Hagen. Das Vertrauen in die medizinische Grundversorgung hat während der Corona-Pandemie gelitten – und ein Stadt-Land-Gefälle wird deutlich sichtbar.
Überfüllte Kliniken und Arztpraxen, knappe Intensivbetten und verschobene Operationen – die Corona-Pandemie hat das Gesundheitssystem an seine Grenzen gebracht. Das Vertrauen der Menschen in eine hochwertige Gesundheitsversorgung hat durch diese Erfahrungen zumindest einen Knacks bekommen – vor allem in eher ländlichen Gebieten. Dies ist ein Ergebnis einer Forsa-Umfrage zur Zufriedenheit mit der medizinischen Versorgung im Auftrag der AOK Nord-West unter 400 Menschen in Westfalen-Lippe, die am Dienstag vorgestellt wurde.
Zufriedenheit mit Versorgung durch Hausärzte und Kliniken lässt nach
Waren bei der vorherigen Befragung im Jahr 2020 noch 80 Prozent der Befragten zufrieden mit der Versorgung durch ihre Hausärzte, ergibt die aktuelle Umfrage einen Wert von 71 Prozent. Bei den Krankenhäusern sinkt die Zufriedenheit von 79 auf 75 Prozent. Mit der Versorgung durch die Fachärzte zeigen sich nur 53 Prozent zufrieden (2020: 65 Prozent).
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Noch deutlicher ist die Lage in Gemeinden mit weniger als 20.000 Einwohnern, die es zahlreich im Sauer- und Siegerland gibt: Dort sind nur 63 Prozent der Befragten mit der Versorgung durch Hausärzte zufrieden. Auch die Werte für Krankenhäuser (56 Prozent) und Fachärzte (32 Prozent) liegen deutlich unter dem Durchschnittswert in Westfalen-Lippe.
Forderung: Mehr Medizinstudienplätze
„Wir fordern mehr Ärzte für die ländlichen Regionen“, sagt Tom Ackermann, Vorstandsvorsitzender der AOK Nord-West, und wünscht sich zum Beispiel mehr Medizin-Studienplätze. Allerdings habe der Mangel auf dem Land nicht mit geringeren Verdienstmöglichkeiten zu tun, sondern sei auch auf ein gesamtgesellschaftliches Phänomen zurückzuführen, nämlich die Tatsache, dass Medizin-Absolventen oft nicht bereit seien, „100 Prozent ihrer Arbeitsproduktivität“ zu investieren.
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Mit anderen Worten: Der Ausblick darauf, niedergelassener Arzt zu sein mit sechs Tagen Erreichbarkeit, sei der heranwachsenden Generation immer seltener vermittelbar. Attraktiver seien: weniger Wochenstunden und Angestelltenverhältnisse. Stichwort: Work-Life-Balance. „Das ist ein genereller Trend, der macht vor Medizinstudierenden, aber auch vor anderen Heilberufen wie Physiotherapeuten oder Hebammen nicht Halt.“
Akzeptanz von Videosprechstunden steigt – vor allem auf dem Land
Vermutlich auch aus der Not heraus ist die Akzeptanz für Videosprechstunden auf dem Land besonders hoch. Nahmen im Jahr 2019 gerade einmal 227 AOK-Versicherte das digitale Angebot wahr, schnellte die Zahl 2021 während der Corona-Pandemie auf 49.641 herauf. Menschen aus Gemeinden mit weniger als 20.000 Einwohnern stehen dem Angebot aufgeschlossener gegenüber (71 Prozent) als solche aus großen Städten mit mehr als 100.000 Einwohnern (66 Prozent).
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„Wir sehen Telemedizin als sinnvolle Ergänzung zum persönlichen Kontakt zwischen Patient und Arzt. Nicht nur auf dem Land machen digitale Lösungen Sinn“, so Ackermann. 94 Prozent all jener, die während der Corona-Pandemie eine Videosprechstunde besuchten, waren zufrieden oder sehr zufrieden.
Wichtigstes Merkmal bei der Wahl des Krankenhauses: Qualität
Der neue Krankenhausplan für NRW sieht eher eine bessere Spezialisierung der Krankenhäuser vor – unter Inkaufnahme möglicher größerer Fahrzeiten für Patienten. Das scheint durchaus in deren Sinne zu sein: Nachweislich gute Qualität (96 Prozent) ist das wichtigste Merkmal bei der Wahl des Krankenhauses. Es folgen: Spezialisierung auf meine Erkrankung (89) und dann erst die gute Erreichbarkeit (78).
Eine internistische und chirurgische Standardversorgung soll jedoch für 90 Prozent der Bevölkerung mit 20 Minuten Autofahrt erreichbar bleiben.
Neben einem Ausbau von Videosprechstunden fordert die AOK den flächendeckenden Einsatz der digitalen Patientenakte und des elektronischen Rezepts. Zudem müsse in NRW die Strukturreform des Gesundheitswesens (Klinik-Spezialisierungen) vorangebracht werden. Der Kampf gegen den Ärztemangel auf dem Land sei ebenfalls eine dringliche Aufgabe für die Landesregierung.