Lennestadt. Entscheidungsschwach und unverbindlich, trotzdem ruht die Hoffnung auf der Generation Z, 14 bis 24 Jahre alt. Wie Südwestfalen sie umwirbt.
Klimawandel, Corona, Krieg: Viele junge Menschen leben im Krisenmodus, seitdem sie denken können. Die Wissenschaft nennt diese Altersgruppe „Generation Z, kurz: „GenZ“. Oder auch „Digital Natives“, denn die 14- bis 24-Jährigen sind die Ersten, die komplett mit dem Smartphone aufwachsen. Sie sind immer online. Und sie haben Erwartungen an ihr Leben, die ältere Menschen erst einmal kennen und verstehen müssen.
„Die Generation Z möchte über die Zukunft sprechen, und zwar im positiven Sinne“, sagt Paul Meurer (52). Der Schulleiter des Anne-Frank-Gymnasiums in Halver zählt zu den Triebfedern der „NextGen Initiative Südwestfalen“. Sie will die Bedürfnisse der 14- bis 24-Jährigen in den Blickpunkt rücken, will ihnen eine Stimme geben, will sie an der Gestaltung der Zukunft der Region beteiligen. Zumal Südwestfalen mit seinen ländlichen Räumen auch in dieser Hinsicht vor besonderen Herausforderungen steht: zum Teil schlechtes Internet, ausbaufähiger öffentlicher Personennahverkehr, weniger Freizeitangebote als in Großstädten – die Probleme sind bekannt.
Fünf Merkmale: Was macht die Generation Z aus?
Die Initiative sieht die GenZ als „Treiber für eine neue, digitale Kultur- und Arbeitswelt“, die sich stark von anderen Generationen unterscheidet. Und wie? Das hat in seiner Studie „Junge Deutsche“ der Jugendforscher Simon Schnetzer ermittelt:
- 1. Reales und digitales Leben verschmelzen.
- 2. Weil es zu viele Informationen gibt, aber zu wenig Zeit nachzudenken, fällt es der GenZ schwer, Entscheidungen zu treffen.
- 3. Die 14- bis 24-Jährigen stehen unter enormem Leistungsdruck, weil sie sich permanent über die sozialen Medien mit dem (vermeintlich) schönen Leben der anderen vergleichen können.
- 4. Sie sind „maximal unverbindlich. Egal ob es um eine Verabredung oder einen neuen Job geht, eine Entscheidung ist nur ein Zwischenstand, bis etwas Besseres kommt.“
- 5. Und sie setzen auf die Geborgenheit der Familie. „Wer nimmt dich in den Arm, wenn es dir schlecht geht und ein Like nicht hilft?“, schreibt Schnetzer .
Was soll die die GenZ-Konferenz im Sauerland erreichen?
Simon Schnetzer wird am 16. September dabei sein, wenn der Dialog der Generationen in Südwestfalen Tempo aufnehmen soll. Bei der „Next Gen Conference“ im Galileo-Park in den Sauerland-Pyramiden in Lennestadt-Meggen werden unter anderem Wissenschaftler, Vertreter der Wirtschaft, des NRW- Lehrerverbands und selbstverständlich vor allem junge Menschen ins Gespräch kommen, um ein Verständnis füreinander zu entwickeln und sich zu vernetzen.
Der Termin soll allerdings von der Wirtschaft nicht als Rekrutierungs-Maschine missbraucht werden. Das haben 60 bis 70 „Zler“ jetzt in einer Vorbesprechung deutlich zum Ausdruck gebracht. Sie wissen, dass sie angesichts des zunehmenden Facharbeitermangels schon bald sehr gefragt sein werden, sich vereinnahmen lassen möchten sie aber nicht. Was nicht bedeutet, dass in den Pyramiden nicht über gemeinsame Projekte nachgedacht werden wird.
Geht es nach den Machern der „NextGen Initiative Südwestfalen“ wird ihr Projekt eine große Sache – und keine Eintagsfliege. Angeschoben wird das Vorhaben mit Unterstützung der Stiftung des vor rund zwei Jahren verstorbenen Lennestädter Unternehmers Wolfgang Schmidt (Tracto-Technik). „Er wollte immer die Zukunft der Jugend auch mit der Zukunft der Unternehmen verbinden“, sagt Peter Kaufmann von der Stiftung. Sein Ziel: Mit Unterstützung anderer Unternehmer soll die Initiative in eine feste Einrichtung münden. So nachhaltig eben, wie die Generation Z auch ihr Leben gestalten will.
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NRW-Schulministerin Dorothee Feller (CDU) hat die Einladung nach Lennestadt übrigens nicht angenommen, Wirtschafts- und Klimaschutzministerin Mona Neubaur (Grüne) prüft immerhin noch.
Die Konferenz am 16. September wird auch im Internet gestreamt. Mehr unrer: nextgensuedwestfalen.com
Drei Beispiele: Wie sieht die Generation Z ihre Zukunft in Südwestfalen?
Und wie ticken die jungen Menschen, um die es geht? Wir haben mit drei Jugendlichen der Generation Z gesprochen :
Die Musikerin: Eine berufliche Perspektive im Sauerland gibt es für Emily Leitgeb trotz aller Bemühungen nicht. Erst kürzlich legte die 17-Jährige ihr Abitur am Anne-Frank-Gymnasium in Halver ab. Als Violinistin strebt sie eine musikalische Karriere in einem der großen Konzerthäuser Deutschlands an. Studieren möchte Leitgeb ihr Instrument in Norddeutschland. In Lübeck oder Hamburg gäbe es gute Universitäten, sagt sie. Und viel wichtiger noch: „Dort gibt es eine kulturelle Szene.“ Eine Szene, die in Südwestfalen fehle. „Ich habe auch in der Vergangenheit immer mal wieder versucht, klassische Konzerte auf die Beine zu stellen. Aber entweder kommen zu den Veranstaltung nur sehr wenige Menschen – oder eben gar keine“, bedauert sie. „Ich fühle mich hier in der Region total wohl und werde Südwestfalen auch durch meine Familie verbunden bleiben. Eine Zukunft hier gibt es für mich aber nicht.“
Die angehende Maschinenbau-Studentin: Heimisch fühlt sich auch Marie Valpertz aus Drolshagen im Sauerland. Und auch das ist der Grund, warum sie perspektivisch nach einem Maschinenbau-Studium gerne nach Südwestfalen zurückkehren würde. Auf der Generation-Z-Veranstaltung, an der sie teilgenommen hat, merkte sie aber auch die strukturellen Defizite an, die in ihrer Heimatstadt nicht von der Hand zu weisen seien: „Es fehlen einfach die Möglichkeiten, die Freizeit zu gestalten. Wenn man Glück hat, gibt es in der Nähe vielleicht noch eine Imbissbude oder das ein oder andere Geschäft. Für junge Leute gibt es hier aber einfach nichts“, sagt sie. Hinzu komme die schlechte Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr. „Aus meiner Stufe wollen nach dem Abitur so gut wie alle Leute hier weg. Das ist schon erschreckend“, findet sie.
Der angehende Politik-Student: Verlassen wird seine Heimatstadt auch Jannes Trosien. Nach dem kürzlich bestandenen Abi zieht es den 18-Jährigen nach Bonn, um dort Politik, Geschichte und Soziologie zu studieren. „Das war schon immer mein Wunsch“, sagt er. Nach dem Studium sei es aber sein Ziel, wieder nach Südwestfalen zurückzukehren. Dass immer mehr junge Leute die Region verlassen, sieht er auch als Chance: „Die großen Unternehmen der Region werden weiter auf junge Leute angewiesen sein. Es wird also viele Stellen für wenige Leute geben. Da sehe ich eine Menge Potenzial für die Zukunft.“
An seinem Heimatort Halver schätzt er vor allem die Gemeinschaft. „Das wird in einer Metropole natürlich nicht so ausgeprägt sein. Ich gehe davon aus, dass der Einzelne dort etwas anonymer ist. Und das sagt mir eigentlich nicht so stark zu“, sagt der 18-Jährige Sauerländer.