Hagen/Arnsberg. Der Regierungspräsident im Interview: Wie viele Ukraine-Flüchtlinge erwartet werden - und wie sich Szenen wie in 2015 nicht wiederholen sollen.

Die Menschen, die vor dem Krieg aus der Ukraine flüchten, müssen in Deutschland kein Asylverfahren durchlaufen, sondern dürfen auf eine unbürokratische und rechtssichere Aufenthaltserlaubnis hoffen. Das erwartet der Arnsberger Regierungspräsident Hans-Josef Vogel (CDU) nach den Ankündigungen der Europäischen Union. Mit der so genannten Massenzustrom-Richtlinie der EU müssten die Schutzsuchenden – oftmals Frauen und Kinder – auch nicht in Sammelunterkünften untergebracht werden, sondern könnten sofort bei Freunden und Verwandten Zuflucht finden. Eine einfache Registrierung werde angestrebt. Vogel: „Die Bezirksregierung unterstützt die Richtlinie ausdrücklich.“

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Mit ihrer Anwendung sollen auch Szenen wie im Jahr 2015 vermieden werden, als in der Region an vielen Stellen binnen Stunden und Tagen Massenunterkünfte für die vielen Flüchtenden aus Afghanistan, Syrien oder Afrika geschaffen werden mussten. „Wir treffen aber auch für einen solchen Fall Vorkehrungen“, so Vogel. Wie viele Flüchtende aus der Ukraine im Regierungsbezirk Arnsberg Hilfe suchen werden, sei noch völlig unklar, so Vogel. Das Interview im Wortlaut.

Mit wie vielen Geflüchteten aus der Ukraine rechnen Sie für den Regierungsbezirk?

Das zu beziffern, wäre pure Spekulation. Wir wissen nicht genau, wie viele Menschen derzeit und zukünftig durch den Krieg vertrieben und wie viele in den Nachbarländern wie Polen aufgenommen werden. Aber angesichts der vielen Menschen wird es sicherlich einen Verteilungsschlüssel innerhalb der Europäischen Union geben – und in der Folge auch innerhalb Deutschlands. Wir bereiten uns also derzeit als Bezirksregierung sehr intensiv darauf vor, dass wir die Menschen versorgen können.

Der Arnsberger Regierungspräsident Hans-Josef Vogel.
Der Arnsberger Regierungspräsident Hans-Josef Vogel. © FUNKE Foto Services | André Hirtz

Wird es zu Bildern kommen wie 2015: Müssen wieder in ehemaligen Schulen oder Krankenhäusern Aufnahmeeinrichtungen geschaffen werden?

Wir bereiten uns auf alles vor, sind im Moment auch dabei, einige „Stand-by-Einrichtungen“, die zuletzt nicht benötigt wurden, wieder hochzufahren. Aber insgesamt erwarten wir hier zunächst eine andere Situation. Es wird auf EU-Ebene eine Richtlinie angewendet, die ein viel unbürokratischeres Vorgehen ermöglicht. Wir erwarten, dass es am Donnerstag die Beschlüsse geben wird. Wir als Bezirksregierung begrüßen das ausdrücklich.

Was besagt diese Richtlinie, die nun angewendet wird?

Die Richtlinie, die es schon seit dem Jahr 2001 gibt, die aber bislang noch nie angewendet wurde, besagt: Die Flüchtenden aus der Ukraine müssen kein Asylverfahren durchlaufen, sondern bekommen einen temporären Schutzstatus und den Zugang zu Arbeit und Sozialleistungen. Sie müssen nicht in zentralen Einrichtungen des Landes untergebracht werden, bevor sie auf die Kommunen verteilt werden, sondern können sofort auch private Wohnungen beziehen. Wir wissen, dass viele hier schon lebende Ukrainer – allein in NRW sind es 30.000 – hier helfen wollen und erste Anlaufstellen sind. Kurzum: Die Flüchtenden bekommen so Rechtssicherheit, das Verfahren ist unbürokratisch – und entlastet so auch Verwaltungen.

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Wie lange können die Geflüchteten bei uns bleiben?

Wir müssen sehen, wie lange die schlimme Situation in der Ukraine anhält. Die allermeisten wollen sicherlich wieder in ihre Heimat, sobald das möglich ist. Aber mit der Richtlinie, die nun angewendet wird, können sich Geflüchtete bei uns auch sofort um Arbeit bemühen. Wir rechnen außerdem damit, dass viele Frauen und Kinder kommen. Deshalb bereiten wir jetzt schon unsere Schulen vor, dass die Kinder schnell betreut werden können.

Wie sind die Rückmeldungen aus den Kommunen? Fürchten diese die neue Fluchtbewegung?

Es gibt eine sehr, sehr hohe Bereitschaft zu helfen – sowohl in den Kommunen als auch in der Breite der Bevölkerung.