Hagen/Arnsberg. Vier Posaunen plus Orchester? Wie spannend das klingt, zeigen die Hagener Philharmoniker beim Sinfoniekonzert mit dem Festival Sauerland-Herbst.

Die Hagener Philharmoniker sind das Residenzorchester des internationalen Blechbläser-Festivals Sauerland-Herbst. Diese Partnerschaft ermöglicht dem Publikum seit Jahren den Kontakt mit zahlreichen außergewöhnlichen Trompetern, Hornisten und Tubisten. Die Kombination von großem Sinfonieorchester und Brass-Ensemble bietet zudem Entdeckungsreisen in ein Repertoire, das im Konzertalltag sonst selten zu hören ist. Mit den Wiener Ausnahmemusikern von Trombone Attraction erlebte das Publikum jetzt, dass es nur etwas gibt, das besser klingt, als eine Posaune alleine: vier Posaunen. Das Konzert wurde am Dienstag in der Hagener Stadthalle gespielt und am Mittwoch im Sauerlandtheater Arnsberg. Wir haben das Konzert in Hagen besucht.

Vier Posaunen kennt man aus dem Choral der protestantischen Kirchenmusik, sie klingen feierlich, ein wenig blechern und oft archaisch, weil es nicht ganz einfach ist, den Satz sauber zu intonieren. Wenn die vier Musiker von Trombone Attraction auf die Bühne kommen, muss das Publikum allerdings umhören. So elegant, geschmeidig, humorvoll und flexibel kann dieses Instrument hoch Vier sein? Die Posaunisten Stefan Obmann, Christian Poitinger, Martin Riener und Raphael Stieger kommen aus der berühmten Vienna Brass Connection, sie spielen in den großen Orchestern ihrer Heimatstadt, sind zum Teil auch Professoren. Für den Sauerland-Herbst haben sie ein Werk des bekannten niederländischen Komponisten Jan Koetsier ausgewählt, das Concertino für vier Posaunen und Streichorchester.

Zwei Erzählungen

Das Stück verschränkt zwei zeitlich-stilistische Erzählebenen. Die Streicher etablieren eine vertraute Welt der klassischen Musik, in welche die vier Posaunen mit vielen aus dem Jazz abgelauschten Elementen mal in den Dialog treten und mal fröhlich hinein grätschen. Das ist ein virtuoser Höllenritt mit halsbrecherischen Läufen, tollen Effekten und immer wieder herzberührenden Kantilenen. Gerade der langsame Satz mit seinem großen Solo klingt wie eine Verschränkung von Lied und Gebet, einfach wunderbar. Das Publikum reagiert begeistert, und Trombone Attraction bedanken sich mit einem Arrangement des Traditionals Swanee River.

Maestro Rodrigo Tomillo, Erster Kapellmeister am Theater Hagen und international gefragter Dirigent, rahmt den Auftritt der Solisten mit einem ukrainischen Programm ein, Pjotr Iljitsch Tschaikowskis zweiter Sinfonie und „Mover of the Earth, Stopper oft the Sun“, einer Auftragsarbeit der jungen ukrainischen Komponistin Svitlana Azarova für das Orchestre National d’Île-de-France. Das Werk thematisiert den revolutionären Umbruch, den das heliozentrische Weltbild des Kopernikus für die europäische Geistesgeschichte bedeutet. Mit den Hagener Philharmonikern klingt es wie ein Experiment über musikalische Energie, in dem die flirrenden Klänge der Holzbläser und Streicher immer wieder von den Rufen der Blechbläser eingefangen und schließlich zu massiven Blech-„Umlaufbahnen“ verdichtet werden.

Lange Umbaupause

Leider gibt es zwischen dieser kurzen Ouvertüre und dem Auftritt von Trombone Attraction eine ausgedehnte Umbaupause, so dass das Publikum lange braucht, um überhaupt in einen sinfonischen Konzentrations-Modus zu gelangen; diese Art von Ablauf-Dramaturgie hat sich in Konzerten eigentlich überholt.

Zum Abschluss dann Tschaikowskis zweite Sinfonie, die „ukrainische“ genannt wird, weil hier mehrere ukrainische Volkslieder verarbeitet werden. Rodrigo Tomillo gelingt es, mit den sehr konzentrierten Philharmonikern über alle vier Sätze hinweg eine außerordentlich dichte Spannung zu halten und spannende musikalische Details zum Leuchten zu bringen. Das einleitende Hornsolo gibt die dunkelglühende Farbe und sehnsüchtige Stimmung des Werks vor, die feinen kammermusikalischen Strukturen des Satzes werden von Rodrigo Tomillo schön herausgearbeitet. Der Dirigent lebt diese Musik und findet einen nicht zu schnellen, aber sehr lebendigen Puls dafür.

Wenn die Pauke auf die Pauke haut

Der langsame Satz beginnt als ländlicher Tanz, der sich, ganz unerwartet und pikant, in ein zartes Lied der Pauke verwandelt. Im Schlusssatz schließlich arbeitet Tomillo liebevoll alle kontrapunktischen Kunststückchen Tschaikowskis heraus, dazu die großen Kontraste zwischen den lieblichen Streichern und den choralartigen Blechakkorden und steigert sich schließlich mit großem Tamtam in ein überwältigendes Finale.

Das Publikum in Hagen bedankt sich mit langanhaltendem Beifall, teils im Stehen und vielen „Zugabe“-Rufen.

Das Festival Sauerland-Herbst geht noch bis zum 28. Oktober. Das Abschlusskonzert erklingt am Samstag mit dem James-Morrison-Quartett in Brilon. www.sauerland-herbst.de