Lüdenscheid. Nach Volker Wissing und Hendrik Wüst nimmt auch Friedrich Merz die A-45-Brücke in Augenschein. Warum er ein Jahr für seinen Besuch brauchte.

Friedrich Merz kommt mit Verspätung. Am Tag, aber vielleicht auch im Jahr. 22 Minuten später als 15 Uhr am Montagnachmittag rollt die graue Limousine mit Berliner Kennzeichen vor und entlässt den Parteivorsitzenden der CDU und Oppositionsführer im Bundestag zum Ortstermin: Rahmedetalbrücke in Lüdenscheid, gesperrt seit mehr als einem Jahr wegen akuter Einsturzgefahr. Die Autobahn 45, die Lebensader der Region Südwestfalen, aus der auch Merz stammt, ist seit dem 2. Dezember 2021 durchtrennt.

Friedrich Merz zu Besuch an der Talbrücke Rahmede

Programmpunkte für den Polit-Promi: ein Gespräch mit Bürgern, Arbeitgebern, der Wirtschaft, der Industrie. Danach: Baustellenbesichtigung mit den Experten der Autobahn GmbH Westfalen. Schlusspunkt: ein Gespräch mit Bürgermeistern der Region.

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Merz hat Mantel, Schal und schwarze Lackschuhe an, die ihn über die matschigen Straßen tragen. So richtig auf die Baustelle darf Merz mit seiner christliche demokratischen Entourage – zu der unter anderem die Bundestagsabgeordneten Florian Müller und Paul Ziemiak, der Europaabgeordnete Peter Liese und Landrat Marco Voge zählen – nicht. Zu gefährlich.

Am 18. Dezember sollte die Brücke schon gesprengt sein

Speziallaster transportieren derzeit tonnenweise Erdreich unter die Brücke, wo es von Raupenfahrzeugen verteilt wird. Vorbereitungen für die Sprengung, die bis zum 18. Dezember erledigt gewesen sein sollte. „Ich wollte mir jetzt eigentlich anschauen, wie die Brücke hier liegt“, sagt Merz und verweist damit auf den zeitlichen Verzug, dem das Projekt unterliegt.

Es geht ihm nicht schnell genug, das macht er deutlich. Sechs Monate habe es gedauert, bis in Wilhelmshaven ein LNG-Terminal gebaut gewesen sei. „Was in Wilhelmshaven möglich ist, muss auch in Lüdenscheid möglich sein“, sagt er. Fünf Jahre dauere es, so die Prognose, bis die Brücke wieder befahrbar ist. Die CDU mache Vorschläge, wie Infrastrukturmaßnahmen aller Art beschleunigt werden könnten. Einen Gesetzesentwurf dazu hat die CDU eingebracht, darauf verweist Merz. „Und ich erwarte, dass sich die Bundesregierung ernsthaft mit dem Thema Planungsbeschleunigung beschäftigt.“ Denn: „Wir sind in diesem Land zu langsam.“

Warum erst nach einem Jahr? „Wollte keinen Katastrophentourismus betreiben“

Besonders schnell war er aber selber nicht unbedingt. Warum er erst ein Jahr nach der Sperrung an die Brücke komme, wird er gefragt. „Weil ich keinen Katastrophentourismus betreiben wollte.“ Ein Jahr danach sei ein guter Zeitpunkt, um sich über die Arbeiten zu informieren. Schließlich sei er durch Florian Müller stets und immer auf dem Laufenden gehalten worden.

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Dort, wo Merz neben der Baustelle steht, vibriert der Boden unter den rangierenden Raupenfahrzeugen. Experten der Autobahn GmbH berichten ihm von der Errichtung des Fallbettes, von den rechtlichen Fragen, von der Ausschreibung für den Neubau. Merz fragt nach, nickt, zieht die Augenbrauen hoch, schürzt die Unterlippe. Und hört zu.

Bürger-Initiative nach Treffen angetan: „Er war zum Zuhören gekommen“

Es ist der Eindruck, den Merz auch im Gespräch mit Bürgern und Arbeitgebern hinterlässt. „Wir haben einen hoch interessierten und wenig redenden Friedrich Merz angetroffen, der anders als andere Politiker nicht ständig selbst redete. Er war zum Zuhören gekommen“, berichtete Teilnehmer Peter Becker, aktives Mitglied der Bürger-Initiative A 45. Grüße gehen offenbar raus an Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU), der neulich in Lüdenscheid war.

Merz habe sich Notizen gemacht. „Wir haben an ihn die Hoffnung adressiert, dass er in Berlin darauf drängt, dass überparteilich Lösungen gefunden werden, die nicht wochenlang in allen Fachausschüssen diskutiert werden müssen. Sondern dass eine Art Task Force nötig ist, damit Geschwindigkeit reinkommt.“ Er habe sich die Idee notiert, sagt Becker. Merz wiederum meint, er habe „gute Anregungen“ aus den Reihen der Bürger bekommen. Es sei auch der Wunsch klar geworden, dass es Entschädigungen für die Verluste in der Region geben müsse. „Darüber müssen wir auch in Berlin sprechen.“

Treffen mit den Bürgermeistern der Region

Eine Dreiviertelstunde ist Merz an der Brücke, als er sich verabschiedet. Und zum Termin mit den Bürgermeistern fährt. Neuenrade ist da, Kierspe, Meinerzhagen, Schalksmühle, Nachrodt-Wiblingwerde, Altena, Plettenberg und Lüdenscheid. „Die Gesprächsatmosphäre war ruhig und sachlich“, sagt Sebastian Wagemeyer (SPD), Lüdenscheids Bürgermeister, nach dem Treffen. „Es ging nicht nur um die Brücke, sondern auch um Planungsverfahren und Beschleunigungsmöglichkeiten im Allgemeinen.“ Aber jeder habe vortragen können, was ihn derzeit im Zusammenhang mit der Brücke so bewege. Und Merz? Hörte zu.