Kirchhundem. In Südwestfalen sind Auszubildende weiter Mangelware: Wie Sauerland Metall Technik in Kirchhundem auf die Suche geht und wo die Ursachen liegen.
Der Humor ist ihm nicht vergangen, die Motivation auch nicht, im Gegenteil: Im frisch modernisierten Bürogebäude der SMT Sauerland Metall Technik arbeitet Geschäftsführer Frank Meier mit seinem Team am Problem der 2020er Jahre.
Der Betrieb hatte sich erst vor Kurzem neu aufgestellt, es läuft auch gut; doch zwischen realisierten Projektideen der Mitarbeiter und dem Getöse riesiger Maschinen fehlt eins: die Auszubildenden.
Sauerland Metall Technik Kirchhundem fehlen die Azubis
Dem Metalltechniker im Kreis Olpe – genauer gesagt in Kirchhundem – geht es damit nicht anders als zahlreichen anderen Unternehmen in diesem Sommer. Die Zahl der Bewerbungen auf offene Ausbildungsstellen sinkt: NRW-weit und ganz besonders in Südwestfalen.
„Wir drehen mittlerweile den Bewerbungsprozess um“, erläutert Frank Meier das Ausmaß der Situation. Statt auf Bewerbungen zu warten, sammelt die Firma Kontakte potenzieller Azubis und geht aktiv auf diese zu. „Wir bewerben uns bei ihnen.“
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Fast zwei Stellen pro Bewerber in Südwestfalen
Wie es zur Auszubildenden-Flaute kommen konnte, bleibt heiß diskutiert; an Lösungen arbeiten nicht nur die Betriebe selbst. Auch die Südwestfälische Industrie- und Handelskammer zu Hagen setzt alles daran, Schulabgänger wieder für die gute, alte Berufsausbildung zu begeistern.
Während im ganzen Bundesland laut der Bundesagentur für Arbeit NRW auf einen Bewerber zurzeit 1,12 Ausbildungsstellen kommen, sind es in Südwestfalen im Durchschnitt sogar 1,66 Stellen pro Bewerber. In absoluten Zahlen stehen im Juni 2023 dementsprechend 10.750 gemeldete Ausbildungsstellen 6.484 Bewerbern gegenüber.
Am härtesten trifft es dabei die Dienststelle der Bundesagentur für Arbeit in Siegen, zu deren Bereich auch Kirchhundem gehört: 1,88 Stellen pro Bewerber gibt es hier.
Ausbildung hat sich verändert
Für die Firma SMT hat das Phänomen einige Ursachen. „Das System Ausbildung ist antiquiert“, so Frank Meier, „wir müssen es wieder interessant machen.“ Was er damit meint? Relativ einfach: Viele Menschen hätten beim Begriff der Berufsausbildung noch das Bild aus den 60er Jahren im Sinn – die eintönige Arbeit am Fließband, in der Fabrik und auf Montage.
Dabei sei Ausbildung heute modern und eben „nicht mehr das alte Kabelwerfen“, wie Meier es formuliert. Die Zeiten hätten sich geändert.
Alle Wege offen
Es müsse in der Gesellschaft ankommen, dass Handwerker über die vergangenen Jahre eine viel höhere Wertigkeit erlangt haben und noch immer erlangen. Ein Heizinstallateur auf Mallorca beispielsweise verdiene sich eine goldene Nase, so Meier.
„Wenn die Ausbildungsqualität gut ist, dann hat man weltweit Möglichkeiten“, erklärt der Geschäftsführer, „man ist nicht festgenagelt, das ist doch eine geile Geschichte.“
Ferienarbeiter machen Hoffnung
Der Geschäftsführer drückt sich von Zeit zu Zeit genauso aus wie die jungen Leute, die das Unternehmen ansprechen will. Zum Beispiel die Ferienarbeiter, die sich hier im Sommer ihr Taschengeld dazuverdienen, sind eine Hoffnung für das Unternehmen. „Es wäre natürlich schön, wenn sie sich nach der Schule für eine Ausbildung hier entscheiden“, so Meier, während er den zwei Schülern den Mechanismus einer der vielen hochmodernen Maschinen zeigt.
„Innovativ. Effizient. Anders“ lautet der Leitspruch von SMT in Kirchhundem. Getreu diesem Motto strukturiert der Betrieb auch seine Ausbildung. Auf seiner Homepage bietet er momentan drei verschiedene Ausbildungsstellen an: zum Industriekaufmann/-frau, zum Konstruktionsmechaniker für Feinblechbautechnik und zum Maschinen- und Anlagenführer. Normalerweise gibt es je eine Stelle pro Jahr – „wir nehmen aber auch gern mehr Azubis an.“
Eigene Ideen umsetzen
Als mittelständiges Unternehmen mit etwas mehr als 100 Mitarbeitern habe SMT da ganz andere Möglichkeiten als große Firmen. „Der Riesenunterschied ist, dass die Auszubildenden hier sehr vieles und verschiedenes selbst machen können“, so Meier.
Statt „keine Idee“ zu haben, was genau sie eigentlich herstellen, wüssten sie, wie die Maschinen funktionieren, wo sie nachhaken können, wenn sie einen Fehler entdecken und sähen am Ende die fertigen Produkte. „Und unsere Mitarbeiter können ihre eigenen Ideen mitbringen und umsetzten“, sagt der Geschäftsführer.
Jung und Alt
Wie zum Beispiel Feuertonnen aus Stahl. Diese hatte das Unternehmen zu Coronazeiten eingeführt. Heute werden sie mit den verschiedensten Motiven verkauft, und stehen in unterschiedlichen Ausführungen im Bürogebäude. „Man kann alles ausprobieren. Wenn es funktioniert, macht man weiter. Das ist auch das, was einen kleineren Betrieb ausmacht.“
Auch das Zusammenspiel zwischen Alt und Jung funktioniere hier, und die gezielte, offene Kommunikation stehe weit oben. Trotzdem gibt es bisher für dieses Ausbildungsjahr erst eine besetzte Stelle bei SMT.
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Fast Hälfte der Abiturienten will Ausbildung
Doch woran liegt das? Das Narrativ der überakademisierten Gesellschaft hält sich bis heute hartnäckig. Auch bei SMT hört man vom Phänomen der Abiturienten, die „alle nur studieren“ wollen. Christoph Löhr, Pressesprecher der Bundesagentur für Arbeit NRW, sieht die Ursache an einer anderen Stelle: „2014 beispielsweise hatten wir noch einen Bewerberüberhang. Die Jugend ist allerdings weniger geworden, das ist der demografische Wandel.“
Dass mehr Leute studieren, könne man so nicht sagen – auch die Universitäten hätten in vielen Studiengängen Schwierigkeiten, ihre Plätze zu besetzen. Löhr verweist im Zusammenhang auf eine Studie der Bertelsmann-Stiftung („Monitor Ausbildungschancen 2023“), laut der mittlerweile fast die Hälfte aller Abiturienten eine Berufsausbildung anstreben.
Alter egal
Was zusätzlich hoffen lässt: Auch die Option „zweiter Bildungsweg“ verbreitet sich immer weiter: „Das Alter ist egal“, betont Frank Meier. „Hier hat jeder die gleiche Chance, der Lust aufs Handwerk und keine Manschetten hat.“ Denn anpacken müsse man.
„Es ist faszinierend, mit dem Material zu kämpfen. Wir stehen auf Blech“, sagt der Geschäftsführer. „Es ist wertig, schön, änderbar, flexibel. Und neue Ansprüche und Herausforderungen begeistern.“
IHK Südwestfalen: Leichter Optimismus
Es sind ausschließlich positive Attribute, die Meier der Ausbildung in seinem Unternehmen zuordnet. Und genauso positiv sind die Worte, die Thomas Haensel, Geschäftsführer der SIHK, für jede Ausbildung der Industrie- und Handelskammer findet. „Es gibt in diesem Jahr sensationell viele Berufsausbildungsplätze. Nun brauchen sie die verdiente Wertschätzung und das versuchen wir zu befeuern.“
Eine IHK-Kampagne auf TikTok zeigt unter dem Titel „Ausbildung macht mehr aus uns“ Einblicke in verschiedene Berufsausbildungen und versucht so, junge Leute zu gewinnen. Und auch, wenn die Bewerberzahlen bis dato noch keine Steigerung erfahren: Die Tatsache, dass die Betriebe nach der Coronakrise wieder mehr Ausbildungsplätze zur Verfügung stellen, lässt Haensel „gedämpft optimistisch“ in die Zukunft schauen.
SMT hat Hoffnung
Frank Meier hofft ebenso weiter auf Auszubildende für SMT in Kirchhundem: „Wir verlieren zusammen, wir gewinnen zusammen. Das kann nur durch Machen funktionieren. Und das müssen wir den jungen Menschen vermitteln.“