Das Ergebnis der NRW-Wahl hat eine klare Aussage: Es ist ein Regierungsauftrag für Schwarz-Grün, sagt Torsten Berninghaus.

Wenn NRW den Landtag wählt, dann schaut ganz Deutschland hin. Das war schon immer so. Die gestrige Wahl aber war eine besondere. Von Showdown war im Vorfeld die Rede, von Wahlkrimi, einem international beachteten Stimmungstest und dem Duell der beiden Spitzenkandidaten, die in den Umfragen vor der Wahl Kopf an Kopf lagen. Seit Sonntagabend wissen wir: CDU und Grüne sind die Wahlgewinner und können eine verlässliche Regierung bilden. Gleichwohl hat auch ein Ampel-Bündnis eine rechnerische Mehrheit. Dieses Bündnis aber würde gleich zwei Verlierer in Verantwortung bringen.

Die Wähler in NRW haben Hendrik Wüst und seiner CDU einen klaren Regierungsauftrag erteilt. Nachdem die Bundestagswahl seinen Amtsvorgänger Armin Laschet auf die Berliner Hinterbänke katapultierte, ist es Wüst gelungen, NRW mit einem Top-Ergebnis für die CDU zu verteidigen. Thomas Kutschaty indes ist einer der Wahlverlierer. Kutschaty hatte in seinem Wahlkampf sehr auf die Nähe zum Kanzler gesetzt. Zugkraft aber konnte Olaf Scholz nicht entwickeln - im Gegenteil.

Verantwortung der Königsmacher

Natürlich ist der Höhenflug der Grünen zu einem guten Teil auch der außerordentlichen Performance der grünen Minister Annalena Baerbock und Robert Habeck zu verdanken. Aber NRW-Spitzenkandidatin Mona Neubaur besetzt überzeugend die Zukunftsthemen des ökologischen Umbaus, und daher stellt die Partei die mächtigste Frau auf der NRW-Polit-Bühne. Auf sie und die Grünen, die mit zahlreichen neuen Abgeordneten in den Landtag einziehen werden, kommt jetzt als Königsmacher eine große Verantwortung zu.

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Natürlich ist das Ergebnis auch eine Abrechnung mit der schwarz-gelben Landesregierung. Man muss festhalten, dass vor allem die FDP das gute Ergebnis aus 2017 nicht wiederholen konnte und stattdessen um den Einzug in den Landtag bangen musste. Möglicherweise auch ein persönlicher Denkzettel für Schulministerin Yvonne Gebauer, die in der Pandemie mehr als unglücklich agierte und durch eine Hals-über-Kopf-Kommunikation verzweifelte Eltern, Schüler und Lehrer zurückließ. Derweil scheint die Mallorca-Affäre, die Umweltministerin Ursula Heinen-Esser (CDU) völlig zurecht den Job kostete, weniger Einfluss auf die Wahlentscheidung gehabt zu haben. Es bleibt der politische Flurschaden.

Wahlversprechen einfordern

Wir können davon ausgehen, dass diese Wahl massiv beeinflusst worden ist von Themen, die abseits der landespolitischen Zuständigkeit liegen. Im NRW-Check, den das Forsa-Institut u.a. im Auftrag unserer Zeitung durchgeführt hat, sagten 60 Prozent der Befragten, dass sie Angst vor der Ausweitung des Ukraine-Krieges haben. Zusätzlich hörten die Wahlkämpfer immer wieder von den Sorgen zur Energieversorgung und den stetig steigenden Lebenshaltungskosten. Für unsere Region muss man die gesperrte Rahmede-Talbrücke ergänzen. Hier kann die neue Regierung davon ausgehen, dass die Forderungen nach beschleunigtem Neubau mit höchster Energie vorgetragen und die Wahlkampfversprechen eingefordert werden. Auch wenn am Ende der Bund zuständig ist.

Mit Blick auf die erneut geringe Wahlbeteiligung sollten die Kampagnen und der Wahlkampfstil einer sehr kritischen Überprüfung unterzogen werden. Wer „Machen, worauf es ankommt“, „Freiheit bleibt systemrelevant“ oder „Für euch gewinnen wir das Morgen“ plakatiert, redet der Beliebigkeit das Wort. Wünschenswert wären Inhalte, mit denen man sich abgrenzt und das eigene Profil auf den Punkt bringt. Insofern gibt es selbst bei den Wahl-Gewinnern keinen Grund für überschäumenden Jubel. Vielmehr täte der Politik ein wenig Demut angesichts der immensen Herausforderungen gut, die die wirtschaftliche und ökologische Transformation uns abverlangen werden. Für diese Aufgabe braucht es ein politisch stabiles Bündnis mit breiter gesellschaftlicher Basis.