Paderborn/Olpe. Heinrich Maiworm wurde als Kind im Konvikt in Attendorn missbraucht. Warum er sich heute für Versöhnung einsetzt.

Die Vorwürfe gegen die Priesterbrüder Kardinal Franz und Paul Hengsbach haben die Katholiken in den Bistümern Essen und Paderborn entsetzt. Doch es gibt auch Aggressionen – gegen den Essener Bischof Overbeck, der dem „woken“ Zeitgeist folgen und einen Mann beschuldigen würde, der sich nicht mehr wehren könne. Und gegen die Opfer, denen unterstellt wird zu lügen. Mit derartigen Angriffen muss auch die Betroffenenvertretung im Erzbistum Paderborn leben. Hier führte eine Hinweistafel an den Bischofsgräbern im Paderborner Dom zu Vandalismus und Anschuldigungen. Heinrich Maiworm aus Olpe ist Sprecher der Betroffenenvertretung. Er erläutert, welche Zeichen sich die Opfer von Missbrauch in Kirche und Gesellschaft wünschen.

Hinweistafel gestohlen

Die Hinweistafel im Paderborner Dom macht darauf aufmerksam, dass die dort bestatteten Bischöfe Kardinal Jaeger und Kardinal Degenhardt aus heutiger Sicht schwere Fehler im Umgang mit sexuellem Missbrauch begangen haben. Daraus ist eine lautstarke Auseinandersetzung geworden. Worum geht es?

Heinrich Maiworm: Die beiden Hauptkontrahenten, eine prominente Ordensschwester und der Sprecher des Betroffenenbeirats der deutschen Bischofskonferenz, warfen sich gegenseitig Unglauben und Empathielosigkeit vor. Entsprechend heftig fielen die Diskussionsbeiträge in den sozialen Medien aus. Damit, dass Medien polarisieren, müssen wir von sexuellem Missbrauch Betroffene rechnen. Und wir müssen uns fragen, was wir mit der Tafel und einer Erinnerungsstätte im Dom oder auf dem Domplatz erreichen wollen. Einen Teil der Besucher verärgern, verschrecken? Oder dazu beitragen, dass sich bestehende Lager versöhnlicher begegnen?

Und was möchten Sie erreichen?

Wer – wie ich – unter der Ägide Lorenz Jaegers in einem erzbischöflichen Konvikt von einem Mitarbeiter sexuell missbraucht wurde, muss nicht hasserfüllt auf eine Inschrift „Lorenz-Jaeger-Haus“ oder „Lorenz-Jaeger-Straße“ reagieren. Selbst, wenn ich inzwischen weiß, dass der Täter auch nach damaligen Kriterien als Serientäter niemals hätte weiterbeschäftigt werden dürfen, schon gar nicht von der katholischen Kirche. Die Hinweistafel an seinem Ehrengrab soll nicht der Rache dienen. Wir wollen damit zur Aufarbeitung beitragen. Wir arbeiten gerade mit dem Domkapitel an Texten, die auf der Tafel per QR-Code hinterlegt werden.

Gräber der falsche Ort?

Es wird kritisiert, dass Gräber in Kirchen der falsche Ort für solche Hinweise seien.

Das Argument ist nicht nachvollziehbar. Bischofsgräber in der Krypta eines Doms sind Ehrengräber, oft sind Kathedralen über solchen Gräbern errichtet worden. Ziel der Initiative der „Unabhängigen Betroffenen-Vertretung im Erzbistum Paderborn“ ist es nicht, mit der Hinweistafel an diesen Gräbern auf einen möglichen Verbleib der Verstorbenen im Jenseits zu verweisen. Aus unserer Sicht sind die Versäumnisse der Bischöfe einzubetten in eine ,Kultur‘ des Wegschauens und Verdrängens einer ganzen Gesellschaft. Die wollen wir aufarbeiten, um zukünftigen Generationen ein Schicksal zu ersparen, wie wir es mit uns tragen. Diesem Ziel dient die Tafel.

Im Bistum Essen wurde bereits das Kardinal-Hengsbach-Denkmal entfernt, und viele Straßennamen werden derzeit überklebt. Sie selbst haben eine Diskussion um das Lorenz-Jaeger-Haus in Olpe angeregt.

Ich kenne Leute, die in einer ähnlichen Situation sind wie ich. Wenn die durch Olpe gehen und sehen groß „Lorenz-Jaeger-Haus“, dann ist das wirklich eine Zumutung. Beim Hengsbach-Denkmal wäre es besser gewesen, es gar nicht erst aufzustellen.

Anerkennung für Prävention

Ihr Hauptanliegen ist die Prävention. Und sie haben viel Anerkennung übrig für die Anstrengungen auf diesem Gebiet durch die katholische Kirche.

Meines Erachtens ist die katholische Kirche heute weltweit führend, was die Prävention angeht. Es wäre für mich unter diesem Aspekt eine Katastrophe, wenn die katholische Kirche verschwinden würde.

Wofür setzen Sie sich ein?

Wir brauchen eine Wahrheits- und Versöhnungskommission. Die Leute müssen schonend damit konfrontiert werden, dass wir an diesem ganzen System alle gleichermaßen beteiligt waren, die einen als Täter, die anderen, weil sie weggeschaut haben. Ich möchte mit dem, was ich tue, dazu beitragen, dass die Gräben zugeschüttet werden. Mein Vorschlag ist, dass die Betroffenenvertretung zusammen mit dem Erzbistum in die Gemeinden geht, dass wir dort vor Ort erläutern, was wir uns von unserer Arbeit erhoffen. Und, das ist ganz wichtig, das Gespräch mit den Betroffenen sollte auch in der Priesterausbildung geführt werden. Das jedenfalls werden wir dem Paderborner Generalvikariat vorschlagen.