Lüdenscheid. Bürgermeister Wagemeyer ist „massiv verärgert“. Ausschreibung zur Sprengung soll fehlerhaft gewesen sein. Heimische Wirtschaft ist „entsetzt“.
Geschockt reagiert die heimische Wirtschaft auf eine Erklärung von Lüdenscheids Bürgermeister Sebastian Wagemeyer über eine mögliche Verzögerung der Sprengung der maroden Rahmede-Talbrücke an der A 45 bei Lüdenscheid.
„Die Nachrichten der vergangenen Woche rund um die Ausschreibung der Brückensprengung haben bereits zu erheblicher Verunsicherung geführt. Diese Verunsicherung hat Herr Bürgermeister Wagemeyer heute zu einer Eindeutigkeit geführt, die Entsetzen bei den Unternehmen auslöst“, sagte Ralf Geruschkat dieser Zeitung.
Der Hauptgeschäftsführer der Südwestfälischen Industrie- und Handelskammer zu Hagen (SIHK) ergänzte: „Wir nehmen zwei Botschaften mit und beide sind völlig inakzeptabel. Erstens: Der Zeitplan der Sprengung ist offensichtlich in Gefahr. Das kann nicht sein. Zweitens: Der Bürgerbeauftragte, von dem es immer hieß, er sei in das Projekt und die Kommunikation mit den zuständigen Stellen engstens eingebunden, teilt mit, dass er nicht ausreichend informiert sei. Die Idee des Bürgerbeauftragten ohne weiterreichende Kompetenzen steht damit zur Diskussion. Es braucht vielmehr den von der Wirtschaft von Anfang an geforderten Sonderbeauftragten mit entsprechenden Kompetenzen.“
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Termin der Sprengung ist offen
Die zuständige Autobahn GmbH hatte in der Vorwoche erklärt, dass das Vergabeverfahren zur Sprengung der Brücke noch nicht abgeschlossen sei. Wagemeyer teilte daraufhin am Montag mit, dass er sich als der vom Bundesverkehrsministerium (BMDV) eingesetzte Bürgerbeauftragte für den Brückenneubau nicht ausreichend von Berlin informiert sehe und deshalb „massiv verärgert“ sei. Vor allem aber erklärte der SPD-Politiker, dass „völlig unklar“ sei, ob die vom BMDV bis zum 18. Dezember vorgesehene Sprengung der seit zehn Monaten gesperrten Rahmede-Talbrücke wie geplant über die Bühne gehen könne. „Wir wissen nicht, ob die Sprengung noch in diesem Jahr stattfindet. Wir haben keine Informationen dazu“, ergänzte Lüdenscheids stellvertretender Pressesprecher Sven Prillwitz auf Anfrage.
Grund für die mögliche Verzögerung könnte laut „Lüdenscheider Nachrichten“ ein Fehler im EU-weiten Ausschreibungsverfahren sein.
Arbeiten sollen weitergehen
Laut Autobahn GmbH gab es drei Bewerber für die Sprengung der Brücke, der Auftrag zur Sprengung sollte im August erteilt werden. Wie das BMDV nun bestätigte, sei das Vergabeverfahren zur Sprengung der Brücke „aufgrund von üblichen rechtlichen Rahmenbedingungen derzeit noch nicht abgeschlossen. Informationen zum konkreten Inhalt des Verfahrens dürfen daher nicht gegeben werden“.
Auf die Planung und den Bau der neuen Brücke habe dies jedoch „keinen Einfluss. Diese Arbeiten können unter Hochdruck weiter betrieben werden“, so das BMDV weiter.
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SIHK-Hauptgeschäftsführer fordert: „Es muss Tacheles geredet werden – und zwar schnell“
Die Vermessung der Flächen unter der maroden Autobahnbrücke läuft bereits, ab Oktober sollen 40.000 Quadratmeter Wald gerodet werden. Die vorbereitenden Maßnahmen für die Sprengung der Brücke sollen also weitergehen. Die Frage ist nur, wann dann die Sprengung durchgeführt wird – und wie die weiteren Phasen des Projekts ablaufen.
Die Vorgänge und die Kommunikation der vergangenen Tage haben für weiteres Misstrauen in der Region gegenüber Berlin gesorgt. „Der Bürgerbeauftragte für den Brückenbau formuliert so deutlich wie möglich seine Befürchtung, dass sich die Sprengung der Brücke und damit das ganze Projekt verzögern könnte. Die Wirtschaft fordert endlich einen verbindlichen Zeitplan für das gesamte Projekt“, sagte Ralf Geruschkat.
Der SIHK-Hauptgeschäftsführer sprach sich erneut für einen beschleunigten Brückenbau aus und dafür, dass der Bund eine Ausnahmeregelung schaffe, wie bei den Flüssiggas-Terminals im Norden oder der Fabrik von Tesla in Brandenburg. Zudem forderte Geruschkat: „Es muss Tacheles auf allen Ebenen geredet werden und zwar schnell. Es muss schnellstmöglich ein Krisentreffen einberufen werden.“
Wagemeyer attackiert das Ministerium – und erntet Widerspruch
Lüdenscheids Bürgermeister Wagemeyer hatte zuvor aufgrund der unklaren Gemengelage eine für den kommenden Mittwoch geplante Informationsveranstaltung abgesagt, auf die Bürger Lüdenscheids über die Rahmenbedingungen der Brückensprengung informiert werden sollten. Außerdem hatte der Bürgermeister beklagt, dass er vom BMDV „nicht umgehend und unmittelbar über alle Entscheidungsprozesse auf dem Laufenden gehalten“ werde.
Er erwarte „nun Spitzengespräche mit allen Beteiligten im Acht-Wochen-Rhythmus“. Das erste dieser Gespräche soll am 15. November 2022 stattfinden. „Eine Ablehnung dieser Runden ist nicht akzeptabel“, teilte Wagemeyer mit. Eine klare Ansage an das Ministerium.
Das erklärte zu Wagemeyers Aussagen: „Die Kritik teilen wir nicht.“ Alle drei bis vier Wochen fänden Sitzungen des A 45-Lenkungskreises statt. Außerdem stehe das BMDV „selbstverständlich jederzeit weiterhin für Gespräche zur Verfügung“.
Redebedarf besteht in jedem Fall.