Hagen/Berlin. Brauchen Bewerber um die Königswürde beim Vogelschießen bald eine amtliche Unbedenklichkeitsbescheinigung? Das sagt das Bundesinnenministerium.
Die Aufregung bei heimischen Brauchtums- und Sportschützen war groß, als kürzlich erste Details eines Entwurfs zu verschärften Waffengesetzen in Deutschland durchsickerten. Sollte womöglich demnächst nicht mehr jedes Schützenmitglied berechtigt sein, beim traditionellen Vogelschießen mitzumachen, weil von allen Bewerbern um die Königswürde eine Art amtliche Unbedenklichkeitsbescheinigung von der Waffenbehörde der jeweiligen Kreispolizei für eine Gebühr von 40 Euro verlangt würde?
Das jedenfalls legte ein erster Referentenentwurf im Bundesinnenministerium für ein „Gesetz zur Verbesserung waffenrechtlicher Personenüberprüfungen“ nahe. Jetzt die Kehrtwende: „Ich kann für alle Schützen im ganzen Sauerland Entwarnung geben“, sagt der Briloner Bundestagsabgeordnete Dirk Wiese, Mitglied des im November 2022 gegründeten, parteiübergreifenden Parlamentskreises Schützenwesen im Deutschen Bundestag. „Das Vogelschießen wird in diesem Jahr und in den nächsten Jahren wie gewohnt stattfinden.“
Der SPD-Parlamentarier hatte im Bundesinnenministerium nachgefragt, nachdem sich die Briloner St.-Hubertus-Schützen an ihn gewandt hatten. Die Stellungnahme aus Berlin: Es werde eine Ausnahme für das Vogelschießen geben. Diese Ausnahme solle in dem „fortgeschriebenen Entwurf, welcher sich noch in einem frühen Stadium der Abstimmung zwischen den Ministerien befindet, aufgenommen werden“.
Erleichterung beim Sauerländer Schützenbund
Wolfram Schmitz, Bundesgeschäftsführer des Sauerländer Schützenbundes, zeigt sich erleichtert: „Die Einschränkungen im ersten Entwurf hätten uns fürchterlich getroffen. Dass sich alle Vereinsmitglieder am Wettstreit um die Königswürde beteiligen können, ist ein wesentlicher Bestandteil des Schützenbrauchtums.“
Der Drolshagener CDU-Bundestagsabgeordnete Florian Müller, Sprecher des Parlamentskreises Schützenwesen, kritisiert die Informationspolitik des Bundesinnenministeriums: „Es war mal angekündigt, dass Verschärfungen des Waffenrechts im Austausch mit den Schützen stattfinden sollen. Bislang erfahren die Schützen lediglich aus der Zeitung, was ihnen drohen könnte.“
Regelungen, die den Schützen ihre ehrenamtliche Arbeit weiter erschwerten, so der Christdemokrat aus dem Sauerland, „kann niemand gebrauchen“. Stattdessen seien „echte Wertschätzung für das Schützenwesen“ und „Kommunikation auf Augenhöhe“ erforderlich. Müller erwartet jetzt vertrauensbildende Maßnahmen seitens des SPD-geführten Innenministeriums.
Sportschützen in Sorge
Eine Ausnahme für das Vogelschießen also, aber was ist mit den Sportschützen? Hans-Peter Rehberg aus Bad Berleburg, Präsident des Westfälischen Schützenbundes, ist auf dem Baum: „Wenn unsere Athleten alle vier Jahre olympische Medaillen holen, wird das deutsche Sportschützenwesen von der Politik beachtet. Dann ist alles gut. Aber schnell kommt wieder der Alltag.“
Dass in Zukunft – das könnte dem Referentenentwurf zufolge drohen – Sportschützen zur Verlängerung ihrer Erlaubnisse psychologische Tests über sich ergehen lassen müssten, sei nicht zumutbar, findet Rehberg. „Es wäre eine Katastrophe. Beim Sportschießen geht es darum, seriös, ruhig und ausgeglichen vorzugehen. Es ist alles andere als eine wilde Ballerei.“ Dirk Wiese kündigte im Gespräch mit dieser Zeitung auch im Fall der Sportschützen eine „pragmatische Lösung“ an.
Bundesinnenministerin will schärfere Waffengesetze
Nach den gewaltsamen Silvesterkrawallen in Berlin und anderen Städten, bei denen Einsatz- und Rettungskräfte unter anderem mit Waffen bedroht wurden, sowie nach den aufgeflogenen Putschplänen einer Reichsbürger-Gruppe im vergangenen Dezember hatte sich Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) für eine Verschärfung der Waffengesetze ausgesprochen.
Die Opposition im Bundestag mutmaßt, dass der Referentenentwurf nicht zufällig kurz nach den Silvestervorfällen in Berlin das Licht der Öffentlichkeit erblickt hat. Ministerin Faeser hat kürzlich erklärt, dass sie als Spitzenkandidatin der SPD bei der hessischen Landtagswahl antreten wolle. Nun habe sie den Entwurf durchstechen lassen, um Tatkraft zu zeigen.
Nach Auffassung von Sportschützen-Funktionär Hans-Peter Rehberg sollte sich die Politik mehr um das Problem illegaler Waffen kümmern, die immer wieder eine Rolle bei Vorgängen spielten, die eine Diskussion um verschärfte Waffengesetze auslösten. „Wir als Sportschützen wollen als Sportler behandelt werden. Und nicht als Psychopathen.“