Hagen. Die vielen Geflüchteten aus der Ukraine sprengt das bisherige Verteilsystem: Welche Städte ihr Soll an Flüchtlingen erfüllt und welche nicht.
Es ist auch dieser Vergleich, der zeigt, wie dramatisch sich in den vergangenen Wochen die Welt durch den Ukraine-Krieg verändert hat – und wie die Folgen bis in unsere Region reichen. 32 Geflüchtete aus aller Welt hatte die Sauerland- Gemeinde Bestwig (gut 10.700 Einwohner) Ende Januar aufgenommen, ihnen Unterkunft gewährt und sie versorgt. Damit erfüllte sie exakt die Vorgaben des Landes – um genau zu sein: sogar zu 100,66 Prozent. Denn jede Kommune ist gemäß ihrer Einwohnerzahl verpflichtet, Geflüchtete aufzunehmen.
Zu Jahresbeginn nur kleine Ausschläge
Aktuell versorgt Bestwig sogar 52 Geflüchtete – 20 mehr als im Januar. Die Gemeinde erfüllt ihr Soll nun aber doch nur noch zu exakt 44,31 Prozent. Das alles ist in der aktuellen Verteil-Statistik des Landes NRW ablesbar (siehe Grafik). Und das Beispiel zeigt, wie sehr das Gefüge durch die vielen Menschen, die vor dem brutalen Krieg aus der Ukraine geflüchtet sind, aus den Fugen geraten ist.
Anfang des Jahres gab es nur kleinere Ausschläge. Bis auf wenige Ausnahmen waren im Januar noch alle 396 Kommunen in NRW nah an ihrem Soll: Mal lagen Kommunen nur bei 75 Prozent, mal bei 115 Prozent. Aber: Zu dem Zeitpunkt waren „nur“ rund 35.500 Menschen in dem Verteilsystem, jetzt sind es mehr als 146.000.
Zum allergrößten Teil sind es Geflüchtete aus der Ukraine. Und während Asylbewerber und Kriegsflüchtlinge aus allen anderen Teilen der Welt das normale Verfahren durchlaufen, während sie einer Kommune zugeordnet werden, die sie auch nicht verlassen dürfen (Residenzpflicht), gilt das für Menschen aus der Ukraine nicht. Sie genießen Freizügigkeit.
Dortmund als Ziel besonders gefragt
Die Folge: Metropolen wie Dortmund sind insbesondere das Ziel. Zu 143,3 Prozent (über-)erfüllt die Großstadt Dortmund ihr Soll: rund 2100 Menschen mehr als die Stadt eigentlich müsste. Aber man kann dieses Phänomen auch nicht nur an einem Stadt-Land-Gefälle festmachen. Die kleine Stadt Hallenberg im Hochsauerlandkreis erfüllt ihr Soll derzeit nur zu 52 Prozent, die benachbarte und nur wenig größere Stadt Medebach dagegen zu 136 Prozent. Das sind für die 7000-Einwohner-Stadt immerhin 33 Menschen mehr als vorgeschrieben.
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Die Steuerungsmöglichkeiten sind nur noch bedingt vorhanden, weiß die in dieser Frage für ganz NRW zuständige Bezirksregierung Arnsberg: „Wir haben nur sehr eingeschränkt Einfluss darauf, wo die geflüchteten ukrainischen Bürger hingehen“, sagt Sprecher Christoph Söbbeler. „Alle die, die sich beim Land gemeldet haben und zunächst in Landeseinrichtungen betreut werden, werden zwar zentral auf die Kommunen verteilt, die die Quoten noch nicht erfüllt haben. Aber selbst dann können die ukrainischen Bürger in eine andere Kommune gehen.“
Bestwig heißt Geflüchtete willkommen
In der Gemeinde Bestwig lässt man indes keinen Zweifel daran, dass man die geforderte Quote erfüllen will. „Uns liegen bereits sukzessive Anmeldungen durch die Bezirksregierung vor“, sagt Sprecher Jörg Fröhling. „Alle Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine sind in der Gemeinde Bestwig willkommen und alle, die dies wünschen, werden auch hier untergebracht.“
>> INFO: Extremwerte für Soest
- Zwei Extremwerte sind zu erklären: Soest erfüllt sein Soll zu mehr als 200 Prozent, weil dort eine Landeseinrichtung für Ukrainer eingerichtet wurde. Die Plätze werden angerechnet.
- Die Stadt Wetter wiederum, die nach der aktuellen Erhebung nur 43 von geforderten 193 Plätzen bereitstellt, hat nicht fristgerecht gemeldet. Es könne also tatsächlich mehr Ukrainer dort leben.