Hagen/Kreuztal. Vor dem Landgericht Hagen soll es um den Vorwurf des illegalen Welpenhandels gehen. Doch das Verfahren gestaltet sich als eine schwere Geburt.

Sie müssen draußen bleiben, und doch sind Hunde an diesem Freitag in Saal 201 des Landgerichts Hagen allgegenwärtig. Vor der 4. Großen Jugendstrafkammer soll es um mutmaßlich illegalen Welpenhandel gehen, um unschöne Vorwürfe, dass eine Züchterfamilie aus Kreuztal-Buschhütten und deren mutmaßliche Komplizen rund um Hundeverkäufe sich nicht so verhalten haben sollen, als hätten sie es mit dem besten Freund des Menschen zu tun.

Doch das Verfahren ist eine schwere Geburt. Bereits vor fünf Jahren wurde die Anklageschrift beim Gericht eingereicht, der Prozessauftakt am 1. April 2022 musste wegen der Erkrankung eines Angeklagten kurzfristig verschoben werden.

70-Jähriger fehlt krankheitsbedingt

Auch beim zweiten Versuch fehlt der 48-Jährige, einst mit Wohnsitz in Hagen, krankheitsbedingt. Und ebenfalls bleibt der Platz des Oberhaupts der Züchterfamilie aus dem Siegerland auf der Anklagebank leer. Dem 70 Jahre alten F. werden die meisten Vergehen vorgeworfen.

„Wegen seiner Herzprobleme sieht er sich nicht in der Lage zu erscheinen“, sagt sein Anwalt und schiebt postwendend hinterher: „Er drückt sich keinesfalls.“ Der Senior gehört zu den drei Angeklagten, die sich auch wegen Verstößen gegen das Tierschutzgesetz verantworten müssen. Der Anklage zufolge soll 101 Hunden „länger anhaltende oder sich wiederholende erhebliche Schmerzen oder Leiden zugefügt worden sein“.

Gesichter mit Aktenordnern verdeckt

Zur Verlesung der Anklageschrift kommt es freilich an diesem Freitag nicht – wegen des Fehlens von F. wird die Verhandlung auf den 29. April verschoben. Dann soll es endlich losgehen. Der Vorsitzende Richter Christian Potthast: „Das Verfahren muss jetzt einfach mal weg. Es liegt schon viel zu lange bei uns.“

Beim Betreten des Gerichtssaals hatten einige der verbliebenen Familienmitglieder aus dem Siegerland ihre Gesichter hinter Aktenordnern verdeckt. Die Züchter aus Buschhütten haben es, wenn man so will, zu einer gewissen Internet-Bekanntheit gebracht.

Diskussionen in Internet-Foren

In Foren für Hundefreunde wird in Zusammenhang mit ihnen wiederholt der Vorwurf des Betruges erhoben. Ein Kunde berichtet vom „Verkaufsgespräch“ im Garten der Züchterfamilie. Es sei ein „normales Familienleben“ vorgespielt worden – mit einem Labradoodle aus angeblich familiärer Aufzucht.

Am Ende des ersten Absatzes schreibt der erboste Kunde in Großbuchstaben: „Alles Show.“ Nach wenigen Tagen hatte der Käufer bemerkt, dass er ein offenbar krankes Tier erworben hatte.

Zum Teil kranke und verwahrloste Welpen

Am Freitag sollte sich eigentlich die Züchterfamilie wegen des Vorwurfs des gewerbsmäßigen Betruges beim Verkauf von Hundewelpen und Verstößen gegen das Tierschutzgesetz verantworten. Der Anklage zufolge sollen Familienoberhaupt F., dessen Ehefrau J. (57) als offizielle Betreiberin der damaligen Hundezucht, sowie deren Tochter (27) und Sohn (33) sowie dessen damalige Lebensgefährtin (31) zwischen 2010 und 2015 am Verkauf von zum Teil kranken und verwahrlosten Hundewelpen, überwiegend aus Polen stammend, beteiligt gewesen sein.

Die Welpen sollen in sogenannten Vermehrungsstationen geboren sein. Allein der Name lässt erahnen, warum die jungen Hunde nach Auffassung von Tierschützern traumatisiert in Deutschland angekommen waren.

Verschiedene Hunderassen angeboten

Die Tiere – verschiedene Rassen vom Labrador und Golden Retriever, über Französische und Englische Bulldogge bis hin zu Shitzu und West Highland Terrier – sollen überwiegend von dem erkrankten 48 Jahre alten Mitangeklagten vermittelt worden sein. Zudem ist eine 64-Jährige aus Bayern angeklagt, die ebenfalls bei Welpenverkäufen als Vermittlerin aufgetreten sein soll. Ihr Verfahren wurde am Freitag von den übrigen abgetrennt.

Die Männer und Frauen auf der Anklagebank in Saal 201 des Hagener Landgerichts konnten eine gewisse Nervosität nicht verbergen. Erst am vergangenen Dienstag wurde vor dem Kölner Landgericht ein Welpenhändlerpaar zu einer dreijährigen Haftstrafe ohne Bewährung verurteilt, weil es mit zu jungen und kranken Welpen aus Rumänien gehandelt haben soll.

Tierschutzorganisation: Keine Einzelfälle

Die nach Ansicht der Hagener Staatsanwaltschaft kriminellen Aktivitäten der Züchter aus Kreuztal-Buschhütten sind nach Angaben der Tierschutzorganisation Vier Pfoten keine Einzelfälle. Mehr noch: „Die gestiegene Nachfrage nach Haustieren in der Pandemie hat den illegalen Welpenhandel sogar noch begünstigt“, sagt Daniela Schneider, Kampagnenverantwortliche bei Vier Pfoten.

Nach Angaben der Tierschützerin werden die viel zu jungen, oft ungeimpften und todkranken Tiere aus illegalem Handel und Zuchten – überwiegend in Osteuropa – hierzulande in Kleinanzeigen-Portalen im Internet oder in geschlossenen Gruppen bei sozialen Netzwerken angeboten. Mit dem Hinweis: aus deutscher Zucht.

Ein offenbar lukratives Geschäft

Für Kriminelle ist es offenbar ein lukratives Geschäft: „Wenn bei einem Wurf fünf bis sechs Welpen herauskommen und jedes Tier für 1000 bis 2000 Euro verkauft wird, können Sie leicht ausrechnen, dass sich illegale Händler eine goldene Nase verdienen können.“

Das große Problem, so Daniela Schneider seien nach wie vor die unregulierten Online-Plattformen. „Jeder Mensch kann Welpen im Internet anbieten und dabei irgendeine E-Mail-Adresse angeben, die aber nicht überprüft wird.“

Bundesregierung zum Handeln aufgefordert

Daher fordert Vier Pfoten, dass der Gesetzgeber Verkaufsportale im Internet verpflichtet, die Identität der Anbieter zu verifizieren: „Ähnlich wie beim Online-Banking.“ Zudem muss aus Sicht der Tierschützer zwingend eine Kennzeichnungs- und Registrierungspflicht für Hunde her: „Die Bundesregierung hat das im Koalitionsvertrag versprochen. Es muss endlich umgesetzt werden.“