Düsseldorf/Arnsberg. Viele Genehmigungen im Hochsauerlandkreis. 112 Anlagen gingen 2023 in NRW ans Netz. Eine Steigerung, aber laut Experten noch zu wenig.
Der Ausbau der Windenergie in Nordrhein-Westfalen kommt weiterhin nur schleppend voran. Laut Branchenverband LEE wurden im vergangenen Jahr 112 neue Anlagen mit einer Leistung von rund 517 Megawatt in Betrieb genommen. Da ältere und leistungsschwächere Windräder zeitgleich abgebaut wurden, betrug der Nettozuwachs 409 Megawatt.
Südwestfalen holt auf
Das Tempo ist im Land sehr unterschiedlich, die Lasten ungleich verteilt. Beim Bestand liegt nach wie vor der Kreis Paderborn mit großem Abstand an der Spitze in Nordrhein-Westfalen. Hier stehen 523 Windkrafträder mit mehr als 1100 Megawatt (MW) Leistung. Insgesamt sind in NRW 3642 Windenergieanlagen mit rund 7100 MW Leistung. 24 neue Anlagen wurden 2023 außerdem genehmigt und sollen knapp 120 Megawatt zusätzliche Leistung bringen.
Südwestfalen dürfte in Zukunft aufholen. Dies zeigt der Blick auf die Zahl der Genehmigungen, die hier im vergangenen Jahr erteilt wurden: Hier liegt der Hochsauerlandkreis mit 28 neuen Anlagen mit 156,1 MW weit vorne, mit 31 Genehmigungen wurden nur im Kreis Warendorf (166,8 MW) mehr erteilt. Auch in den Kreisen Siegen-Wittgenstein (24 Anlagen mit 133,5 MW) und Soest (27/120 MW) kommt überdurchschnittlich Schwung in den Ausbau.
Bürgerenergiegesetz gilt
Im Sauerland und Siegen-Wittgenstein sind durch die Flächen, auf denen bisher Waldwirtschaft stattfand, die aber in den vergangenen Jahren durch den Borkenkäfer mehr oder weniger zu Brachflächen geworden sind, erhebliche Potenziale für den weiteren Ausbau hinzugekommen. Mittlerweile ist der Bau von Windkraftanlagen kein Tabu mehr, in der Bevölkerung allerdings immer noch umstritten. Für die Waldbauern ist die Windkraft mindestens als Übergangslösung interessant, um in den nächsten 30 Jahren auf ihren Flächen Einnahmen zu erzielen. Werden die Projekte als Bürgerwindparks realisiert, steige die Akzeptanz, sagt Henner Braach, Vizepräsident des Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverbandes, weil die Menschen im nahen Umfeld vom Ausbau mitprofitieren. Dies ist auch im Bürgerenergiegesetz festgeschrieben, das die Landesregierung Ende vergangenen Jahres auf den Weg brachte und das seit dem 1. Januar gilt. Schwierigkeiten gibt es allerdings gerade bei der Ausweisung geeigneter Flächen in den Regionalplänen, auch deshalb ist das Tempo des Ausbaus noch gering. Dabei besteht auch von Seiten vieler Unternehmen ein hohes Interesse, den Strombedarf über Windkraft abzudecken und so kostengünstiger produzieren zu können - am liebsten mit einer direkten Anbindung vom Windrad an den Betrieb.
SPD spottet über Landesregierung
„Der Windenergiepark in Nordrhein-Westfalen ist jünger und leistungsfähiger geworden“, lobte der LEE-Vorsitzende Hans-Josef Vogel. Es sei ein Trend nach oben zu erkennen. Die schwarz-grüne Landesregierung müsse jedoch weitere Anstrengungen unternehmen, um das selbstgesteckte Ziel von 1000 neuen Windrädern in der noch bis 2027 laufenden Legislaturperiode zu schaffen, so Vogel. Der ehemalige CDU-Politiker war bis 2022 Regierungspräsident in Arnsberg.
Die SPD-Opposition im Landtag sprach dagegen von einem Windkraftausbau „im Schneckentempo“. Da im vergangenen Jahr 91 Altanlagen abgebaut wurden, seien in Wahrheit nur 21 Windräder hinzugekommen. „Schwarz-Grün müsste noch achtmal wieder gewählt werden, um ihr selbst gestecktes Ziel zu erreichen“, spottete SPD-Wirtschaftsexperte André Stinka.
Bislang ist unklar, wie die Landesregierung ihr Ziel von 1000 neuen Windrädern bis 2027 definiert. Im Koalitionsvertrag ist zwar ausdrücklich von „zusätzlichen“ Anlagen die Rede, doch inzwischen scheint nicht mehr sicher, ob man sich tatsächlich am Nettozubau messen lassen will. Im vergangenen Jahr wurde mit 322 Neu-Genehmigungen ein bundesweiter Spitzenwert erreicht, doch zeitgleich zu deren Errichtung werden auch alte Windräder wieder vom Netz gehen.
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Der Branchenverband LEE forderte von Bund und Land mehr Einsatz für einzelne Windkraftstandorte in direkter Nachbarschaft zu energieintensiven Industriebetrieben, etwa im Ruhrgebiet. Man dürfe sich nicht allein auf die Planung großer Windvorranggebiete konzentrieren, sondern müsse Energie auch dort produzieren, wo sie benötigt wird. „Wenn der Wind weht, kann der Strom sofort abgenommen werden“, sagte Milan Nitzschke, Geschäftsführer der SL Naturenergie GmbH in Gladbeck. Ein erster Schritt in der Landesbauordnung sei gemacht, lobte er. Doch die gesetzlichen Vorgaben für die Grünstromproduktion in Industriegebieten müssten weiter entschlackt werden.
Der Ökostromanteil an der Netto-Stromerzeugung ist bundesweit auf über 59 Prozent gestiegen, in NRW liegt er nur bei 26 Prozent. 2030 will das Land aus der Kohlestromproduktion aussteigen. Die Absicherung von wind- und sonnenarmen Tagen sollen dann wasserstofffähige neue Gaskraftwerke übernehmen, die aber noch nicht in Sicht sind.