Lüdenscheid. Prof. Horst Siebert berechnete vor dem damaligen Bau der Talbrücke Rahmede die Statik. Am Sonntag nahm er Abschied von dem besonderen Bauwerk.
Im Grunde sah der Mann aus, als sei er an diesem Tage dienstlich unterwegs: Fernglas um den Hals, Lederkoffer am langen Arm, einen alten Rechenschieber in der Innentasche des Trenchcoates. Prof. Horst Siebert (87) hielt es für angebracht, die Gerätschaft, die ihm sein alter Chef geschenkt hatte, als eine Art Glücksbringer mitzuführen.
Eigens aus München war Siebert zur Sprengung der Talbrücke Rahmede am Sonntag in Lüdenscheid angereist, weil es ihm eine Herzensangelegenheit war: Siebert hatte die Brücke damals – vor ihrem Bau zwischen 1965 und 1968 – als Statiker bei der Brückenbaufirma C.H. Jucho in Dortmund berechnet. Nun wollte er Abschied nehmen von dem Bauwerk. „Es war für mich nur logisch, dass ich als jemand, der als Geburtshelfer dabei war, auch bei der Beerdigung dabei bin“, sagt er und lacht.
Und wie war für ihn der Moment des Zusammenbruchs nun? „Es ist ja kein Mensch“, sagt Siebert. Soll wohl heißen: Es ging ohne Tränen und größere Gefühlsausbrüche.
Trotzdem: die Brücke ist und bleibt etwas Besonderes für ihn. Jahrzehntelang ertrug sie den wachsenden Verkehr auf sich: konzipiert für 25.000 Fahrzeuge, hielt sie sogar noch der doppelten Menge und mehr täglich stand. Als die Brücke 1971 eröffnet wurde, war Siebert schon in München – doch er hielt über all die Jahre Kontakt zu seinem alten Arbeitgeber, besuchte die Brücke sogar mehrfach, zuletzt 2011.
In seinem Aktenkoffer hat er einen Bauplan der alten Brücke dabei und Schwarz-Weiß-Fotos vom Beginn des Baus. Aus der Zeit, als ein Montageunfall einen Mitarbeiter das Leben kostete. „Ich hätte damals selbst auf der Brücke sein sollen. Aus Zufall kam es anders. Sonst säße ich jetzt nicht hier.“
Das große Aufräumen an der Rahmedetalbrücke hat begonnen
Den Niedergang „seines“ Bauwerks hat er ebenfalls mitverfolgt. „Damals hat das ja keiner ahnen können, wie sich der Verkehr entwickelt“, sagt Siebert. Die vielen schweren Lkw, die seien die Gefahr, weil sie den Stahl zum Schwingen bringen – bis er mürbe wird.
„Sie müssen sich das wie einen Draht vorstellen: Wenn Sie den an der immer gleichen Stelle biegen, bricht er irgendwann durch.“ Bedauerlich, sagt er, sei es, dass nicht rechtzeitig etwas unternommen worden sei, um die Brücke zu stabilisieren.