Hagen. NRW-Metallarbeitgeberpräsident fordert einen sofortigen wirtschaftspolitischen Kurswechsel in Deutschland. Jobabbau kündigt sich an.
Metall-Arbeitgeberpräsident Arndt G. Kirchhoff wirft der Bundesregierung vor, für „eine größtenteils hausgemachte strukturelle Krise des Industriestandortes Deutschland verantwortlich zu sein.“ Der Sauerländer Unternehmer hält die Politik der Ampelregierung unter Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und mit Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Die Grünen) in vielen Punkten für verfehlt. Die Zeit für einen wirtschaftspolitischen Kurswechsel sei reif. „Wenn jetzt nicht Wirtschaft und Arbeit klare Vorfahrt erhalten, wird unser Wohlstand massiv gefährdet“, erklärte Kirchhoff gegenüber der WESTFALENPOST.
Erstmals seit Jahren kündigt sich in den Unternehmen der Metall- und Elektrobranche in Nordrhein-Westfalen ein sichtbarer Arbeitsplatzabbau an. Im ersten Halbjahr 2024 rechnet der Verband damit, dass zudem ein Drittel der Betriebe im wichtigsten Industriezweig in NRW die Produktion zurückfahren und Kurzarbeit durchführen. Dies geht aus einer aktuellen Umfrage von Metall NRW hervor, an der sich 382 Betriebe beteiligt haben, die aktuell noch mehr als 115.000 Beschäftigte vertreten.
Auftragslage miserabel
Einigermaßen stabil bleibt offenbar allein die Ausbildungsbereitschaft der Unternehmen. Fast drei Viertel der Betriebe wollen im kommenden Jahr erneut Lehrstellen anbieten. Davon abgesehen, spiegelt die Umfrage ein düsteres Bild für das kommende Jahr. Nicht einmal mehr jedes fünfte Unternehmen bezeichnet die eigene Lage als gut. Vor einem Jahr waren es immerhin noch 40 Prozent. Inzwischen sind 38 Prozent der Befragten unzufrieden mit der Situation. Und es dürfte weiter bergab gehen, denn die Auftragslage im Inland ist bei beinahe der Hälfte der Unternehmen besonders schlecht, die Auslandsnachfrage aber kaum besser. Mit einer Veränderung in den kommenden Monaten rechnen die wenigsten Firmen, von denen ein Großteil stark vom Export abhängig ist.
Weil auch die Ertragslage deutlich gesunken sei, wird offenbar entsprechend wenig investiert, weder am Standort Deutschland, noch im Ausland, obwohl die Rahmenbedingungen insbesondere in den USA, aber auch in Asien als deutlich besser beschrieben werden. Ein sicheres Zeichen dafür, wie verunsichert die Branche aktuell ist. „Wenn 42 Prozent unserer Unternehmen ihre Investitionstätigkeit im Inland weiter drosseln wollen, dann muss das die Politik jetzt aufrütteln“, erklärte Kirchhoff.
Vielen Betrieben fehlt es an Substanz
Schon zum Jahreswechsel 2022/23 sei die inländische Investitionsbilanz im Minus gewesen. Sollte sich dieser Trend verfestigen, sei dies ein trauriges Vorzeichen für die schleichende De-Industrialisierung im Land. Auch sei die Substanz vieler Betriebe durch die schwere Corona-Zeit und die lange Rezessions-Phase angegriffen. Ohnedies belaste das gestiegene Zinsniveau die Finanzierungskosten von Investitionen. Angesichts der skeptischen Ertragserwartungen bei fast der Hälfte der Betriebe habe er große Sorgen, dass viele die notwendigen Mittel für die klimaneutrale Transformation nicht werden aufbringen können. Kirchhoff wörtlich: „Ich kann nur noch einmal betonen: Die Politik muss jetzt dringend alles unterlassen, was die Industrie schwächt und alles unternehmen, was sie stärkt.“
Landesregierung zu langsam bei Energiewende
Deutschland benötige schnell nachhaltige Lösungen für die entscheidenden Fragen seiner Zukunftsfähigkeit. Außer Frage stehe, dass jetzt die Wettbewerbsfähigkeit gestärkt, eine bezahlbare Energieversorgung gesichert und die Voraussetzungen für die Bewältigung der klimaneutralen Transformation geschaffen werden müssten. „Hier ist die Politik gefordert“, sagte Kirchhoff, der nicht allein die Bundesregierung in die Pflicht nimmt. Auch von der Landesregierung in Düsseldorf unter Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) erwartet der Präsident und Sauerländer Unternehmer deutlich mehr als bisher.
Kirchhoff appellierte an die Landesregierung, sich weiterhin mit aller Kraft im Bundesrat für die Belange der NRW-Industrie einzusetzen. „Es geht jetzt um sehr viel für unser Land“, erklärte er. Überdies brauche auch Nordrhein-Westfalen wieder deutlich mehr Schwung. Hier sei die Landesregierung gefordert. Das gelte für die Verkehrspolitik, wo die jahrzehntelange Vernachlässigung der Verkehrsinfrastruktur immer deutlicher zutage trete. In der Energiepolitik müsse das Land nun schnell eine neue Energieversorgungsstrategie vorlegen. Hier befindet sich Schwarz-Grün nach wie vor auf dem Kohleausstiegspfad bis 2030, ohne dass Alternativen bei der Energieversorgung gesichert sind.
Zudem brauche Nordrhein-Westfalen endlich mehr Tempo bei den Planungs- und Genehmigungsverfahren. „Die investitionsfeindlichen Remmel-Bremsen der umweltpolitischen Alleingänge aus früheren rot-grünen Regierungszeiten müssen jetzt endlich gelöst werden“, forderte der NRW-Metallarbeitgeberpräsident.