Lennestadt. Der Ravensburger Verlag nimmt ein Winnetou-Buch aus dem Verkauf. Was bedeutet die Debatte über kulturelle Aneignung für die Karl-May-Festspiele?
Die Saison neigt dem Ende entgegen: Noch bis 4. September wird „Der Schatz im Silbersee“ bei den Karl-May-Festspielen im sauerländischen Elspe aufgeführt. Die Karten sind ausverkauft. Alle wollen den tapferen Häuptling Winnetou und seinen Vertrauten Old ShatterhandSeite an Seite im Kampf gegen die Banditen sehen. Aber: Darf man das überhaupt? Geld verdienen mit den Geschichten der indigenen Völker? Ist das nicht kulturelle Aneignung?
Die Frage ist hoch aktuell, nachdem der Ravensburger Verlag mehrere Kinderbücher wegen Rassismus-Vorwürfen aus dem Verkauf genommen hatte, u.a. das Buch „Der junge Häuptling Winnetou“. Das Feedback der Leser habe gezeigt, „dass wir mit den Winnetou-Titeln die Gefühle anderer verletzt haben“, begründete der Verlag.
„Redfacing“: Auch in Elspe gibt es manchmal Kritik an den Aufführungen
„Ich kann die Debatte und die Entscheidung des Ravensburger Verlages nicht nachvollziehen“, sagt Philipp Aßhoff, Geschäftsführer der Karl-May-Festspiele in Elspe. Das generelle Thema habe das Sauerland durchaus schon erreicht, wie Aßhoff einräumt. „Es gibt Leute, die uns kritisieren, ja“, sagt er. Zuletzt am Montag, am Tag der Ravensburger-Entscheidung, hätten Nutzer bei Social Media die dort veröffentlichten Fotos der Schauspieler aus Elspe mit dem Hashtag „Redfacing“ versehen: Der Begriff kritisiert, wenn weiße Schauspieler geschminkt werden, um ihre Rollen spielen zu können.
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„Natürlich ist die Debatte auch bei uns ein Thema, wenn auch kein großes“, sagt Aßhoff. Er setze sich mit dem Begriff kultureller Aneignung auseinander, sie sei längst auch Thema in internen Gesprächen gewesen. Veränderungen im Programm oder Zweifel an der Daseinsberechtigung der Karl-May-Festspiele folgten daraus nicht im Geringsten. „Wir stehen für Karl May und Winnetou - und daran wird sich so schnell nichts ändern.“
Winnetou-Darsteller fragt: „Wer sind diejenigen, die sich gekränkt fühlen?
Jean-Marc Birkholz, auch bekannt aus der TV-Soap „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“, spielt in Elspe seit 2012 den Winnetou – und wundert sich über das Wie der Debatte. „Ich verfolge das sehr interessiert, frage mich aber immer wieder: Wer sind diejenigen, die sich gekränkt fühlen? Das bleibt immer nebulös. Das ist schade, denn was mich so ärgert, ist, dass es nicht zu einem Dialog kommt.“
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Erst die Bücher Karl Mays hätten sein Interesse für die indigenen Völker geweckt. „Den Begriff ,kulturelle Aneignung‘ verwende ich nicht gern. Denn das klingt, als sei das verboten“, sagt der 48-Jährige: „Dabei ist es aus meiner Sicht eine Form des Respekts, der Bewunderung sogar, etwas aus einer anderen Kultur übernehmen zu wollen. Das ist der Zug, der in die richtige Richtung fährt. Wenn es diese Auseinandersetzung mit anderen Kulturen nicht gäbe, dann würde man nationalistisch denken, dann wäre das der Nährboden für faschistoide Tendenzen. Das ist doch die viel größere Gefahr.“
Zusammenkunft mit Vertretern indigener Völker
Er denkt zurück an eine Begebenheit in der Zeit, als er für die Landesbühne Sachsen den Winnetou spielte – und es in diesem Zusammenhang ein Treffen mit Vertretern indigener Völker kam. „Ich erinnere mich, dass ich mich damals etwas unwohl fühlte, echten Indianern in meinem Kostüm gegenüberzutreten. Ich empfand das als etwas anmaßend“, erzählt Birkholz.
Aber die Gäste seien sehr aufgeschlossen gewesen und meinten, dass all das schließlich die Grundlage dafür sei, dass man sich nun treffe und sich austauschen könne. „Wir sollten nicht Grenzen ziehen und uns separieren“, sagt Birkholz, der eines noch anmerken will: „Ich schminke mich nicht rot, sondern benutze Puder und unterlege die Augen, damit man sie besser sehen kann. Wie bei jeder anderen Theateraufführung auch.“