg-Neheim und Expertin für 3D-Brustwarzentattoos.
Katharina Radloff ist Gründerin des Kosmetikstudios „Katies Transformations“ in Arnsberg-Neheim und Expertin für 3D-Brustwarzentattoos. © Privat | Privat

Auch Sabine Hauser beschäftigte sich mit dem Thema Brustwarzentattoo, wurde jedoch nur von der Uniklinik auf einen Tätowierer in Leverkusen aufmerksam gemacht. Bei Katharina Radloff landet auch Sabine Hauser Anfang 2024. „Mein Mann hat die Werbung von Katharina Radloff gesehen und mir sofort Bescheid gesagt. Da hab ich mich so gefreut!“ Binnen von wenigen Wochen konnte Sabine Hauser einen Termin ausmachen. Drei Stunden dauert der, und dann kann sie sich das erste Mal im Spiegel anschauen: Ohne Scham, ohne Verstecken; mit zwei Brustwarzen. „Die sieht so phänomenal aus, so echt“, freut sich Sabine Hauser.

Sie grinst breit, als sie davon erzählt, wie sie die „neue Brustwarze“ ihrer Familie und sogar ihrer Physiotherapeutin präsentiert hat. So ganz kann sie es noch nicht glauben, schwärmt von der tollen Behandlung und Beratung. Katharina Radloff berät jede Frau individuell, was Farbe, Form und Details angeht. Aus einer breiten Auswahl von Grundfarben mischt sie dann die Farben für Schatten und Highlights selbst - so wird jedes Tattoo zu einem Unikat.

Doch neben der großen Freude, die Sabine Hauser über ihre neue Brustwarze hat, kommt sie nicht umhin, auch kritisch über das Thema nachzudenken. Die Kosten der Tätowierung werden mittlerweile von vielen Krankenkassen zumindest in Teilen übernommen; bei ihr fehlten nur noch knapp 400 Euro. „Aber was ist mit denen, die sich das nicht leisten können?“, fragt sich Sabine Hauser. „Das muss ja fürchterlich sein.“

Der Vorher-Nachher-Vergleich einer rekonstruierten Brust mit und ohne tätowierten Brustwarzen.
Der Vorher-Nachher-Vergleich einer rekonstruierten Brust mit und ohne tätowierten Brustwarzen. © Privat | Privat

Die meisten Krankenkassen übernehmen mittlerweile sogar mindestens einen Teil der Kosten eines Brustwarzentattoos. Bei Sabine Hauser immerhin rund zwei Drittel des Preises. „Viele Frauen wissen das gar nicht“, sagt Katharina Radloff - deswegen berät sie auch dahingehend und unterstützt die Frauen bei den Formularen und Anträgen, die dafür nötig sind. Das machen auch immer mehr Kliniken; so auch das Brustzentrum in Siegen - sie kooperieren mit dem Tätowierer in Leverkusen, das Studio Skalbania, das auch Sabine Hauser empfohlen wurde.

Das sagen Gynäkologen aus Siegen zu Brustwarzentattoos

Früher wurde auch am Diakonie-Klinikum Jung-Stilling in Siegen tätowiert. Das wurde aber zu selten in Anspruch genommen, deswegen verweisen sie mittlerweile an Profis. Im Brustzentrum werden im Jahr rund 250 Brustkrebspatientinnen behandelt, so Dr. Marco Battista, Chefarzt der Gynäkologie. Bei den meisten kann mittlerweile fast das gesamte Brustgewebe erhalten bleiben - nur 40 bis 50 Frauen müssen die Brüste abgenommen werden.

„Jede Frau geht da unterschiedlich mit um, das hängt ganz von der Unterstützung der Familie und dem eigenen Selbstbild ab“, so Dr. Battista. Es gebe diejenigen, die mit der Mastektomie (Brustabnahme) keine Probleme hatten, diejenigen, die es hart treffe und eine Rekonstruktion wünschen - und ein ganz kleiner Teil lehne die Mastektomie grundlegend ab. Nach einer Brustabnahme kann schnell, teilweise in der gleichen Operation wie der Entfernung des krebsbelasteten Gewebes, schon die Brust rekonstruiert werden - mit eigenem Gewebe zum Beispiel aus Rücken oder Bauch oder auch durch Implantate. „Nur ungefähr die Hälfte aller Frauen wünschen sich nach einer Brustrekonstruktion ein Brustwarzentattoo“, sagt Dr. Battista.

Für Sabine Hauser eine Zahl, die sie sich nicht vorstellen kann. „Ich kenne viele andere Brustkrebspatientinnen und ich weiß, wie ich und wie sie fühlen“, sagt sie. „Es mag ein paar geben, denen die Brustwarze nicht fehlt. Aber den meisten geht es damit besser.“ So auch ihr. Bald werden bei einem zweiten Tattootermin die Farben vom natürlichen und tätowierten Brustwarzen noch einmal aufeinander abgestimmt. „Dann bin ich endlich wieder ganz Frau!“