Burbach. Wilfried Groos aus Siegen war gerade ein paar Tage im Ruhestand, da rief ihn die Sparkasse in Burbach um Hilfe. Was seine Mission ist.

Sein Büro im Seitentrakt der Sparkasse Burbach-Neunkirchen ist überschaubar. Nichts Pompöses. Auf dem Schreibtisch des neuen Vorstandsvorsitzenden Wilfried Groos türmt sich sichtlich Arbeit und versperrt ein wenig die recht nette Aussicht aus dem Fenster auf die wenig befahrene Straße im beschaulichen Örtchen im Siegerland. In Burbachs Sparkasse herrscht seit kurzem wieder eine Ruhe. Endlich.

Rücktritt vom Ruhestand

Genau dafür, um die Wogen zu glätten in einem der kleinsten Sparkasseninstitute Deutschlands, ist Groos in Burbach vor ein paar Wochen an- und vom längst ausgemachten Ruhestand zurückgetreten. In den hatte sich der freundliche Finanzexperte nach 50 Jahren bei der Sparkasse und Jahrzehnten als Vorstand im Nachbarinstitut in Siegen bereits verabschiedet. Mit 65 Jahren ist bei Deutschlands Sparkassen im Regelfall eben Schluss. „Das war seit vielen Jahren klar. Das Datum 31. August stand fest. Ich hatte mich auf Ruhestand eingestellt.“ Seine Ehefrau wohl auch. Große Reisepläne waren geschmiedet. Eine gewisse Vorfreude auf fremde Länder ist bei Wilfried Groos herauszuhören - aber das Siegener Sparkassen-Urgestein fühlt sich noch gebraucht in seiner der Heimat im Siegerland, also muss Australien noch etwas warten.

Fluchtbewegung aus kerngesunder Sparkasse

Jetzt sitzt Groos erst einmal wieder in einem Vorstandsbüro. Vorausgegangen war die Trennung der Sparkasse Burbach-Neunkirchen vom Vorgänger an diesem Platz. Unterschiedliche Auffassungen über Führungskultur, lautet die Begründung. So weit kein Geheimnis. Dank allenthalben und alles Gute für die Zukunft – was in Abschiedsschreiben eben steht. Was mit Kritik an der Führungskultur genau gemeint ist, lässt sich erahnen und am ehesten so beschreiben: zunehmende Fluchtbewegungen von langjährigen Beschäftigten.

Ein Thema, über das Wilfried Groos nur ungern sprechen möchte, schon gar nicht vertieft. Die Verpflichtung des erfahrenen Siegener Sparkassenchefs hatte Anfang Oktober für das Gegenteil von Ruhe gesorgt. Mindestens für eine Weile. Burbach-Neunkirchen ist neben Siegen die letzte eigenständige Sparkasse im Siegerland, nur viel kleiner. Die Sparkassen in Kreuztal, Hilchenbach, Freudenberg sind in der jüngeren Vergangenheit, also in Wilfried Groos Zeit als Siegener Sparkassenchef, unter das Dach des Geldinstituts in der Großstadt geschlüpft.

Zahl der Sparkassen schrumpft bundesweit

An sich nichts Ungewöhnliches. Eher ein seit Längerem anhaltender Trend in der Branche. Die Zahl der Sparkassen in Deutschland nimmt von Jahr zu Jahr ab. Allein innerhalb der vergangenen Monate ist sie von 361 Ende 2022 auf absehbar 353 zum Ende dieses Jahres geschrumpft. Auch im Sparkassenverband Westfalen-Lippe gibt es reichlich Beispiele: Lippstadt und Soest-Werl fusionierten zu Jahresbeginn zur Sparkasse Hellwig-Lippe. Die Sparkassen Hagen/Herdecke und Lüdenscheid schlossen sich vor einem Jahr zusammen zur Sparkasse an Volme und Ruhr. Vor ein paar Wochen gelang, etwas rumpelig, auch die „technische“ Fusion.

„Es werden auch noch ein paar weniger Sparkassen werden, aber sie bleiben ja vor Ort vertreten. Es ist nur ein größeres ,Wir‘, es ist kein Verkauf“, beschreibt Wilfried Groos in beruhigendem Ton das Prinzip. Als Sparkassenfunktionär hat der Siegener in den vergangenen Jahren auf Landes- und Bundesebene daran mitgearbeitet, zentralere Strukturen in der deutschen Sparkassenlandschaft zu schaffen. Eine Errungenschaft: das gemeinsame Rechenzentrum. Ein weiteres Ziel: eine gemeinsame Bausparkasse.

Nebenjob als West-LB-Abwickler

Wäre Wilfried Groos länger als nur die sechs Wochen im Ruhestand geblieben, Langeweile hätte es auch ohne den Vollzeitjob in Burbach kaum gegeben. Der 66-Jährige ist noch Mitglied im Verwaltungsrat der „Ersten Abwicklungsanstalt“. Die ist immer noch damit beschäftigt, die Scherben der Pleite der Westdeutschen Landesbank zusammenzukehren und so die Verluste für die Sparkassen in Nordrhein-Westfalen zu minimieren. „Ich bin Zeuge der ersten Stunde“, blickt Groos zurück auf die West-LB-Pleite und Zeiten, in denen Moral und Werte im Finanzwesen wohl über Bord gegangen waren. „Damals wurde bei den Landesbanken alles gemacht, was Geld brachte.“ Von rund 200 Milliarden Euro seien die Altlasten-Bücher auf nun rund sieben Milliarden Euro abgewickelt. Eine Summe, mit der sich umgehen lasse und für die es nach Ansicht von Groos keine Abwicklungsanstalt mehr brauche.

Ich bin nicht gekommen, um das Haus zu fusionieren. Wir wollen eigenständig bleiben und können das auch!
Wilfried Groos

Mit seinem Wissensschatz könnte Wilfried Groos sicher abendfüllend über die Finanz- und Bankenkrise 2008/2009 dozieren. Ebenso könnte der Siegerländer über das besonders Gute am 200-jährigen Sparkassenwesen erzählen, ohne dass es langweilig würde. Nur hat er so viel Zeit gar nicht, weil er ja diesen neuen Job hat als Sparkassenchef in Burbach.

Beruhigende Botschaft

Burbach-Neunkirchen sei eine kerngesunde eigenständige Sparkasse mit gut 700 Millionen Euro Bilanzsumme. Als Ende September das Telefon klingelte und ihm dieser Job angeboten wurde, hat der Pensionär selbstverständlich erst einmal mit seiner Frau Rücksprache gehalten. Kein Jubel zuhause, aber grünes Licht. Dieses eine Mal noch, aber dann müsse wirklich Schluss sein – also ein Ja. Eine Nacht zum Überdenken reichte Wilfried Groos völlig. Mindestens ebenso wichtig war aber eine klare Entscheidung des Verwaltungsrats über die Zukunft der kleinen Sparkasse Burbach-Neunkirchen. Groos hat einen Vertrag für ein Jahr, und er habe das Gefühl, nach 50 Jahren Sparkasse und einem kurzen Ruheständchen, „hier noch einmal helfen zu können.“ Wegen des Geldes habe er die Aufgabe keinesfalls angenommen - mit seiner Alterversorgung wäre er sehr gut ausgekommen, versichert der 66-Jährige. Also wieder Sparkasse. Vollzeit. Gegen 7.30 Uhr steigt Groos in Siegen nun morgens ins Auto und steuert in Richtung Burbach. „Ich fange morgens um 8 Uhr an, ganz normal.“ Viele Gespräche mit der gut einhundertköpfigen Belegschaft habe der Finanzexperte in den ersten Tagen geführt. Manchen Mitarbeiter zum Bleiben bewogen mit der wichtigen Botschaft: „Ich bin nicht gekommen, um das Haus zu fusionieren. Wir wollen eigenständig bleiben und können das auch!“ Seitdem herrscht offenbar wieder eine Ruhe im Sparkassenhaus in Burbach. Endlich.