Hilchenbach/Düsseldorf. Monika K. (27) aus Hilchenbach muss sich als mutmaßliche IS-Unterstützerin ab dem 8. November vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf verantworten.
Ihr derzeitiger Aufenthaltsort hat so gar nichts von der Villa, die sie im Frühjahr 2015 zusammen mit ihrem Ehemann im irakischen Hit bezogen hatte. Die Räume waren hochwertig eingerichtet, so die Bundesanwaltschaft, sogar ein Whirlpool stand zur Verfügung. Jetzt sitzt Monika K. (27), Deutsche mit polnischen Wurzeln, in einer kargen Zelle einer Justizvollzugsanstalt in NRW.
Am 11. März wurde die mutmaßliche Unterstützerin der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) bei ihrer Einreise auf dem Frankfurter Flughafen festgenommen. Die Bundesanwaltschaft hat die Hilchenbacherin wegen „Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland“ und „Kriegsverbrechen gegen Eigentum“ angeklagt.
Zusammen mit dem Ehemann nach Syrien ausgereist
Ab dem 8. November muss sie sich vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf verantworten. Was trieb die Siegerländerin in die Fänge des IS?
Monika K. reiste der Anklage zufolge mit Ehemann Majdi J. im Juli 2013 nach Syrien aus. Beide hätten sich im Februar 2014 dem IS angeschlossen. Gut ein Jahr später sollen sie besagte Villa bezogen haben.
Majdi J. soll sich in der Frankfurter Salafisten-Szene aufgehalten haben
Der gelernte Friseur Majdi J. (Kampfname: Abu Mujahed) soll nach einem beruflichen Ortswechsel in die Frankfurter Salafisten-Szene geraten sein. Auf einem Video 2014 hält der Deutsch-Tunesier ein Sturmgewehr in der Hand und sagt, er habe Deutschland, „den Boden der Ungläubigen verlassen“.
2015 kam Majdi J. (25) bei Kämpfen ums Leben. Monika K. blieb im IS-Gebiet und heiratete der Anklage zufolge noch zwei Mal IS-Kämpfer. Anfang 2019 kam sie in das syrische Flüchtlingslager Al-Hol. Ende 2019 wurde sie aus dem Lager geschleust, im September 2020 kam sie in türkisches Gewahrsam.
Typischer Lebenslauf
K.‘s Lebenslauf ist für eine mutmaßliche IS-Unterstützerin „recht typisch“, findet Sofia Koller vom „Counter Extremism Project“. Sie hat in einer Studie Prozesse gegen IS-Rückkehrerinnen analysiert.
Über die Jahre habe sich die Rolle der Frauen verändert. „Waren sie am Anfang für Haushaltsführung und Kindererziehung zuständig, sollen sie später in den Flüchtlingslagern bei IS-Propaganda-Aktionen tätig gewesen sein.“
Spendennetzwerke für US-Unterstützerinnen aufgebaut?
Monika K. wird vorgeworfen, in sozialen Medien Spendennetzwerke für IS-Unterstützerinnen aufgebaut und bei IS-Mitgliedern in den Camps dafür geworben zu haben, über Schleuseraktionen zurück zur Organisation zu kehren. „Weil viele IS-Männer im Krieg gefallen waren, kamen auf die Frauen zunehmend weiterführende Aufgaben zu“, so Sofia Koller.
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Ihr zufolge gibt es keine verlässlichen Zahlen, wie viele Bundesbürgerinnen nach Syrien oder dem Irak ausgereist sind. Die Bundesregierung sprach einmal von 1150 Ausreisenden.
25 Prozent Frauen
Die Mehrheit habe sich dem IS oder anderen Terrororganisationen angeschlossen. Anteil von Frauen: 25 Prozent. 94 IS-Frauen sollen inzwischen zurückgekehrt sein, davon 26 durch Rückholaktionen der Bundesregierung.
Serkan Alkan ist Monika K.’s Wahlverteidiger. Seine Mandantin habe sich schon vor längerer Zeit, als sie noch im Flüchtlingslager al-Hol in Syrien war, von den Ideen des IS „komplett distanziert. Sie tritt auch nicht verschleiert auf“, so der Anwalt aus dem Rheinland.
Kind lebt bei einer Familienangehörigen
Laut Alkan ist Monika K. Mutter eines Kindes, das bei einer Familienangehörigen in Deutschland lebt: „Man hat nie den Eindruck, dass sie sich radikalisiert haben könnte. Ich kann mir nicht vorstellen, dass von ihr Gefahr ausgehen könnte.“
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Und doch: Warum hat sie im Umfeld des IS gelebt? Alkan antwortet grundsätzlich. „Oft spielen eine gewisse Naivität und eine Form von Abenteuerlust eine Rolle.“
Häufig Scheidungskinder
Fast durchgängig seien es Scheidungskinder mit schwieriger Schulzeit, Mobbingerfahrungen und einem Bruch im Leben. „Bei Monika K. gibt es diesen nicht“, sagt der Anwalt, „ich habe den Eindruck, dass sie frei sein wollte, Enttäuschungen hinter sich lassen wollte.“
Sofia Koller zufolge hat sich eine Studie aus Baden-Württemberg mit der Motivation von IS-Frauen beschäftigt: „Oft klagten sie über defizitäre Familienstrukturen, ein kontrollierendes Elternhaus, eine Störung in der sexuellen Entwicklung, traumatische Erlebnisse und einen Mangel an sinnstiftenden Aktivitäten. Beim IS suchten sie Halt, eine Verbesserung der Lebenssituation, Bestätigung und ein größeres Selbstwertgefühl durch die Heirat mit einem IS-Kämpfer.“
Bisweilen sei auch „Naivität“ im Spiel gewesen, „kaltes Kalkül und Suche nach Status. Die Realität in einem vermeintlich wunderschönen Land war dann aber oft anders als die Vorstellung davon.“
Wichtige Strafverfolgung
Die Strafverfolgung vor deutschen Gerichten hält Sofia Koller für sehr wichtig. „Die Frauen müssen für einen Neuanfang aus ihrer vermeintlichen Opferrolle („ich habe doch keine Straftaten begangen“) raus.
Und auch für die Gesellschaft seien Verfahren wichtig: „Wir müssen uns fragen, welche Rolle unsere Gesellschaft gespielt hat, dass sich Frauen radikalisiert haben.“