Hagen. Geweihe und Deko-Hirschköpfe liegen als Einrichtungs-Accessoires voll im Trend. Der Handel blüht. Das Geweih-Sammeln im Wald ist jedoch illegal.

Fritz-Ulrich Hammerschmidt ist passionierter Jäger und hat ein gutes Auge dafür, was sich rund ums Wild im Wald abspielt – und in deutschen Wohnzimmern. Als die ersten, bisweilen grell-bunten Deko-Hirschköpfe und -geweihe an den Wänden der guten Stuben angebracht wurden, hatte der Kreisjagdberater im Hochsauerlandkreis gedacht, dass der (K)elch ganz schnell an ihm vorübergeht. Sprich: in wenigen Monaten.

Doch Pustekuchen: „Die Dekostücke, dazu zählen auch Geweihlampen oder -garderoben, liegen seit zwei, drei Jahren im Trend. Ich würde im Moment sogar von einer großen Mode sprechen.“ Auch die Auslagen von Einrichtungshäusern und Dekoläden zeugen davon, dass der Kopfschmuck des röhrenden Hirsches derzeit der letzte Schrei ist.

Vom Sammeltobjekt zum Blickfang an der Wohnzimmerwand

Längst schmückt das Geweih an der Wand nicht mehr nur das traditionelle Jagdzimmer des überzeugten Waidmanns, sondern dient auch als stylishes Wohnaccessoire von Nicht-Jägern. Sozusagen vom begehrten Trophäen-Sammelobjekt zum Blickfang und Schmuck an der Wand. Er wundere sich doch sehr, sagt Hammerschmidt. Jägerlatein in Vollendung.

Also blüht insbesondere im Internet der Handel mit Hirschobjekten aller Art – ob Kissen, Lampen, Brieföffner, Kerzen- oder Trinkglashalter, ob aus Gusseisen oder im Original-Material. Die Aussicht auf ein lukratives Geschäft jedenfalls hat im Frühjahr mancherorts zu menschlichen Sammelaktivitäten im Wald geführt. In dieser Jahreszeit nämlich wirft der Rothirsch sein Geweih ab.

Mitnahme ist illegal

Das Mitnehmen von Abwurfstangen (in der Jägersprache das abgeworfene Geweih) und die gezielte Suche danach sind allerdings nach Paragraf 292 des Strafgesetzbuches illegal. „Es ist eine Straftat, ein Wilderei-Delikt“, wie Hammerschmidt ausführt.

Nach Paragraf 15 des Bundesjagdgesetzes bedarf es zum Sammeln von Abwurfstangen der schriftlichen Erlaubnis des „Jagdausführungsberechtigten“ (Jagdpächter oder Waldeigentümer). Zudem, so betonen Forstexperten, störten die menschlichen Suchaktionen im Unterholz das Wild massiv, lösten gar Fluchtreaktionen hervor.

Je nach Größe Preise zwischen 20 und 300 Euro

Im Sauerland scheint die Welt in dieser Hinsicht freilich noch in Ordnung zu sein. „Mir ist bislang noch kein Geweih-Diebstahl im Wald zu Ohren gekommen“, sagt Kreisjagdberater Hammerschmidt aus Brilon-Scharfenberg und erklärt, dass die gehandelten Abwurfstangen meist aus Polen und Ungarn stammten: „Dort findet sich mehr Rotwild als hierzulande.“ Je nach Größe seien Preise zwischen 20 und 300 Euro durchaus üblich. „Trophäen mit Schädel sind natürlich noch teurer.“

Trends kommen und gehen

Swen Homrighausen ist Antiquitätenhändler, Haushaltsauflöser und Nachlassverwalter in Bad Berleburg. Was im Wohnzimmer früher der gemalte röhrende Hirsch neben der Schrankwand „Eiche rustikal“ war, können heute der golden, silbern oder neonfarben glitzernde Hirschkopf oder das „Geweih Natur“ sein.

„Seit ich meinen Beruf ausübe, lag das Deko-Geweih schon zehn Mal im Trend. Und nach kurzer Zeit war es wieder vorbei.“ Hirschköpfe oder auch „Rehbockkrönchen“ seien Paradebeispiele dafür, wie Trends kommen und gehen: „Eine Wohnzeitschrift veröffentlicht ein Foto mit einem lackierten Geweih, oder jemand postet eine entsprechende Aufnahme bei der Online-Galerie Pinterest – und schon werden die Dinger massenhaft gekauft.“

Kamerafallen gegen Geweih-Diebe

Es gebe Leute, die das schön finden, ergänzt Homrighausen und lächelt: „Meine Sache ist das nicht.“

Der Wittgensteiner kann sich noch an Zeiten erinnern, als das Abwurfstangen-Suchen im Wald eine Art Volkssport gewesen sei. „Heute kommt das seltener vor“, sagt er, „aufgestellte Kamerafallen haben schon eine abschreckende Wirkung gezeigt.“

Sammlung in der Garage

Wenn der Trödler aus Bad Berleburg zu Haushaltsauflösungen aufbricht, findet er „immer“ zwei, drei Geweihe, wie er sagt. „Manchmal auch 40 oder 50.“ Er sammelt sie in seiner Garage, dort finden sich derzeit viele Exemplare, aber auch „Rehbockkrönchen“, die von Käufern als Messerbänkchen auf dem Esstisch genutzt würden.

„Geweihe sind ein Rohstoff wie Gold oder Silber“, sagt Homrighausen. Für ein Kilogramm bekommt er 15 bis 16 Euro. Mit dem Material Hirschhorn werden unter anderem Knöpfe, Besteck oder Kauartikel für Hunde hergestellt. Homrighausen weiß, dass Calzium-reiches Hirschhorn insbesondere in China nachgefragt ist, wo es zu Potenzmittel verarbeitet wird.

Eine unendliche Geschichte

Der Mensch und das Hirschgeweih – es scheint eine unendliche Geschichte zu sein. In den späten 90er- und Anfang der 2000er-Jahre ließen sich zahlreiche Bundesbürger ein sogenanntes „Arschgeweih“ am unteren Rücken stechen und später wieder weglasern.

Jetzt droht neues Ungemach: „In den 2020er Jahren beginnt es wieder an Popularität zu gewinnen“, heißt es im allwissenden Internet-Lexikon „Wikipedia“. Da bleibt nur Schweigen im Walde.