Hagen. Sprache bedeutet Macht. Deswegen werden die Diskussionen um das Gendern oder um verbotene Wörter so erbittert geführt.

Sprache ist Macht. Sie prägt unser Bild von der Wirklichkeit, regelt unsere sozialen Beziehungen, beeinflusst unser Verhalten. Deshalb wird über Sprachveränderungen häufig so erbittert gestritten. Als Beispiel dient gerne das Gendern, das eigentlich nur eine Nebenrolle spielt in den Kämpfen um die Sprachhoheit der Gegenwart. Denn es wird ja vergleichsweise wenig gegendert. Eigentlich könnte jeder nach eigenem Geschmack gendern oder nicht, und alle wären zufrieden.

Ein aktuelles Beispiel, wie Sprache die Wirklichkeit überformen will, ist die russische Staatsdoktrin, den Ukrainekrieg Friedensmission zu nennen. Ideologie benutzt Sprache, um die Verhältnisse umzudeuten. Das setzt sich in den Köpfen fest. Es gibt Untersuchungen, wie die Nazis Sprache instrumentalisierten, indem sie Menschen verbal entpersonalisierten. Die Deportation einer jüdischen Familie in den sicheren Tod im KZ wird zum Vorgang einer Verbringung. Das Entsetzliche wird damit bürokratisiert, Mitgefühl vermieden.

Mehr zum Thema

Auch das so beliebte „Den inneren Schweinehund besiegen“ hat eine furchtbare Bedeutung. Im Zweiten Weltkrieg mussten Wehrmachtssoldaten im Osten auf Gruppen von Menschen schießen, Kinder, Frauen, Greise, mitten in die Menschenmenge hineinfeuern, wieder und wieder. Viele dieser Soldaten konnten das nicht, ihnen wurde schlecht, sie klappten zusammen. In diesen Fällen kam von den Nazi-Offizieren die Anweisung, dass sie ihren inneren Schweinehund besiegen müssten.

Sprache wandelt sich, bildet archäologische Schichten. Noch komplexer wird die Sache, wenn Begriffe nicht evolutionär, sondern per Anordnung verdrängt werden sollen. Indianer und Eskimos sind heute tabu, stattdessen sagt man „I“-Wort und „E“-Wort, das ist doch Quatsch. Und es gibt ja eine große fiktionale Tradition, in der diese Begriffe in der Literatur und in der Musik verwendet wurden, das lässt sich nicht mundtot machen.

Die Sprachdiskussion ist wichtig. Sprache bildet das Leben ab, und das Leben ist gemein. Man kann niemanden vor Wörtern beschützen, weil in einem einzigen Wort immer die ganze Welt mitschwingt. Sogar Blumentopf kann zum Schimpfwort werden. Mit Sprachverboten allein wird man keine Gleichberechtigung herstellen. Im Gegenteil. Man züchtet nur neue Gespenster. Allerdings gibt es auch kein Bürgerrecht darauf, beleidigende Vokabeln zu verwenden, nur weil der Opa das schon getan hat.