Arnsberg/Hagen. Im Zuge des Verbots der Rockergruppe „Bandidos“ wurden Motorräder einkassiert. Jetzt wollen die Rocker vor Gericht die Rückgabe erstreiten.

An Weiberfastnacht 2023 sind im Verwaltungsgericht Arnsberg zunächst die Männer los. Männer aus Hagen und dem Märkischen Kreis, die einst als „Kuttenträger“ galten, ohne Verkleidung. Die als Mitglieder der inzwischen verbotenen Rockervereinigung „Bandidos“ heiße Öfen gefahren sein sollen und sich jetzt nicht damit abfinden wollen, dass ihre PS-starken Harley Davidsons im Zuge des Verbots von den Behörden einkassiert wurden.

Mit neun Klagen hat sich das Verwaltungsgericht Arnsberg an diesem Tag zu befassen. Die Erfolgsaussichten, das macht Richter Herbert Schäfer deutlich, sind gering. Er verweist auf die „strenge und rigorose“ Rechtsprechung zu diesem Themenkomplex.

Das Statussymbol weggenommen

„Was ist ein Rocker ohne Motorrad wert?“, fragte „Die Welt“ vor einem Jahrzehnt mit Blick auf eine schon damals geführte Verbotsdebatte um Rockergruppen und zitierte einen Polizeigewerkschafter: „Ein Rocker ohne Motorrad ist nur die Hälfte wert.“ Man treffe ihn, wenn man ihm sein Statussymbol wegnehme.

Blickt man in das Gesicht des Sauerländers in Jeans und Turnschuhen, der als erster Kläger an der Reihe ist, mag man dies glauben. „Er ist leidenschaftlicher Motorradfahrer, besitzt seit 2009 kein Auto mehr“, sagt Anwalt Frank Nobis. Sein Mandant soll Mitglied des „Bandidos Motorcycle Clubs Hohenlimburg/Witten“ gewesen sein.

Gewaltmonopol beim Staat

Das Chapter, das nur wenige Monate bestanden hatte, war im April 2021 von NRW-Innenminister Reul verboten worden. Es galt nur als Ersatzorganisation für das eigentliche Chapter Hagen, das sich offiziell ausgelöst hatte, um einem Verbot zu entgehen. Das Chapter hatte sich mit den verfeindeten „Freeway Riders“ zuvor den so genannten „Hagener Rockerkrieg“ um die Vormachtstellung in der Stadt geliefert.

Auf offener Straße war es zu Schießereien mit teils schwer Verletzten gekommen. Die Spezialisten für Organisierte Kriminalität beim Polizeipräsidium Hagen ermittelten akribisch, konnten versuchten Mord, gefährliche Körperverletzung, illegale Waffendelikte, kurzum: die Strukturen einer kriminellen Vereinigung nachweisen.

500 Polizeibeamte bei Razzia im Einsatz

Schon beim Verbot des „Ersatz-Chapters“ Hohenlimburg/Witten samt der Rocker-Anwärtergruppe „Los Compadres Hagen“ waren 500 Polizeibeamte in Hagen, Lüdenscheid und Altena im Einsatz. In der Wohnung des Klägers aus dem Sauerland sollen Kutten mit Vereinsaufnähern gefunden worden sein. „Ihm ging es nur ums Motorradfahren“, betont Anwalt Nobis, „er ist nie strafrechtlich auffällig geworden.“

Doch das erste Verbot war nur der Auftakt zum endgültigen Schlag der Behörden gegen die Bandidos: Im Juli 2021 verbot der damalige Bundesinnenminister Seehofer die Rockergruppe generell, nachdem insbesondere durch die Hagener Ermittlungen die bundesweiten Führungsstrukturen offengelegt worden waren.

Harley Davidson als gestohlen gemeldet

Betroffen waren damit alle Chapter – auch das „BMC Menden Hillside“, das im Mittelpunkt des zweiten Gerichtsfalls des Tages steht. Ein Ex-Mitglied verlangt Fahrzeugpapiere und zwei Schlüssel zurück. Seine Harley ist als gestohlen gemeldet, konnte daher nicht eingezogen werden.

Als die Klägerseite im Verwaltungsgericht Arnsberg betont, dass „gemeinsame Motorradfahrten kein verwerflicher Vereinszweck“ seien, unternimmt Richter Schäfer einen Exkurs in die Bandidos-Rechtsprechung. Demnach seien Motorräder dem Vereinsvermögen von Rockerclubs zuzurechnen: „Der Vermögensbegriff ist in diesem Zusammenhang nicht wirtschaftlich zu verstehen, so dass es nicht darauf ankommt, dass der Kläger Eigentümer des Motorrads ist.“

Motorräder zur Förderung der Vereinszwecke genutzt

Da der Besitz einer Harley Voraussetzung für eine Mitgliedschaft bei den Bandidos sei, so Schäfer weiter, seien die Maschinen zur Förderung der Vereinszwecke genutzt worden: die Stärkung des Zugehörigkeitsgefühls, das einheitliche Auftreten oder die Machtdemonstration bei Vereinsausfahrten. Der Richter: „Wenn man 20 Harleys auf der Straße fahren sieht, ist man zumindest beeindruckt.“

Am Lenkrad einer solchen PS-starken Maschine dürfte sich die dritte Klägerin des Tages nicht wiederfinden. Die Dame im Rentenalter besitzt zwar seit einigen Jahren eine Harley, ist aber nicht im Besitz einer Fahrerlaubnis für Motorräder. Ihr Lebensgefährte sei der Pilot, sie nur Beifahrerin, erklärt sie. Dass sie „gelegentlich“ den Renner ihrem Sohn – „in dessen Freizeit“ – geliehen habe, ist für sie nicht ungewöhnlich.

Initialen auf dem Nummernschild

Ihre Harley wurde bei der Großrazzia im Zuge des Verbots des „BMC Hohenlimburg/Witten“ in der Garage des Sohnes entdeckt und einkassiert. Dieser soll nach Ermittlererkenntnissen Präsident des Chapters gewesen sein, das Nummernschild soll seine Initialen und sein Geburtsjahr getragen haben. Den großflächigen Bandidos-Aufkleber auf der Harley hat die Halterin nach deren Bekunden nicht wahrgenommen.

Gut möglich, dass sich demnächst das Oberverwaltungsgericht NRW mit den Klagen der verhinderten Harley-Besitzer befassen muss. Die Rechtsprechung ist bislang nicht gerade Rocker-freundlich. Es gilt offenbar weiterhin der Satz des damaligen Bundesinnenministers Seehofer, als er im Juli 2021 das Verbot für 38 Bandidos-Chapter verkündete: „Der Rechtsstaat lässt sich nicht an der Nase herumführen.“