Olpe. Peter Harzheim (Olpe), Präsident des Bundesverbandes Deutscher Schwimmmeister, fordert nach Gewaltausbrüchen in Bädern ein härteres Durchgreifen.

Der oberste Schwimmmeister Deutschlands kommt aus Olpe. Peter Harzheim (67) ist zwar nach 45 „erfüllten Berufsjahren“ vor drei Jahren in den Ruhestand gegangen, aber der Sauerländer steht weiter dem Bundesverband Deutscher Schwimmmeister (BDS) vor. „Es ist meine Lebensaufgabe“, sagt Harzheim, der sich nach den jüngsten Berichten über Gewaltausbrüche in Freibädern engagiert äußert.

Sie sind in diesen Tagen in den Medien ein vielgefragter Mann. Haben Randale in Bädern in diesem Sommer eine neue Qualität erreicht?

Peter Harzheim: Ende letzter Woche standen tatsächlich ständig Kamerateams vor unserem Haus. Das muss ich nicht jeden Tag haben. Aber wenn man nicht jetzt seine Stimme erhebt, wann dann? Von einer neuen Qualität würde ich nicht sprechen. Früher gab es auch mal die ein oder andere Prügelei am Beckenrand. Solche Situationen konnten wir als Schwimmmeister gut bewältigen. Aber wir stellen fest, dass seit 2015 der Respekt abgenommen und die Gewalt zugenommen hat.

Haben Sie eine Erklärung dafür?

Es hilft nicht, um den heißen Brei herumzureden: Es sind zum großen Teil Jugendliche und junge Männer mit Migrationshintergrund, die bei Gewaltausbrüchen auffällig werden. Jungs, die patriarchalisch erzogen wurden und wenig Respekt vor Frauen haben. Sie plustern sich an Sprungtürmen und Rutschen wie ein Pfau auf und machen junge Damen blöd an. Das ist Machogehabe halbstarker Möchtegern-Playboys. Kommen mitgliederstarke Gruppen aus verschiedenen Kulturkreisen zusammen, reicht oft eine Nichtigkeit – ein falscher Blick, ein Spruch –, dass es knallt. Die Hitze und ein volles Bad, also viel Publikum, tun ihr Übriges – dann scheint der Testosteronspiegel bei manchen Heranwachsenden noch höher zu steigen.

Ist Gewalt in Schwimmbädern ein Großstadtphänomen?

Nicht unbedingt. Die Menschen sind vielerorts egoistischer geworden und legen gleichzeitig weniger Respekt und Wertschätzung anderen gegenüber an den Tag. Aber es ist schon so: Je mehr Menschen zusammenkommen, umso größer ist die Gefahr, dass es Probleme gibt.

Sie sprachen den Respekt an. Ist der Respekt gegenüber Schwimmmeistern weniger geworden?

Leider ja. Früher war der Schwimmmeister auf einer Stufe mit dem Bürgermeister und dem Pfarrer. Was er gesagt hat, wurde befolgt. Und heute? Fehlanzeige! Hinzu kommt, dass die jungen Leute, die Randale machen, erst recht keinen Respekt vor unseren Schwimmmeisterinnen haben. Unser Beruf war lange Zeit eine Männerdomäne. Heute ist die Hälfte der Schwimmmeister Frauen. Dass Kolleginnen und Kollegen irgendwann die Lust verlieren, wenn sie angepöbelt oder bespuckt werden, ist klar.

Peter Harzheim ist vor drei Jahren in den Ruhestand gegangen, zuvor war er als Schwimmmeister in Finnentrop tätig. Seine Verbandsarbeit macht der 67-Jährige weiter.
Peter Harzheim ist vor drei Jahren in den Ruhestand gegangen, zuvor war er als Schwimmmeister in Finnentrop tätig. Seine Verbandsarbeit macht der 67-Jährige weiter. © FUNKE Foto Services | Bernd Thissen

Es gibt ohnehin zu wenig Schwimmmeister im Land. Oder?

Wir schätzen, dass in Deutschland 3000 fehlen. Tendenz steigend. In der Pandemie und in der Energiekrise sind wegen der Kurzarbeit so manche Kolleginnen und Kollegen in die Industrie gewechselt. Hinzu kommt, dass viele Baby-Boomer jetzt in Rente gehen. Dabei haben wir einen schönen, facettenreichen Beruf. Ich habe tausenden Kindern das Schwimmen beigebracht, unzählige Baby- und Wassergymnastik-Kurse geleitet. Wenn man in die glücklichen Augen der Teilnehmer schaute, war das die schönste Bestätigung. Aber das ist nicht alles. Schwimmmeister müssen angemessen bezahlt werden. Da herrscht vielerorts großer Nachholbedarf.

Haben Sie in Ihren 45 Berufsjahren eigentlich selbst einmal eine Gewalterfahrung machen müssen?

Einmal stand ein Jugendlicher mit einem Messer in der Hand vor mir, ein anderes Mal baute sich eine Kante vor mir auf. Aber so richtig heftig wurde es ein halbes Jahr vor meinem Ruhestand. Da haben mir drei junge Männer Prügel angedroht. Ich habe die Polizei gerufen, hatte das erste Mal richtig Angst. Wir Schwimmmeister sind nicht die coolen Menschen, für die wir immer gehalten werden. Wir dürfen auch Angst haben, dann sind wir noch vorsichtiger, wenn es um die Sicherheit unserer Gäste geht.

Was müsste getan werden, damit Gewaltexzesse wie jüngst im Columbiabad in Berlin-Neukölln aufhören?

Den Jungs wurde bei der Erziehung offenbar nicht vermittelt, dass man sich an Regeln halten muss. Also müssen sie jetzt empfindlich zu spüren bekommen, dass es Grenzen gibt. Was nützt es, wenn sie von der Polizei mitgenommen werden und nach fünf Minuten die Wache wieder verlassen dürfen. Das ist wie bei Kindern: Wenn man immer nachgibt und sie ständig ausloten können, wie weit sie gehen können, machen sie irgendwann nur noch das, was sie wollen. Viel zu lange hat unsere Kuschel-Justiz zugeschaut. Sie muss ihren Ankündigungen eines konsequenten Durchgreifens endlich Taten folgen lassen. Bewährung für Gewalttäter, die auch Unbeteiligte in Gefahr bringen? Den Jungs muss es weh tun, sonst lernen sie es nie.

Was können Badbetreiber tun?

Viele Bäder haben bereits Sicherheitsdienste beauftragt. Es spricht auch nichts dagegen, das Hausrecht konsequent zu nutzen und zu kontrollieren. Vielleicht sollte man in bestimmten Bädern über Zeit-Slots nachdenken – dass zu bestimmten Zeiten nur Familien mit Kindern oder Frauen ins Bad dürfen. Es würde bestimmt auch etwas bringen, wenn eine Polizeistreife ab und an am Freibad vorbeischaut. Sie würde auffallen und vielleicht manche davon abhalten, Randale zu machen.

Sie haben drei Enkel. Würden Sie mit denen in diesem Sommer ins Schwimmbad gehen?

Selbstverständlich. In ein Bad, in dem ständig Randale passieren, natürlich nicht. Sonst aber überall. Mindestens 95 Prozent der 6000 Hallen- und Freibäder im Land sind sicher, auch weil das Personal in Deeskalationstrainings geschult ist. Randale in Bädern sind nach wie vor nur eine Randerscheinung mit leider extremen und öffentlichkeitswirksamen Ausreißern. Glauben Sie mir: Die Leute können weiter unbesorgt in Bäder gehen. Es gibt doch kaum einen schöneren Ort der Freude als ein Schwimmbad.

Hintergrund

Keine vermehrten Polizeieinsätze in der Region

In Südwestfalen hat es in diesem Sommer bislang keine Zunahme an Polizeieinsätzen in Schwimmbädern gegeben, wie eine Umfrage dieser Zeitung bei Kreispolizeibehörden ergab.

In Bad Berleburg wurde die Polizei vor knapp einer Woche zum Rothaarbad gerufen. Einem Pollizeisprecher zufolge waren Kinder zweier Familien in eine körperliche Auseinandersetzung geraten. Einer der Väter mischte sich ein und soll ein Kind verletzt haben. Der Aufforderung, das Bad zu verlassen, kamen beide Familien nicht nach – erst als die gerufenen Beamten einen Platzverweis erteilten.