Arnsberg. Sauerland und Braukunst gehören zusammen. Das Sauerland-Museum zeigt ab jetzt unter anderem, warum das Brauen lange Frauensache war.

  • Ab dem 22. März ist im Sauerlandmuseum Arnsberg eine Ausstellung über die Braukunst zu sehen
  • Gezeigt werden nicht nur Gegenstände, die gesellschaftliche Bedeutung steht im Mittelpunkt.
  • Biebrauen ist in der Region seit 1543 urkundlich belegt.

Wer bei Schützenfest, Fußball und Stammkneipe an Bier denkt, liegt nicht falsch. Wenn dann noch die Stichworte Frauen, Bäcker und Kupfer hinzukommen, wird es allerdings spannend. Denn das Sauerland-Museum Arnsberg bereitet derzeit eine große Ausstellung unter dem Titel „Frisch gezapft!“ vor. Das Thema Bier schafft es nur selten aus den speziellen Biermuseen heraus in ein großes Haus. Museumsleiter Dr. Oliver Schmidt und seinem Team ist es entsprechend wichtig, dass weniger die Devotionalien wie Gläser oder Flaschen in den Mittelpunkt rücken, sondern die Braukunst im Sauerland unter den Aspekten Wirtschafts-, Technik- und Kulturgeschichte untersucht wird.

Es ist die Nase, welche die Bilder im Kopf in Gang setzt. Diese unverwechselbare Geruchsmischung aus Polierpaste, abgestandenem Gerstensaft und altem Zigarettenrauch ist für immer verbunden mit der Kneipe: über Jahrhunderte hinweg der Ort, der am ehesten mit dem Bier und seinem Konsum verbunden war. Ein originaler Tresen mit passender Gläserrückwand und abgehängter Decke, alles aus dunklem Holz, visualisiert das in Arnsberg. Er stammt aus den 1950er Jahren aus dem Paderborner Land und wird zum Ausstellungsstück, weil das Konzept der Schankwirtschaft selbst fast schon Geschichte ist. Veränderte Arbeitszeiten, Rauchverbot, verändertes Freizeitverhalten und weitere Faktoren haben dazu geführt, dass das Thekentrinken nahezu ausgestorben ist, während sich früher die Arbeiter nach Feierabend in Fünferreihen vor dem Zapfhahn drängelten.

Viel Sorgfalt haben Oliver Schmidt und seine Stellvertreterin Dr. Ulrike Schowe daher auf die Auswahl der Exponate verwandt, welche die einzelnen Ausstellungskapitel möglichst sinnlich erfahrbar machen sollen. Der Tresen wird zum Erinnerungsort. „Die Kneipe ist ein Kommunikationsraum, in dem sich Bräuche entwickelt haben“, schildert Oliver Schmidt. Zu den Konsumwelten der Ausstellung gehören aber auch das Wohnzimmer, die Vogelwiese und die Fußballtribüne. Eine mit Metall ausgekleidete Kühlkiste aus Holz verrät, wie beim Vogelschießen früher der Durst gelöscht wurde. Die Kiste wurde mit Eis gefüllt, worin die Bierflaschen lagerten. Das auffällig starke Schloss war sicher nicht unbegründet angebracht. 18 Schützenvereine steuern Exponate bei für die Installation der Schützenwiese , vom Schützenhut bis zur Königinnenkrone.

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Die Ausstellung wurde von der Brauerei Veltins angeregt, die 2024 ihr 200-Jahr-Jubiläum feiert. Aber sie thematisiert natürlich die gesamte Regionalgeschichte des Brauens im Sauerland, die urkundlich seit 1543 belegt ist. Das älteste Dokument stammt aus Hallenberg, es ist eine Anweisung des Kölner Erzbischofs, der damals Landesherr war, kein fremdes Bier aus Hessen mehr zu kaufen, sondern eigenes herzustellen. Bis heute werden in Hallenberg Hopfen und Malz in goldgelben Gerstensaft verwandelt.

Bierbrauen war Frauensache

Bierbrauen war im Sauerland früher Frauensache. Auch die Bäcker brauten. Das hatte einen wissenschaftlichen Hintergrund, dessen Effekt den Menschen damals bekannt war, dessen Ursache sie aber nicht wussten. Ulrike Schowe: „In der Küche und in der Bäckerei waren die richtigen Hefen in der Luft, deshalb funktionierte das Brauen dort. Man kannte damals den Prozess der Verhefung noch nicht.“

Die Kneipe ist ein Kommunikationsraum, in dem sich Bräuche entwickelt haben.
Dr. Oliver Schmidt, Museumsleiter

Heute müssen an einem einzigen Spieltag in einer großen Fußballarena bis zu 60.000 Fans mit Bier versorgt werden. Das ist ein weiter Weg vom Hausbräu. „Die ersten Brauereien sind ein Nebenprodukt der Landwirtschaft“ verweist Oliver Schmidt unter anderem auf Warsteiner (gegründet 1753). Nachdem im Herzogtum Westfalen im 19. Jahrhundert die Gewerbefreiheit eingeführt wird, können die ersten handwerklichen, dann industriellen Brauereien gegründet werden, Veltins 1824 und Westheimer 1862. Die Sauerländer Unternehmen stehen bis in die 1970er Jahre im Schatten der Dortmunder Brauereien. Wie geschickte Markenbildung und der Siegeszug des Pils zum Aufstieg der Premiumbiere aus dem Sauerland führt, ist ebenfalls Thema der Ausstellung.

Ein Schatz aus Kupfer

Das industrielle Brauen schreibt Technikgeschichte. Dafür steht eine Flaschentransportmaschine, die in Arnsberg direkt neben einem traditionellen Sudkessel aus Kupfer platziert ist. 500 Kilo Kupfer, das entspricht inzwischen einem Nibelungenschatz. Ulrike Schowe erläutert: „Diese Kessel sind heute nicht mehr aus Kupfer. Das ist unbezahlbar.“

Erwartet wird noch ein seltener historischer Würzekühler von der Warsteiner Brauerei. Attraktion ist zudem ein kunstvoll geschmiedeter Sternewirt aus der früheren Kronenbrauerei in Dortmund. Die Mitarbeiter erhielten Personalmarken und konnten sich damit aus dem Apparat ihren Haustrunk abfüllen.

Museumsleiter Dr. Oliver Schmidt an einem historischen Kneipentresen. Derzeit bereitet das Arnsberger Sauerland-Museum eine große Ausstellung unter dem Titel „Das Bier und wir“ vor.
Museumsleiter Dr. Oliver Schmidt an einem historischen Kneipentresen. Derzeit bereitet das Arnsberger Sauerland-Museum eine große Ausstellung unter dem Titel „Das Bier und wir“ vor. © FUNKE Foto Services | Bernd Thissen

„Die Warsteiner Brauerei hat die beste und größte private Sammlung von Brauerei-Objekten“, konstatiert Oliver Schmidt. Das erweist sich für Arnsberg als Glücksfall, denn diese Artefakte werden in den Bestand des Sauerland-Museums übergehen. Damit ist das Bier als bedeutender Teil der Handwerks- und Industriegeschichte der Region künftig im Museum dauerhaft mit wichtigen Objekten präsent. Ruft das nach einem eigenen Brauerei-Museum? „Wir überlegen, wie wir die Sammlung später nutzen werden“, sagt Oliver Schmidt.

Noch ungeschrieben ist hingegen die weibliche Sozialgeschichte im Zusammenhang mit dem Bierkonsum. In der Gastronomie werden die dort beschäftigten Frauen über Jahrhunderte als Freiwild für männliche Sexualgelüste betrachtet. An dieses dunkle Bier-Kapitel erinnert im Begleitprogramm zur Ausstellung ein Vortrag.

Wer von all den spannenden Themen Durst bekommt, wird im Museum übrigens auf dem Trockenen bleiben. Gezapft und ausgeschenkt wird nur in der umliegenden Gastronomie.

>> INFO: Besonders für Vereine und Gruppen geeignet

Ausstellung: Frisch gezapft! Das Bier und wir. 22. März bis 29. September im Sauerland-Museum Arnsberg. www.sauerland-museum.de

„Das Ausstellungserlebnis begleitet ein umfassendes Rahmenprogramm, das sowohl einzelne historische Aspekte der Bierkultur vertieft als auch den Bierkonsum in seiner gesellschaftlichen Bedeutung problematisiert“, so das Museum.

Besondere Veranstaltungen rund um den Gerstensaft warten im Museumshof und der Ausstellung am 1. Mai, zum Internationalen Museumstag am 19. Mai, mit musikalischer Untermalung am 24. Juli und zum großen, diesmal mittelalterlich angehauchten Ferromone-Museumsfest am 31. August mit Mittelaltermarkt, Schaustellern und Feuershow. Zur Finissage gibt es einen Poetry Slam, der den Sauerländer Lieblingstrunk vielseitig und kreativ beleuchtet.

Besonders eingeladen, da passend für einen Gruppenbesuch, sind Vereine, Organisationen und Verbände sowie Erwachsenenbildungsträger, den Ausstellungsbesuch mit einer Führung zu einem Gemeinschaftserlebnis zu machen.
Regelmäßige öffentliche Führungen durch die Ausstellung runden das Angebot ab.