Lennestadt. Winnetou, Old Shatterhand und der Bösewicht Brinkley sind die Stars beim Elspe-Festival. Wie sind die drei Darsteller privat?

Winnetou hat einen grünen Daumen. Thymian und Oregano gedeihen vor seiner Hütte auf dem Gelände des Elspe-Festivals. Dort wohnt der edle Häuptling während der Spielzeit. Old Shatterhand und der Bösewicht Brinkley sind immer in der Nähe; kurz vor dem Interview singen die drei Hauptdarsteller aus „Der Schatz im Silbersee“ noch schnell einer Kollegin ein Geburtstagsständchen, zweistimmig natürlich. Man schätzt sich auch privat. Jean-Marc Birkholz (Winnetou), Martin Krah (Old Shatterhand) und Sebastian Kolb (Brinkley) sind drei hochbegabte junge Schauspieler. Auf der Bühne bringen sie jeden Tag Höchstleistungen für ein Publikum, das alle Generationen umfasst. Wie hält man das durch?

Die Panoramabühne in Elspe ist gewaltig: 96 Meter breit, 34 Meter tief und 25 Meter Höhenunterschied. Hier kann ein Darsteller nicht stehenbleiben und drauf warten, dass der Scheinwerfer ihn abholt. Wie schaffen Sie es, in diesem Breitband-Format nicht unterzugehen?

Martin Krah: Wir sind ja Theaterschauspieler und daran gewöhnt, uns an unterschiedliche Bühnengrößen anzupassen. Mal spielen wir in den Kammerspielen, mal im großen Haus, und bei Tourneen in den unterschiedlichsten Stadthallen. Es kann so ein kreativer Prozess sein, sich auf eine neue Bühne einzustellen, denn als Theaterschauspieler denken wir in Szenen.

Sebastian Kolb: In Elspe musst du alles aus dir rausholen. Aber das ist ein schmaler Grat, es darf nicht ausgestellt sein.

Martin Krah: Diese Balance zu finden, das ist es, was wir in den Proben erarbeiten, um die Figur auch menschlich zu machen.

Jean-Marc Birkholz: Der wirkliche Schlüssel ist, sich von der Eitelkeit zu lösen, der Held sein zu wollen. Viele erliegen dem. So sein zu wollen wie Pierre Brice, das funktioniert nicht.

Wie spielt man Helden?

Winnetou und Old Shatterhand sind aber die Helden. Und das Publikum hat genaue Erwartungen, wie sie aufzutreten haben. Hat ein Winnetou-Darsteller trotzdem noch Möglichkeiten zur individuellen Gestaltung?

Jean-Marc Birkholz: Von den Büchern Karl Mays und den Winnetou-Filmen geht ein unglaublicher Spirit aus. Sie vermitteln den unbedingten Glauben an das Gute. Diese Botschaft ist wichtig, die muss man verinnerlichen und versuchen zu transportieren.
Sebastian Kolb: Jean-Marc im Kostüm, das ist Winnetou, das ist nicht mehr Jean-Marc. Er hat als Winnetou sogar eine eigene Stimme. Und wenn man im Kostüm so aussieht wie Jean-Marc und diese Stimme hat, dann ist das schon die halbe Miete! Mehr Winnetou geht nicht.

Jean-Marc Birkholz: Ich bin dann wirklich weg.

Martin Krah: Das funktioniert, Du bist dann ein anderer. Du gehst anders, Du sprichst langsamer.

Jean-Marc Birkholz: Jeder von uns nimmt seine Rolle ernst und steht dahinter.

Martin Krah: Man darf keine Eitelkeit haben und muss sich trauen, bei den Proben ins offene Messer zu rennen, man muss sich trauen, in der Probe zu scheitern. Sebastian hat es einfacher, der ist der Bösewicht und hat mehr Gestaltungsspielraum.

Sebastian Kolb: Ja, die beiden sind halt die Helden, und ich bin der Böse, der was auf die Löffel kriegt. Ich liebe an dem Beruf, dass man immer etwas Neues ausprobieren kann. Da ich im Alltag eher emphatisch bin, finde ich es spannend, auf der Bühne die Abgründe in mir zu entdecken.

Hinter den Kulissen

Mögen Sie sich auch, wenn die Vorstellung vorbei ist, oder ist die Freundschaft gespielt?

Jean-Marc Birkholz: Wir sind wirklich auch privat ein ganz tolles Team. Wir können ungefragt auf die Terrasse der anderen kommen, die Tür steht immer offen.
Sebastian Kolb: Wir sind Profis. Wenn wir uns privat gar nicht verstehen würden, würde es auf der Bühne trotzdem zu 100 Prozent funktionieren.
Martin Krah: Man kann aber auf der Bühne viel mehr ausprobieren, wenn man sich versteht und schätzt. Wenn etwas wirklich doof ist, was man machen möchte, kann man sich das unter Freunden anders sagen.

Elspe ist ein Hochleistungs-Sommertheater. Viele Besucher sehen jedoch nicht in erster Linie die Theaterkunst, sondern die Show. Wie gehen Sie damit um?

Martin Krah: Viele Generationen kommen hier zusammen, und jede Generation findet etwas, das sie fasziniert. Das ist das Besondere an Elspe.
Jean-Mark Birkholz: Nach Elspe kommt man, um abzuschalten. Das ist wie eine Erlösung vom Alltag.
Sebastian Kolb: Die Leute wissen ja, was sie erwartet. Allerdings: In den ganzen Geschichten von Karl May sind viele Themen heute sehr modern, es geht um Umweltzerstörung und um Ausbeutung.
Jean-Marc Birkholz: Und natürlich um Krieg. Das ist heute sehr aktuell. Meine Frau ist ebenfalls Schauspielerin und kommt aus Belarus. In den ganzen slawischen Ländern finden die Zuschauer den Weg ins Theater, das dort eine bedeutende Rolle einnimmt. Schauspieler werden fast wie Helden verehrt, die geben gefühlsmäßig dem Publikum einen Weg vor. Durch Belarus habe ich Demokratie zu schätzen gelernt und bin unglaublich stolz auf die Demokratie, die wir in Deutschland haben. Das nur als Erklärung, warum ich so gerne Winnetou spiele. Das Böse soll weg. Das ist die große Sehnsucht heute. Das Gute soll siegen, und das passiert bei uns in Elspe.

Der Schatz im Silbersee

Das Elspe-Festival zeigt in diesem Sommer „Der Schatz im Silbersee“. ­Begleitend zu den Vorstellungen gibt es verschiedene Shows. Die Saison läuft bis zum 4. September. Karten gibt es unter: 02721 / 94440. Und auf der Webseite www.elspe.de